Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding

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Die wichtigsten Werke von Oskar Meding - Oskar  Meding


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Kurier absenden zu dürfen, von einer Minute Verzögerung kann die Ruhe Europas abhängen.«

      »Gehen Sie, lieber Ambassadeur,« sagte der Kaiser freundlich, »ich wünsche Ihren Bemühungen den besten Erfolg. Sie wissen wohl, daß niemand aufrichtiger wie ich den Frieden Europas Wünscht.«

      Er stand auf und reichte dem Lord die Hand.

      Dieser verbeugte sich tief und entfernte sich schnell.

      »So,« sagte Napoleon, als er allein war, »nun werden Rouher, die Presse und England mich drängen, das zu tun, was ich will, und ich werde wohl nachgeben müssen,« fügte er lächelnd hinzu. Er bewegte eine kleine Glocke auf seinem Schreibtisch, welche mit besonderem Klange durch das Kabinett schallte.

      Aus der Tür nach seinen inneren Gemächern trat sein alter Kammerdiener Felix, der Vertraute seiner Verbannung, ein alter Mann mit grauem Haar, scharfgeschnittenem und intelligentem, aber dabei offenem und treuem Gesicht.

      »Mein lieber Felix,« sagte der Kaiser, freundlich zu ihm hintretend, »ich will ein wenig spazieren gehen, wo ist Nero, mein guter, braver Freund, der treueste nach dir, du altes Herz ohne Falsch und Hinterhalt?«

      Und mit einem warmen, leuchtenden Blick reichte er dem alten Diener die Hand. Dieser drückte sie an sein Herz und führte sie dann an die Lippen.

      Dann näherte er sich wieder der Tür und ließ einen zischenden Ton durch seine Lippen dringen.

      Nach wenigen Augenblicken erschien in mächtigem Sprung ein großer, schwarzer Neufundländer-Hund, beschnupperte den Kammerdiener flüchtig und stürzte dann in einem großen Satze auf den Kaiser zu, hob sich auf den Hinterbeinen empor und legte die Vordertatzen auf Napoleons Schultern, indem er mit seiner großen roten Zunge zärtlich sein Gesicht leckte.

      Der Kaiser ließ es geschehen. Sanft legte er seinen Arm um das Tier und ein Ausdruck unendlicher Weichheit legte sich über sein Gesicht, sein Auge strahlte in feuchtem Schimmer, er war wahrhaft schön in diesem Augenblick.

      »Du gutes Tier,« sprach er mit sanfter, metallisch klangvoller Stimme, »ich gebe dir nichts als dein Futter und zuweilen einen freundlichen Blick, und du liebst mich, mich allein, du würdest ebenso freudig an mir emporspringen, wenn ich nicht Kaiser wäre, in der Verbannung, am Bettelstab, während diese alle, die ich mit Gold und Ehren überhäufte –«

      Er seufzte tief, dann drückte er die Lippen auf den glänzend schwarzen Kopf des Hundes.

      »Du treuer Freund,« sagte er leise, und der Hund, als verstände er die Worte seines Herrn, schmiegte sich innig an ihn an.

      Felix nahte sich dem Kaiser und ließ sich auf ein Knie neben ihm nieder.

      »Vergessen Eure Majestät mich?« fragte er leise.

      Der Kaiser reichte ihm die Hand, ohne den Hund loszulassen.

      »Nein, ich vergesse dich nicht, du Gefährte der bösen Tage, dich habe ich voraus vor allen Souveränen der Welt, einen Freund, den ich im Fischzug aus des Lebens Tiefen gewann!«

      Und lange stand er so, aller Ausdruck von Sorge verschwand aus seinem Gesicht, sein Auge leuchtete in warmem Schein, es war nicht der Kaiser, der vielbeschäftigte, wachsame, gequälte, mächtige und ermüdete Imperator, es war der Mensch, der einfache Mensch, der seine Seele badete in rein menschlichem Gefühl.

      Dann seufzte er tief auf und ließ den Hund sanft Zur Erde gleiten.

      »Rufe den Adjutanten vom Dienst,« sagte er.

      Felix stand auf und ging in das Vorzimmer.

      Wenige, Augenblicke darauf kam er mit dem diensttuenden Adjutanten, General Fave, zurück. Er reichte dem Kaiser seinen Hut, die Handschuhe und einen schönen Stock von spanischem Rohr mit goldenem Knopf.

      »Ich will ein wenig im Garten spazieren gehen,« sagte Napoleon mit freundlichem Lächeln, nahm den Arm des Adjutanten und stieg die Treppe hinab. – Nero folgte langsam und gravitätisch.

