Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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denn sie drück­ten in mys­ti­schen, tief­sin­ni­gen For­meln die Ge­dan­ken sei­ner Er­hö­hung und zu­künf­ti­gen Herr­schaft über das Men­schen­ge­schlecht aus, das nur zu lan­ge schon gleich ihm en­therr­licht, er­nied­ri­get und ver­leum­det wor­den war …

      Ich er­mü­de Sie aber ohne Zwei­fel mit die­ser Aus­ein­an­der­set­zung. Lie­be Con­sue­lo, ver­zei­hen Sie es mir! Man hat mich Ih­nen als den An­ti­christ und als einen An­be­ter des bö­sen Geis­tes ge­schil­dert, ich woll­te mich recht­fer­ti­gen und Ih­nen zei­gen, dass ich ein gut Teil we­ni­ger aber­gläu­bisch bin als Jene, die mich ver­kla­gen.

      – Sie er­mü­den mich nicht, ant­wor­te­te Con­sue­lo mit ei­nem sanf­ten Lä­cheln und ich freue mich sehr, dass ich mich nicht dem bö­sen Feind ver­schwo­ren habe, in­dem ich mich der For­mel der Lol­lar­den be­dien­te.

      – Ich fin­de Sie ja ganz un­ter­rich­tet über die­sen Punkt, ver­setz­te Al­bert. Und er fuhr nun fort, ihr den tiefe­ren Sinn der großen Wahr­hei­ten auf­zu­schlie­ßen, wel­che die So­phis­ten des Ka­tho­li­cis­mus ket­ze­risch nann­ten und un­ter har­ten, treu­lo­sen Be­schul­di­gun­gen und Ver­dam­mungs­ur­tei­len be­gru­ben. Er ge­riet im­mer mehr in Feu­er, in­dem er ihr die Stu­di­en, den Ge­dan­ken­gang und die hoch­flie­gen­den Träu­me schil­der­te, wel­che ihn selbst in ei­ner frü­he­ren Zeit, die er für ent­fern­ter hielt als sie es wirk­lich war, zum Asce­tis­mus und Aber­glau­ben ge­führt hät­ten.

      Durch die Be­mü­hung, die­ses Be­kennt­nis deut­lich und ein­fach ab­zu­le­gen, ge­lang­te er zu ei­ner au­ßer­or­dent­li­chen Klar­heit sei­nes Geis­tes, sprach über sich mit ei­ner Auf­rich­tig­keit und Ur­teils­fä­hig­keit, als ob es sich um einen Drit­ten ge­han­delt hät­te und straf­te die Ver­ir­rung und die Hin­fäl­lig­keit sei­nes ei­ge­nen Ver­stan­des, als ob er seit lan­ger Zeit von der­glei­chen An­fäl­len her­ge­stellt ge­we­sen wäre. Er sprach mit ei­ner sol­chen Schär­fe des Be­wusst­seins, dass, ab­ge­se­hen von der Schät­zung des Zeit­ma­ßes, die ihm für sein ge­gen­wär­ti­ges Le­ben zu feh­len schi­en (denn er ta­del­te sich, dass er ehe­mals für Zis­ka, Wra­tis­law, Po­dieb­rad und an­de­re Ver­stor­be­ne sich an­ge­se­hen habe, ohne zu ah­nen, dass er noch eine hal­be Stun­de zu­vor in den­sel­ben Wahn ver­fal­len war) Con­sue­lo nicht um­hin konn­te, in ihm einen über­le­ge­nen, auf­ge­klär­ten und den kennt­nis­reichs­ten und den­kends­ten Men­schen von al­len, de­nen sie noch be­geg­net war, zu er­ken­nen.

      Die Auf­merk­sam­keit und Span­nung, wo­mit sie ihm zu­hör­te, der hel­le Ver­stand, der in den großen Au­gen die­ses lern­be­gie­ri­gen, mit Fas­sungs­kraft und Sinn für je­den ho­hen Ge­dan­ken be­gab­ten Mäd­chens blitz­te, trie­ben Ru­dol­stadt zu ei­ner all­mäh­lich im­mer le­ben­di­ge­ren An­schau­ung und Über­zeu­gung von dem was er sag­te, fort, und sei­ne Be­red­sam­keit wur­de im­mer er­grei­fen­der.

      Nach ei­ni­gen Ein­wür­fen, wel­che er glück­lich zu be­ant­wor­ten wuss­te, dach­te Con­sue­lo an nichts mehr, als die ihr na­tür­li­che Wiß­be­gier­de zu be­frie­di­gen, und die­ser Trun­ken­heit der Be­wun­de­rung zu ge­nie­ßen, die ihr Al­bert ab­ge­wann. Sie ver­gaß al­les, was sie den Tag über auf­ge­regt hat­te, al­les, An­zo­le­to, Zden­ko, die Ge­bei­ne vor ih­ren Au­gen. Sie war wie be­zau­bert, und der fan­tas­ti­sche Ort, an wel­chem sie sich be­fand, mit sei­nen Cy­pres­sen, sei­nen düs­te­ren Fel­sen, und dem schau­er­li­chen Al­tar, er­schi­en ihr im zit­tern­den Lich­te der Fa­ckeln wie ein ma­gi­sches Pa­ra­dies, in wel­chem hohe, fei­er­li­che Ge­stal­ten auf und nie­der wog­ten. Sie ver­sank, ob­gleich wach, in eine Art Er­star­rung al­ler Kräf­te des Be­wusst­seins, wel­che sie ein we­nig zu sehr für ihre er­reg­ba­re Fan­ta­sie in An­span­nung er­hal­ten hat­te.

