Im Thale des Todes. Karl May

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Im Thale des Todes - Karl May


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ich trinken wollte.«

      »Das will ich sogleich holen, schnell, schnell!«

      »Aber habe ich denn das Examen bestanden?«

      »Ganz vortrefflich!«

      Sie eilte fort.

      »Die ist verrückt und obendrein auch noch übergeschnappt,« murmelte Sam. »Das Frauenzimmer dauert mich. Mit einer so unglücklichen Person soll man keinen Unsinn treiben. Aber erst überraschte es mich und sodann kam mir der Gedanke, daß sie uns nützlich sein kann. Jedenfalls steckt der Kerl hier im Hause. Sein Pferd ist erst draußen angebunden gewesen, und dann hat er es hereingeschafft. Werden sehen!«

      Sie brachte ihm die Flasche Porter und er trank sie gleich auf einen Zug aus. Als er nach dem Preise fragte und das Geld hinlegte, wollte sie es nicht nehmen. Er mußte sie fast dazu zwingen.

      »Nehmt es nur,« sagte er. »Ich lasse mir nicht gern Etwas schenken, und ein Professor der Astronomie bezieht ein solches Einkommen, daß er sein Bier schon noch bezahlen kann. Wenn Ihr mir einen Gefallen thun wollt, so kann das ja auf andere Weise geschehen.«

      »Sehr gern. Sagt mir nur, wie!«

      »Nun, würdet Ihr mir wohl Auskunft ertheilen, wer sich jetzt in diesem Augenblicke in Eurem Hause befindet?«

      »Natürlich!«

      »Nun, wer ist es?«

      »Ich, Petro, mein Peon, und Henriettina, meine Magd.«

      »Kein Gast, der erst vor Kurzem gekommen ist?«

      »Doch, doch! An ihn dachte ich gar nicht. Ein deutscher Sennor ist da; er heißt Sennor Günther.«

      »Günther? Deutsch? Hm! Wann kam er?«

      »Vor zwei Stunden.«

      »Das wäre möglich. Zu Pferde?«

      »Nein, sondern zu Fuß.«

      »Hm! Das stimmt nicht. Wo ist er?«

      »Er hat sich bei mir eingemiethet, droben eine Treppe hoch in dem Giebelstübchen.«

      »Wunderlich! Ich dachte, er wäre zu Pferde gekommen?«

      »Nein. Er hatte weder Thier noch Gepäck.«

      »Ist denn nicht auch ein Reiter dagewesen?«

      »O doch. Er kam vor ungefähr dreiviertel Stunden und ging kurz bevor Ihr kamt.«

      »Sein Pferd war draußen angebunden?«

      »Ja.«

      »Dann zog er es in das Haus?«

      »Ja, wie ich glaube; er befürchtete nämlich, als Ihr kamt, daß Ihr ihn – –«

      Sie hielt inne. Es fiel ihr jetzt ein, daß sie ja nichts sagen solle.

      »Nun, er befürchtete, als ich kam – was denn?«

      »Daß Ihr ihn sehen würdet.«

      »Hm! Sehr gut! Wo steckt er jetzt?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Hört, Sennorita, macht mir keine Flausen! Er hat das Pferd hereingezogen und wird also wohl auch selbst in dem Hause sein.«

      »Ich glaube nicht.«

      »Ich aber glaube es. Es wäre viel besser, wenn Ihr mir ganz aufrichtig die Wahrheit sagtet.«

      »Ich sage sie ja. Er ist nicht mehr hier.«

      »Sapperment! Wohin denn?«

      »Ich darf nicht sprechen.«

      »Dann sind wir allerdings gute Freunde gewesen!«

      »Nehmt es mir nicht übel, Sennor! Die Beiden waren Freunde eines Mannes, dem ich sehr verpflichtet bin. Sie gingen, als sie Euch kommen sahen, und haben mir verboten, von ihnen zu sprechen.«

