Im Thale des Todes. Karl May

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Im Thale des Todes - Karl May


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Ihr wißt es also nicht. Weiter! Warum liegt die Sahara in Afrika?«

      »Alle Wetter!« lachte er. »Wer das beantworten könnte!«

      »Ihr nicht, wie ich bemerke. Weiter! Welcher Unterschied ist zwischen der Madonna von Rafael und dem großen Einmaleins?«

      Er trat einen Schritt zurück. Es begann, ihm angst zu werden. Sie nickte verächtlich und sagte:

      »Auch das nicht. Also noch die letzte Frage: In welchem Verhältnisse steht Kants Philosophie zu den Eisenbahnfahrplänen der neueren Zeit?«

      »Hoffentlich in gar keinem!«

      »Seht, nicht einmal eine so tief in das Verkehrsleben einschneidende Frage könnt Ihr beantworten. Ich kann Euch nichts verkaufen, weder Porter noch Schnaps, noch sonst Etwas.«

      »Das habe ich doch bereits gesagt. Darum bitte ich Euch, wieder aufzuschließen.«

      Sie blickte ihn lange an. Ihr ernstes Auge wurde immer milder, der sonst so eigenthümlich irre Blick lebensvoller. Dann sagte sie freundlich:

      »Und doch kann ich Euch nicht so von mir gehen lassen. Ihr habt die Probe nicht bestanden; aber in Eurem Gesichte ist so etwas Gutes und Liebes. Es ist mir, als ob wir liebe und gute Bekannte wären, und darum sollt Ihr haben, was Ihr verlangt. Emeria Garezzo examinirt zwar streng, richtet aber voller Nachsicht.«

      Als sie diesen Namen nannte, zuckte ein undefinirbares Etwas über das Gesicht des Fremden. Er fuhr sich mit der Hand nach der Stirn, als ob er sich auf irgend Etwas besinnen müsse; sein Schnurrbart kräuselte sich unter einem leisen Lächeln, dann ging sein Auge in einem tiefen, fast pietätvollen Blicke über die Gestalt der Wirthin weg und nun antwortete er:

      »Ja, Sennorita, gebt mir ein Glas Wasser mit Zucker darin.«

      »Das ist Kindertrank, aber nicht für Männer!«

      »Mir aber heut das Allerliebste!«

      »Gut, Ihr sollt es haben; ich gebe es sonst keinem Menschen; aber weil Ihr das – das – das Unbeschreibliche im Gesicht habt, so sollt Ihr das Zuckerwasser bekommen.«

      Sie schloß die Thür wieder auf, ging hinaus und brachte bald das Zuckerwasser herein. Als sie es vor ihn hinsetzte, erklärte sie:

      »Wasser und Zucker verhalten sich nämlich zu einander wie ein Hydrooxygengasmikroskop zu einem Faß voll saurer Gurken; einzeln für sich sind Beide zu gebrauchen, thut man aber das Erstere in das Letztere, so ist nichts zu gebrauchen. Was seid Ihr?«

      »Goldsucher,« antwortete er zögernd, als ob er sich vorher überlegen müsse, welche Antwort er geben solle.

      »Das habe ich mir gedacht. Die Goldsucher sind stets ohne Wissenschaft und Schule. Ihr seid ein so junger, hübscher Sennor. Schade um Euch! Habt Ihr denn gar nichts gelernt?«

      Es zuckte fast schalkhaft über sein Gesicht, als er antwortete:

      »Nur ein Bischen zeichnen.«

      »So! Was zeichnet Ihr denn?«

      »Köpfe nach dem Leben und nach der Phantasie.«

      »Nun, ich bin Künstlerin, nämlich Dichterin, Componistin, Malerin und Bildhauerin; auch mime ich. Ich werde sehen, was Ihr leistet. Da habt Ihr Bleistift und Papier. Zeichnet mir einmal einen Kopf.«

      Er zog das Blatt zu sich heran und griff zum Bleistift. Fast in demselben Augenblick gab er Beides wieder zurück. Es war, als habe er nur einen Strich gemacht, so schnell war er fertig. Sie ergriff das Blatt, warf einen Blick darauf, ließ es sinken und starrte den Fremden sprachlos an. Erst nach einer langen, langen Weile kam es mühsam über ihre Lippen:

      »Mein Gott! Das ist Er – Er – Er, so, wie er vor mir stand, als er mich in die Geheimnisse des Dalai Lama und des Melonenpflanzens einweihte. Ja, das ist er, wie er leibt und lebt. Das ist seine Stirn, seine Nase, sein edles Profil. Er ist so gut, so genau getroffen, daß er sprechen könnte, wenn er wollte. Sagt einmal, Sennor, ist diese Zeichnung ein Phantasiestück oder nicht?«

      »Nein. Die Phantasie hat mir nicht den Stift geführt. Ich habe nach dem Leben gezeichnet.«

      »Nach dem Leben! Also doch! Ihr kennt ihn?«

      »Ich habe das Original dieses Portraits gesehen.«

      »Mein Gott, welch ein Zufall! Endlich, endlich werde ich Etwas von ihm zu hören bekommen!«

      »Macht Euch keine allzu großen Hoffnungen, Sennorita. Ich habe ihn gesehen; weiter aber kann ich doch auch nichts von ihm sagen.«

      »Aber seinen Namen kennt Ihr?«

      »Ja.«

      »Er heißt Heulmeier?«

      »Nein.«

      »Nicht? So wäre er es nicht? So wäre es nur ein wunderbares Naturspiel, eine außerordentliche Aehnlichkeit!«

      »Vielleicht ist er es dennoch.«

      »Aber wenn er anders heißt!«

      Der junge Mann schien nicht ganz genau zu wissen, wie er antworten solle. Gar zu sehr mit ihrem Gegenstande beschäftigt, bemerkte sie dies gar nicht. Auch beachtete sie den Blick nicht, den er auf sie warf. Es lag viel Bedauern, Mitleid und Theilnahme in demselben. Endlich, erst nach einer Pause, antwortete er:

      »Wenn auch die Namen verschieden sind, so ist doch vielleicht die Person dieselbe.«

      »Schwerlich. Ist Derjenige, den Ihr gesehen habt, Professor?«

      »Nein. Er ist Minister.«

      »Und wie heißt er?«

      »Er ist ein Graf von Langendorff.«

      »So ist er es nicht. Heulmeier und von Langendorff ist zu verschieden, und mein Geliebter ist Professor geworden, nicht aber Minister. Wie ist denn Euer Name?«

      »Günther.«

      »Ist dies nicht ein Vorname?«

      »Ja. Er wird aber auch oft als Familienname gebraucht.«

      »Und Ihr seid ein Deutscher?«

      »Gewiß.«

      »So seid Ihr ein Landsmann von ihm und könnt bei mir so viel Zuckerwasser trinken, wie Ihr nur wollt. Die Goldgräber haben nicht viel Geld übrig. Entweder finden sie nichts oder sie vergeuden das Gefundene schnell, wenn sie im Geschäft glücklich gewesen sind. Habt Ihr Geld?«

      »Nun, ich besitze so viel, daß ich einstweilen wohl nicht Noth zu leiden brauche.«

      Er sagte das lächelnd.

      »Einstweilen, ja, das sagt genug. Ich will Euch ein kleines Honorar zuwenden. Wollt Ihr mir dieses Portrait ablassen?«

      »Sehr gern.«

      »Wie viel verlangt Ihr dafür?«

      »Nichts. Ich schenke es Euch.«

      »Oho! Ihr redet da aus einem großen Geldbeutel!«

      »Ich sage ja, daß es einstweilen zureicht.«

      »Nun, ich will mich nicht mit Euch zanken. Ich nehme also den Kopf an und danke Euch für das Geschenk. Hoffentlich ist es mir erlaubt, Euch einen Gefallen dafür zu erweisen. Ihr kommt doch öfters zu mir?«

      »Möglich.«

      »Bei wem wohnt Ihr denn?«

      »Ich wohne noch gar nicht. Ich stehe erst im Begriff, mir ein Logis zu suchen.«

      »Ihr werdet schwerlich eins finden, wo Ihr allein wohnen könnt. Diese Gegend ist jetzt so von Goldsuchern überfüllt, daß man froh ist, mit Mehreren sein Bett zu theilen.«

      »Das bin ich freilich nicht gewöhnt. Auch wollte ich nicht gern in der Stadt selbst wohnen.«

      »Außerhalb


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