      Sie hör­te nicht mehr was Al­bert sprach, son­dern in Won­nen der Ver­zückung schwei­gend, hing sie dem Bil­de die­ses Sa­t­ans nach, den er ihr als einen großen ver­kann­ten Ge­dan­ken vor­ge­stellt hat­te und den ihre künst­le­ri­sche See­le so­gleich als eine schö­ne, blei­che, lei­den­de Ge­stalt an­schau­te, der Chris­ti ähn­lich und sanft zu ihr, ei­nem Kin­de des Vol­kes, ei­nem ver­sto­ße­nen Kin­de der all­ge­mei­nen Fa­mi­lie nie­der­ge­beugt.

      Plötz­lich be­merk­te sie, dass Al­bert nicht mehr mit ihr sprach und ihre Hand nicht mehr in der sei­ni­gen hielt, dass er nicht mehr ne­ben ihr saß, son­dern zwei Schrit­te von ihr, vor dem Schä­del­al­ta­re stand und auf sei­ner Gei­ge die selt­sa­men Wei­sen spiel­te, wel­che sie schon frü­her er­grif­fen und ent­zückt hat­ten.

       En­de des vier­ten Teils.

      Anmerkung des Übersetzers

      über die Ent­wick­lung der Vor­stel­lun­gen vom Teu­fel.

      Ge­or­ge Sand schreibt nur für Le­se­r­in­nen; we­nigs­tens re­det Ge­or­ge Sand im­mer, wenn er sich an sei­nen Le­ser wen­det, die Le­se­rin an. Ich er­schre­cke; denn ich habe schon wie­der die Fe­der an­ge­setzt zu ei­nem – ge­lehr­ten Ex­kur­se. Gü­ti­ge Le­se­rin, Ver­zei­hung! Es ist so leicht, die­se An­mer­kung zu über­schla­gen: sie ist ja nicht um­sonst in Pe­tit ge­setzt. Aber ich kanns nun ein­mal nicht las­sen, wenn sol­che Sa­chen vor­kom­men, die gleich­sam in mein Fach ein­schla­gen, ein we­nig mit drein zu re­den. Und zum Dank für sons­ti­ge Be­mü­hung und gu­ten Wil­len mö­gen Sie mir im­mer­hin das un­schul­di­ge Ver­gnü­gen gön­nen, freund­li­che Le­se­rin, et­was zu schrei­ben, was Sie nicht zu le­sen brau­chen, weil Sie ja schon aus der Über­schrift er­se­hen, was Sie zu er­war­ten ha­ben.

      Sie mer­ken üb­ri­gens – es hül­fe ja nichts, nicht ehr­lich sein zu wol­len – dass ich mir vor­stel­le, wie Sie, trotz der Über­schrift, doch ein we­nig in die ers­ten Zei­len hin­ein­gu­cken und dass ich im Stil­len mir schmeich­le, Sie sacht noch ein Stück­chen vor­wärts zu lo­cken. Glückt das, so ent­schul­di­ge ich mich wei­ter so:

      Ein­ge­las­sen hat sich un­ser Ver­fas­ser nun ein­mal auf die höchs­ten und tiefs­ten Fra­gen und hat ver­sucht, die im Ver­lau­fe der Zei­ten ent­stan­de­nen Lö­sun­gen der­sel­ben ge­schicht­lich zu ent­wi­ckeln und aus den Ei­gen­hei­ten der Men­schen­na­tur zu er­klä­ren. Wes­sen Geist sich da­durch an­ge­reizt fand, soll­te der nicht Lust ha­ben, auch noch et­was tiefer ein­zu­drin­gen?

      Al­bert fuhr fort, hieß es oben im Tex­te, sei­ner auf­merk­sa­men Zu­hö­re­rin den tie­fen Sinn der Wahr­hei­ten, die man Ket­zer­leh­ren ge­nannt hat, auf­zu­schlie­ßen. Soll­te nicht man­che wiss­be­gie­ri­ge Con­sue­lo un­ter un­sern Le­se­r­in­nen sein, wel­che be­dau­ert, dass es dem Ver­fas­ser nicht ge­fiel, auch das, was Al­bert wei­ter sag­te, wirk­lich mit­zu­tei­len?

      Doch, wie dem sei, Ge­or­ge Sand hat den Teu­fel an die Wand ge­malt: es wun­de­re sich da­her nie­mand, dass er den Hals jetzt auch user den Rah­men hin­aus­reckt.

      Es ist wahr, dass der Teu­fel eine mons­trö­se Schöp­fung Got­tes wäre, wenn Gott ein We­sen ge­schaf­fen hät­te, um die gött­li­che Ar­beit, über die sich Gott, laut der Ge­ne­sis, freu­te, weil sie so gut war, zu ver­der­ben. Aber wo­her kommt denn doch das Übel und das Böse, wenn Gott al­les ge­macht hat, und Gott über al­les Macht hat, und, weil er voll­kom­men gut ist, nur Gu­tes ma­chen und dul­den kann? So gar leicht ist nicht da her­aus­zu­kom­men; denn hat das Gute sei­ne Ur­sa­che,


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