Im Thale des Todes. Karl May

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Im Thale des Todes - Karl May


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      War sie vorhin ihrer Sprache beraubt gewesen, so dauerte dies jetzt noch länger, ehe sie dieselbe wiederfand. Ihr Anblick war freilich zum Malen. Erst schon voller Thonflecke, tropfte sie jetzt von oben bis unten von der triefenden Brühe. Diese war ihr in die Augen, den Mund und die Nase gedrungen. Sie pustete, hustete, nießte und schüttelte sich. Um die Nässe wenigstens aus dem Gesichte schnell los zu werden, hob sie das schwarze Kleid empor und wischte sich damit Kopf, Stirn, Wangen, Kinn und Hals ab. Jetzt nun bekam sie die Augen frei. Jetzt konnte sie sehen und nun vermochte sie auch wieder zu sprechen:

      »So Etwas! So Etwas!« keuchte sie. »Ein Ueberfall! Eine schändliche Beleidigung und Behandlung! Ich werde meinen Peon herein rufen. Und dann, wenn erst mein Freund, der Professor Barth kommt, so werden Beide mich rächen. Noch weiß ich nicht einmal, ob Ihr das Bier bezahlen könnt, welches – –«

      »Pst!«

      Es war nur dieser eine Laut, mit welchem er sie unterbrach; aber dies geschah in einer solchen Weise, daß ihr die Zunge sofort stille stand. Der Apache hatte so etwas Eigenes an sich. Ein einziger Blick von ihm wirkte mehr, als die lange Rede eines Andern.

      Er griff in die Gürteltasche, zog einen kleinen gelben Gegenstand, der fast die doppelte Größe einer Erbse hatte, hervor und hielt ihr denselben hin.

      »Bezahlen,« sagte er.

      Sie warf einen Blick darauf und sofort erhellten sich ihre soeben noch so finsteren Gesichtszüge.

      »Ein Nugget! Ah, von dieser Größe! Ich werde es sogleich wiegen und Euch das Uebrige nachher herausgeben. Das Bier kostet einen halben Dollar.«

      An Orten, wo Goldgräber verkehren, bezahlen dieselben meist mit Goldstaub und Goldsand. In Folge dessen befindet sich jeder Geschäftsmann im Besitze einer Goldwaage. Das war auch bei der Wirthin der Fall. Sie wog das Nugget, zog den halben Dollar von dem Werthe des Goldes ab und zählte dem Apachen das Uebrige auf den Tisch.

      »Dreck!« sagte er verächtlich und strich mit dem Arme das Geld vom Tische herab, daß es auf die Diele fiel.

      »Herrgott! Ihr werft es herunter!« rief sie.

      Er nickte.

      »So viel! Es sind vier und ein halber Dollar!«

      Er zuckte geringschätzig die Achsel.

      »Wollt Ihr es denn nicht haben?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Darf ich es für mich nehmen?«

      »Für das Abkühlen!«

      Das war ihr natürlich sehr lieb. Sie hob das Geld auf und steckte es ein. Sie hatte gar nicht bemerkt, daß abermals ein Reiter angekommen war, der draußen sein Pferd angebunden hatte und jetzt hereintrat. Steinbach war es.

      Heute Morgen hatten die Verfolger bemerkt, daß Roulin eine Finte geritten war, um sie irre zu führen. Um ihn ganz sicher zu bekommen, hatten sie sich getrennt. Ein Ort, an welchem sie dann wieder zusammentreffen wollten, war gar nicht bestimmt worden. Es verstand sich ja ganz von selbst, daß sie, die Fährte eines Mannes suchend, auf derselben sich wieder finden würden. Sam war der Glückliche von ihnen gewesen, welchen der Zufall zuerst auf diese Fährte geführt hatte, sodann der Apache und jetzt nun Steinbach.

      Dieser hatte die Pferde Sams und der ›starken Hand‹ bereits von Weitem vor dem Hause stehen sehen und einen ihm begegnenden Mann gefragt, was für ein Haus dies sei. Der Gefragte hatte ihm eine sehr ausführliche Antwort ertheilt und ihm die Eigenthümlichkeiten der Wirthin so beschrieben, daß er genau wußte, woran er war.

      Als er sie jetzt erblickte, hätte er am Liebsten laut auflachen mögen. Dennoch zwang er sich, ernst zu bleiben und grüßte im höflichsten Tone:

      » Buenos dias, estimada Donna Emeria – guten Tag, hochverehrte Donna Emeria!«

      Sofort glänzte ihr Gesicht vor hellem Entzücken.

