Im Thale des Todes. Karl May

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Im Thale des Todes - Karl May


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habt Ihr Euch getäuscht. Ich habe keine Wohnung für Fremde. Und selbst wenn ich ein Zimmer übrig hätte, so würde ich es meinen Grundsätzen zu Folge nur an Einen vermiethen, welcher meine Fragen beantworten kann. Ihr aber habt mir auf alle vier nicht eine einzige Antwort gegeben. Dies ist die Venta zur gelehrten Emeria und ich darf meinem Hause und meiner Firma keine Schande machen.«

      »So muß ich mich fügen, obgleich ich dachte, daß ich vielleicht in einem Giebelstübchen bei Euch Platz finden könnte.«

      »Nein; da habt Ihr Euch getäuscht. Von wem wißt Ihr überhaupt, daß ich ein Giebelstübchen habe?«

      »Von Sennor Robin.«

      Sie machte eine Bewegung der Ueberraschung.

      »Robin?« sagte sie. »Es giebt nur einen Sennor dieses Namens und dieser wohnt draußen in den Mogollon-Bergen. Meint Ihr vielleicht diesen?«

      »Ja.«

      »Er ist ein Bekannter von Euch?«

      »Ich traf ihn zufällig; aber er schickte mich zu Euch. Er meinte, ich brauche Euch nur seinen Namen zu nennen, so würdet Ihr mir das Giebelstübchen geben.«

      »Hm! Das ist etwas Anderes. Ich habe Rücksichten auf ihn zu nehmen, und wenn er Euch zu mir geschickt hat, so werde ich Euch allerdings nicht fortweisen. Wollt Ihr Euch das Logis einmal ansehen, ob es Euch gefällt?«

      »Ich bitte um die Erlaubniß dazu.«

      »So kommt!«

      Sie schritt voran und führte ihn eine Treppe empor, wo sie eine Thür öffnete. Da gab es einen kleinen, zwar dürftig ausmöblirten, aber ziemlich traulichen Raum. Günther sah ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl, einen Spiegel und einen Schrank. Dies war Alles, was man hier inmitten eines wilden Landes verlangen konnte. Er erklärte, daß ihm das Stübchen gefalle und daß er es behalten werde, wenn sie es ihm vermiethen wolle. Sie meinte: »Um Robins willen und weil Ihr mir den Kopf gezeichnet habt, sollt Ihr es haben. Beabsichtigt Ihr vielleicht, bald einzuziehen?«

      »Wenn Ihr erlaubt, so bleibe ich gleich da.«

      »Hm! Wo habt Ihr Eure Sachen?«

      »Ich habe einstweilen nur das, was ich auf dem Leibe trage, Sennorita.«

      »Na, da werdet Ihr vielleicht so ein Luftikus sein, wie sie jetzt hier gang und gäbe sind. Ihr werdet mich doch nicht etwa in Unannehmlichkeiten bringen?«

      »Nein, gewiß nicht. Ihr dürft Vertrauen zu mir haben. Die Miethe zahle ich Euch pränumerando und was ich genieße, berichtige ich stets sofort.«

      »So mag es gelten. Ein Goldsucher ist kein Graf oder Herzog; Bedienung werdet Ihr also nicht verlangen. Uebrigens, wenn Ihr trotzdem eine Frage oder sonst ein Bedürfniß habt, so wendet Euch an meinen Peon Petro oder an die Magd Henriettina. Ich habe keine Zeit. Eine so vielseitige Gelehrte und Künstlerin, wie ich bin, hat jede Minute den Musen und den Göttern der vielen Wissenschaften zu widmen.«

      Es wurde nun noch der Betrag der Miethe festgesetzt und da Günther sich mit demselben sofort einverstanden erklärte und ihn auch gleich bezahlte, so war diese Angelegenheit zur beiderseitigen Zufriedenheit sehr schnell geordnet. Die Wirthin kehrte in das Gastzimmer zurück und Günther begann, es sich im Zimmer wohnlich zu machen.

      Er zog eine dicke Brieftasche hervor und breitete den Inhalt derselben auf dem Tische aus. Hätte Sennorita Emeria dabei stehen und mit zählen können, so würde sie den Besitzer einer so außerordentlich hohen Summe wohl anders als bisher beurtheilt haben.