      »Zwei waren es?«

      »Ja. Einer war bereits da, als der Reiter kam.«

      »Heißt der Sennor, welchem Ihr so sehr verpflichtet seid, vielleicht Robin?«

      »Ja.«

      »Das genügt. Aber Ihr erlaubt mir vielleicht, mich einmal in Eurem Hofe umzusehen?«

      »So viel es Euch beliebt.«

      »Schön! Holt mir inzwischen noch eine Flasche Porter. Die Sache scheint warm werden zu wollen, da ist es besser, man stärkt sich vorher als hinterher.«

      Er verließ das Zimmer und sie ging auch hinaus, um das Bier zu holen. Eben als sie es gebracht hatte und auf den Tisch stellte, kam abermals ein Reiter. Es war der Häuptling der Apachen. Er war auf einem andern Wege als Sam aus der Stadt gekommen. Ihm genügte es, das Pferd des Dicken vor der Thür zu sehen. Er band das seinige daneben an und kam in die Stube.

      » Dios!« grüßte er kurz.

      Dann setzte er sich an den Tisch, an welchem auch Sam gesessen hatte.

      Die Sennorita sah natürlich, daß sie es mit einem Indianer zu thun hatte. Das ist aber in jener Gegend keine Seltenheit. Darum empfand sie auch nicht etwa Angst vor ihm. Sie gab ihm einen verweisenden Wink und erklärte:

      »Dort sitzt bereits ein Sennor.«

      Der Rothe nickte schweigend.

      »Ich bitte Euch also, Euch an einen anderen Tisch zu setzen.«

      Der Rothe schüttelte schweigend.

      »Habt Ihr es gehört?«

      Er nickte.

      »So thut doch auch, was ich Euch sage!«

      Er ergriff die Flasche, deren Stöpsel die Sennorita bereits für Sam geöffnet hatte.

      »Halt!« rief sie. »Die gehört dem anderen Gaste.«

      Er führte trotzdem die Flasche an den Mund.

      Da sprang sie herbei und wollte sie ihm nehmen. Sie ergriff seine beiden Hände, um sie mit der Flasche von seinen Lippen wegzuziehen. Er setzte die Flasche langsam ab, stellte sie auf den Tisch, schüttelte die Hände der Sennorita von sich, ergriff diese Letztere bei den Schultern und drückte sie, ohne aber ein einziges Wort dabei zu sagen, mit solchem Nachdrucke auf den Boden nieder, daß sie grad und direct auf den Thonklos zu sitzen kam, welcher noch an derselben Stelle lag, wo er ihr entfallen war, als Sam den Kopf ihres Angebeteten einen Schafskopf genannt hatte. Dann griff der Apache wieder nach der Flasche, führte sie an die Lippen und trank sie aus.

      Der Sennorita schien die Fähigkeit, sich bewegen zu können, ganz und gar abhanden gekommen zu sein. Sie blieb mit ausgespreizten Armen und Beinen eine ganze Weile sitzen, hatte den Mund offen und hielt die Augen entsetzt auf den Häuptling gerichtet, welcher sich ganz ruhig auf den Stuhl wieder niedergelassen hatte und gar nicht mehr auf sie zu achten schien.

      Dann aber kam es plötzlich über sie, als ob sie auf einer Spannfeder gesessen habe. Sie schnellte empor, streckte ihm die geballten Fäuste entgegen und rief mit vor Zorn bebender Stimme:

      »Mir das? Mir?«

      Er nickte.

      »Mir, der gelehrten Sennorita Emeria! Ist das nicht unerhört, nicht schändlich?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Nicht? Was? Also nicht? Wißt Ihr, wer und was ich bin? Ich, eine Künstlerin, eine Gelehrte, soll mich von einem Menschen, der nur ein wilder Indianer ist, in dieser Weise – ooooh! Brrrrr!«

      Sie konnte nicht weiter. Der Apache war mit blitzartiger Schnelligkeit an ihrem Tische, ergriff das Wassergefäß, in welches sie den Hader beim Modelliren getaucht hatte, und goß ihr den ganzen weißgrauen, thonigen und schlammigen Inhalt über den Kopf. Das Gefäß selbst stülpte er ihr dann noch oben darauf.

      »Abkühlen!«


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