      » Buenos dias!« antwortete sie. »Willkommen, willkommen, Sennor! Wollt Ihr Euch nicht einen Platz suchen? Nicht hier bei dem Indianer, sondern dort auf dem Divan, welcher nur für Dons vorhanden ist!«

      »Danke! Ich will nicht lange bleiben und werde mich doch zu diesem rothen Sennor setzen. Ich sehe, daß Ihr Porter habt. Darf ich um eine Flasche bitten?«

      »Gewiß, gewiß! Gleich hole ich sie!«

      Sie wollte hinaus, blieb aber an der Thür stehen. Es fiel ihr ein, daß dies das erste Mal sei, daß sie ohne Examen bedienen wolle. Durfte sie dies thun? Durfte sie von ihren Grundsätzen abweichen? Nein. Dieser Sennor hatte sie durch sein Aeußeres und seine Höflichkeit sofort für sich eingenommen, aber er mußte auch erfahren, daß er sich in der Venta der gelehrten Sennorita Emeria befand. Sie kehrte noch einmal um.

      »Verzeiht vorher, Sennor!« sagte sie. »Ich pflege gern zu erfahren, weß Geistes Kind mein Gast ist. Ich bediene keine ungebildeten Leute. Obgleich nun in Beziehung auf Euch ein Zweifel gar nicht möglich ist, möchte ich Euch doch vier Fragen vorlegen.«

      »Viere? Das ist viel. Wenn ich sie nicht beantworten kann, erhalte ich nichts?«

      »Leider ist es so.«

      »Nun, so muß ich mir Mühe geben. Bitte, zu fragen!«

      »Schön! Also, welcher Diplomat der Jetztzeit ist wohl der geschickteste?«

      »Sennorita Emeria.«

      »Ich? Wieso?«

      »Ihr zwingt Jedermann, Euch Rede und Antwort zu stehen, was andern Diplomaten nicht stets gelingt.«

      »Sehr gut, sehr gut! Sogar ausgezeichnet! Ich will Euch aufrichtig gestehen, daß ich eine so überaus treffende und geistreiche Antwort noch auf keine meiner Fragen erhalten habe. Diese eine Antwort ist so schwer wie vier gewöhnliche gute Antworten. Ich verzichte also auf weitere Fragen. Ihr seid würdig, mein täglicher Stammgast zu sein. Was habt Ihr mir für Befehle zu ertheilen?«

      »Ich bitte, wie bereits vorhin, um einen Porter.«

      »Er kommt, er kommt! Er soll förmlich herbei fliegen!«

      Sie eilte fort.

      »Krank im Kopf!« sagte der Apache.

      »Wo ist Sam?«

      »Draußen.«

      »Was thut er?«

      »Werden es hören.«

      Die Wirthin kehrte wirklich schnell zurück. Es war ihr unterwegs eingefallen, daß ihr Aeußeres jetzt eigentlich ein etwas ungewöhnliches sei, und sie hielt es für nöthig, einem so höflichen Gaste gegenüber sich zu entschuldigen. Sie that das in ihrer eigenartigen Weise. Sie stellte sich vor ihn hin und fragte:

      »Sennor, wie gefalle ich Euch?«

      Er betrachtete sie mit ernster Miene und antwortete:

      »So stelle ich mir eine Künstlerin vor, die –«

      »Bin ich auch, bin ich auch,« fiel sie schnell ein.

      »Die das Genie besitzt, einem Stücke spröder Erde geistiges Leben einzuhauchen.«

      »Das thue ich, ja, das thue ich!«

      Sie bückte sich zum Boden nieder und hob den Thonklos auf, welcher, seit sie darauf gesessen hatte, dem beabsichtigten Kopfe noch viel unähnlicher geworden war. Ihn Steinbach hinhaltend, fuhr sie fort:

      »Seht hier eine Probe, Sennor. Was ist das?«

      Er kam in die allergrößte Verlegenheit. Zum Glücke fiel sein Blick auf ihren Tisch. Er bemerkte, daß sie modellirt haben müsse und sah den gezeichneten Kopf dabei liegen. Darum wagte er die Antwort:

      »Ein feiner Kopf von scharfer, geistreicher, seltener Zeichnung. Die Rundung noch Etwas zarter und das Profil ein Wenig ausgearbeiteter, dann wird es ein bewundernswerthes Meisterstück sein.«


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