      Felix blickte ihm mit weichem Blicke nach.

      »Er wird alt,« sagte er mit tiefem Seufzer, »die Zeit fordert ihr Recht an uns allen. Gott schütze und erhalte den Prinzen!«

      Dreizehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      In der großen, breiten Allee des sogenannten Georgswalles in Hannover, vor dem großen, weiten Theatergebäude gingen etwas vor dem Beginn der Vorstellung drei Herren mit langsamen Schritten auf und nieder; bald stehen bleibend und einem vorübergehenden Bekannten zunickend, bald laut lachend, zeigten sie in ihrer ganzen Haltung jene sorglose Gleichgültigkeit unbeschäftigter Personen, welche nichts anderes zu tun haben, als ihre Zeit auf die möglichst wenig anstrengende Weise totzuschlagen.

      Diese drei Herren, welche auch von den um diese Stunde hier zahlreich spazierengehenden Bürgern häufig gegrüßt wurden, waren der Leutnant von Tschirschnitz, der Hauptmann von Hartwig und der Leutnant von Wendenstein, alle drei natürlich in Zivilanzügen, welche sie mit so leichter und natürlicher Eleganz trugen, als hätten sie immer sich in dieser Tracht bewegt.

      »Also Ihr wollt wirklich nicht mit uns gehen, Wendenstein?« fragte Herr von Hartwig, »besinnt Euch doch noch einmal, je zahlreicher wir sind, um so mehr können wir zur Entscheidung der Sache beitragen.«

      »Laßt ihn,« sagte Herr von Tschirschnitz, »er hat andere Rücksichten zu nehmen als wir. – Ihr,« fuhr er fort, Herrn von Hartwig traurig anblickend, »seid frei durch Euren traurigen Verlust und bedürft des Herausreißens aus Eurem Schmerz, ich – nun, ein Junggesell, wie ich, hat nichts zu verlassen.«

      »Ihr gebt die Kompagnie im sächsischen Dienst auf, die Euch zugesichert ist, alter Freund?« unterbrach ihn Herr von Hartwig.

      »Was will das sagen?« rief Herr von Tschirschnitz, »ich habe dem Könige mich zur Verfügung gestellt und muß seinem Ruf folgen, ich tue es gern und leichten Herzens, aber seht, mit Wendenstein ist es etwas anderes, er ist verlobt, er will heiraten, er hat andere Pflichten.«

      »Aber wenn es zum Schlagen kommt,« rief Herr von Hartwig, »so –«

      »So werde ich gewiß nicht fehlen,« sagte Herr von Wendenstein ernst, »glaubt mir, wenn ein hannoverisches Korps sich bildet, so werdet Ihr meinen Platz nicht leer sehen! – Aber wenn nichts daraus wird –«

      »Ja, das ist die Sache,« rief Herr von Tschirschnitz, »wenn aus der ganzen Sache nichts wird, so sind wir verbannt, auf lange, vielleicht auf immer, nun, wir können es darauf wagen, aber das wäre für ihn doch zu traurig.«

      »Außerdem sagt, mein Vater,« sprach Herr von Wendenstein ein wenig zögernd, »Ihr wäret einverstanden, daß ich mit meinem Vater über die Sache sprechen wollte, er meint, daß diese ganze Emigration etwas voreilig und unüberlegt sei, und daß sie der Sache des Königs wenig nützen, vielleicht schaden könne –«

      »Aber der König hat es befohlen!« rief Herr von Tschirschnitz, »ist es unsere Sache, seine Befehle zu prüfen, muß er nicht besser wissen, was zu tun ist?«

      »Seid Ihr ganz gewiß, daß der König es befohlen, und daß nicht etwa –«

      »Ganz gewiß!« sagte Herr von Hartwig, »ich habe selbst des Königs Order gesehen, durch welche er den Personen, die Ihr kennt, Vollmacht erteilt. Nun, wenn die Personen jetzt die Emigration anordnen, so muß doch die Sache nötig sein.«

      »Und Graf Platen sendet Geld auf Geld für die Sache!« rief Herr von Tschirschnitz, »hier habe ich dreißigtausend Taler in meiner Tasche, in meinem Leben habe ich nicht soviel Geld beieinander gesehen,« fügte er lachend hinzu, »glaubt Ihr, daß diese Summen von hier kommen oder für einen Scherz gezahlt werden? – Nein, nein, in Hietzing muß man besser wissen, was nötig ist, also vorwärts, ich reise heute abend. Briefe, die an mich kommen, laßt Ihr mir wie bisher zugehen, nicht wahr, Wendenstein? – Eine sichere Adresse sollt Ihr erhalten.«


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