      Sie hatte sich wieder auf ihren Platz gesetzt und ein Gefäß mit Wasser und einen Hader zu sich genommen. Sie wollte nach der Zeichnung, welche sie von Günther erhalten hatte, den Kopf des Geliebten aus Thon formen. Sie arbeitete sehr fleißig. Ein Kopf wurde fertig, aber was für einer! Dabei wischte sie sich die mit Thon beschmierten Hände sehr oft ab und zwar nicht an den Hader, welcher doch dazu dienen sollte, sondern an das schwarze Kleid, welches sie trug. In dem Eifer und der Anstrengung fuhr sie sich mit den Fingern auch in das Gesicht, in das Haar, und so kam es, daß sie in kurzer Zeit einen Anblick bot, der auch einen ernsthaften Mann zum Lachen gebracht hätte.

      Da ging die Thür auf und es trat Jemand ein. Sie nahm sich nicht die Zeit, sich umzusehen; sie glaubte, daß es ihr Peon sei, bis endlich eine heisere, unangenehme Stimme sagte:

      »Na, was ist denn das für ein Verhalten! In einer Venta hat man sich doch um die Gäste zu bekümmern!«

      Jetzt drehte sie sich um. Der Mann hatte sich gleich auf den ersten, besten Stuhl gesetzt. Sein Aussehen war nicht sehr Vertrauen erweckend.

      »Was höre ich!« sagte sie. »Ihr raisonnirt?«

      »Ja. Ich habe das Recht dazu!«

      »Das Recht? Wieso?«

      »Ich komme als Gast und kein Mensch bekümmert sich um mich.«

      »Seid froh, daß dies so ist, denn wenn ich mich um Euch bekümmern wollte, so wäre es doch nur in der Weise, daß ich Euch aus dem Hause werfen ließ.«

      »Oho! Das geschieht nicht so leicht! Ehe Ihr mich hinauswerft, will ich erst ein Glas Branntwein trinken!«

      »Könnt Ihr ihn bezahlen?«

      »Das geht Euch nichts an!«

      »Nichts? So! Wenn Ihr das denkt, so macht nur gleich, daß Ihr hinauskommt. Ich werde mich wohl überzeugen können, ob ich auch Zahlung erhalte.«

      »Na, so überzeugt Euch! Hier!«

      Er zog einen Silberpeso aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch.

      »Das ist etwas Anderes,« sagte sie. »Zahlen könnt Ihr also. Dennoch aber fragt es sich, ob Ihr den Branntwein erhaltet.«

      »Warum denn?«

      »Erst müßt Ihr beweisen, daß Ihr es werth seid.«

      Er verstand sie nicht und blickte sie erstaunt an. Sie aber trat näher und stemmte beide Hände in die Seiten. Dabei beachtete sie gar nicht, daß sie eben in jeder Hand ein Stück gekneteten Thon hielt, den sie nun an die schwarze Taille schmierte. Sie warf sich in eine möglichst imponirende Positur und fragte:

      »Wie viele Nebenmonde hat der Uranus?«

      Der Gefragte blickte sie an, als ob er sagen wollte, daß er sie für übergeschnappt halte.

      »Na, Antwort!« drängte sie.

      »Donnerwetter! Wer ist denn dieser Krinus oder Urimus oder Urian?«

      »Das wißt Ihr nicht?«

      »Nein. Ich kenne weder ihn noch seine Monde. Jedenfalls geht mich der Kerl auch gar nichts an.«

      »Gut! Weiter! Wie alt wurde der größte Feldherr der Karthager, ehe er starb?«

      »Unsinn! Wie alt ist er denn wohl nachher noch geworden, als er gestorben war?«

      »Sennor,« sagte sie in verweisendem Tone, »beleidigt meine Würde nicht! Ich stehe vor Euch als Dame, Gelehrte, Künstlerin und Examinatorin. Sagt mir jetzt weiter, in welcher Beziehung die Planimotrie mit der Witterungskunde verwandt ist!«

      »Mir ganz gleich. Auf diese Verwandtschaft gebe ich nicht das Geringste!«

      »Also auch nicht! Nun viertens: Warum nennt man eine gewisse Klasse der Affen Meerkatzen?«

      Da fuhr er von seinem Sitze auf und rief:

      »Himmeldonnerwetter! Wollt Ihr mich etwa auch zum Affen machen? Was weiß ich von Meerkatzen! Jedenfalls sehe ich jetzt in diesem Augenblicke die allererste und die seid Ihr selbst!«

      Das war eine Beleidigung, welche sie nicht dulden durfte. Sie fuhr mit ihren thonigen Fingern auf ihn zu und schrie:

      »Was sagt Ihr? Ich eine Meerkatze? Hat man bereits einmal so Etwas gehört? Die geehrte Emeria eine Meerkatze! Das muß ich bestrafen!«


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