Gesammelte Werke. George Sand

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Gesammelte Werke - George Sand


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die­se Vor­stel­lung.

      So­bald der Ge­dan­ke ein­mal fest­stand, dass das Böse von ei­nem ge­fal­le­nen En­gel her­rüh­re, be­mü­he­te man sich, den Ab­fall die­ses En­gels sich zu er­klä­ren. Ich will nur einen die­ser Er­klä­rungs­ver­su­che an­füh­ren, der un­ter den Ara­bern auf­kam, weil ich da­bei Ge­le­gen­heit fin­de, den Eb­lis, der oben im Tex­te er­wähnt ward, un­sern Le­se­r­in­nen nä­her be­kannt zu ma­chen.

      Die Dews (oder Di­ves, Dä­mo­nen) be­herrsch­ten zu­erst die Erde, wur­den aber trot­zig, weil die ih­nen ein­ge­räum­te Herr­schaft sie stolz ge­macht hat­te. Um sie zu de­mü­ti­gen, schuf Gott, aus dem rei­ne­ren Feu­er­stoff den En­gel Ha­reth, d. h. den Auf­se­her, der auch die Dews be­zwang und un­ter­warf. Aber nun wur­de er selbst stolz auf sei­nen Sieg und auf sei­ne Al­lein­herr­schaft; er wur­de zum Eb­lis (Διάβολος Dia­bo­lus, Teu­fel) oder, wie er auch sonst ge­nannt wird, Aza­zel, oder Iba (Wi­der­späns­ti­ger) oder Schei­tan (Sa­tan). Und Gott be­schloss, auch ihn zu de­mü­ti­gen und schuf den Men­schen, vor wel­chem alle En­gel und auch Eb­lis die Knie beu­gen soll­ten. Da Eb­lis sich des­sen wei­ger­te und den Men­schen zu ver­füh­ren und zu knech­ten trach­te­te, so ver­fluch­te Gott den Eb­lis bis auf den letz­ten Ge­richts­tag, wo er sei­ne letz­te Stra­fe er­hal­ten wird in dem Feu­er, dem Ele­men­te selbst, aus dem er ge­schaf­fen wor­den.

      In­des­sen bleibt die Fra­ge ste­hen, wie es ei­nem gu­ten En­gel mög­lich war, stolz und trot­zig zu wer­den. Und der Schwie­rig­kei­ten sind noch mehr. »Es las­sen sich, (sagt Schlei­er­ma­cher, den ich hier wört­lich an­füh­re, weil ich die Sa­che nicht bes­ser zu sa­gen weiß,) es las­sen sich, je voll­komm­ner die En­gel ge­we­sen sein sol­len, umso we­ni­ger an­de­re Mo­ti­ve ih­res Fal­les an­ge­ben, als wel­che, wie z. B. Hoff­art, Neid, einen sol­chen Fall schon vor­aus­set­zen. Sol­len nun fer­ner nach dem Fal­le die na­tür­li­chen Kräf­te des Teu­fels un­ver­rückt ge­blie­ben sein, so ist nicht zu be­grei­fen, wie be­harr­li­che Bos­heit bei der aus­ge­zeich­nets­ten Ein­sicht soll­te be­ste­hen kön­nen. Denn die­se Ein­sicht muss zu­erst je­den Streit ge­gen Gott als ein völ­lig lee­res Un­ter­neh­men dar­stel­len. Hat aber der Teu­fel bei sei­nem Fal­le auch den al­ler­schöns­ten und reins­ten Ver­stand ver­lo­ren, so lässt sich auf der einen Sei­te nicht ein­se­hen, wie durch eine Ver­wir­rung des Wil­lens der Ver­stand für im­mer soll­te ver­lo­ren ge­hen kön­nen, wenn nicht die­se Ver­ir­rung selbst schon auf ei­nem Man­gel an Ver­stand be­ruht; auf der an­de­ren Sei­te wäre nicht zu be­grei­fen, wie der Teu­fel nach ei­nem sol­chen Ver­lust sei­nes Ver­stan­des noch soll­te ein so ge­fähr­li­cher Feind sein kön­nen.«

      Ich füh­re die Stel­le, die noch meh­re­re Schwie­rig­kei­ten auf­zählt, nur so weit an, weil es für den ge­gen­wär­ti­gen Zweck ge­nügt, zu zei­gen, dass sich das Nach­den­ken bei der Vor­stel­lung von ge­fall­nen En­geln in ein un­ent­wirr­ba­res La­by­rinth ver­wi­ckelt.

      Man denkt sich Gott als den In­be­griff al­ler Voll­kom­men­hei­ten und zu­gleich als den Schöp­fer der Welt. Wie ist es mög­lich, dass der voll­komm­ne Schöp­fer ein un­voll­komm­nes Werk her­vor­ge­bracht habe? Dass dies die ei­gent­li­che Fra­ge sei, um de­ren Lö­sung es zu tun war, muss­te dem nach­den­ken­den Men­schen bald klar wer­den.

      Die christ­li­chen Kir­chen­leh­rer lie­ßen die Fra­ge da­hin­ge­stellt und be­gnüg­ten sich mit der Über­zeu­gung, dass Sa­tan eben da ist; nach der Mög­lich­keit sei­nes Da­seins zu fra­gen, schi­en ih­nen über­flüs­sig und so­gar got­tes­läs­ter­lich, denn es galt für Ver­mes­sen­heit, in die Tie­fen der gött­li­chen Ge­heim­nis­se ein­drin­gen zu wol­len. Und die Ent­ste­hung des Bö­sen sa­hen sie als das Grau­en­volls­te al­ler Ge­heim­nis­se an.

      Aber es fehl­te nicht an Män­nern, wel­che den Schlei­er, der die­se Ge­heim­nis­se be­deck­te, zu lüf­ten ver­such­ten. Sie streb­ten nach der voll­komm­nen Er­kennt­nis, die man mit grie­chi­schem Wor­te »Gno­sis« nann­te, und sie selbst er­hiel­ten des­we­gen den Na­men der Gno­s­ti­ker. Konn­te der voll­kom­me­ne Gott die un­voll­kom­me­ne Welt nicht selbst ge­schaf­fen ha­ben, so muss­te ein and­rer un­ter­ge­ord­ne­ter Geist der Ur­he­ber der­sel­ben sein.

      Künst­li­chen Spe­ku­la­tio­nen ist hier ein un­ge­mes­se­nes Feld ge­öff­net, wie denn auch eine Men­ge von gno­s­ti­schen Sys­te­men ent­stan­den, de­nen zu­fol­ge die Welt aus ei­ner Mi­schung von geis­ti­gen, gött­li­chen und trü­ben, aus dem Cha­os oder der to­ten Ma­te­rie ent­nom­men Ele­men­ten durch die Tat ei­nes auf nie­de­rer Stu­fe des aus Gott in vie­len Ab­stu­fun­gen aus­ge­ström­ten Geis­ter­rei­ches ste­hen­den Dä­mons ge­bil­det ist, bald mit dem Wil­len des un­nah­ba­ren Got­tes, der einen Läu­te­rungs­pro­zess zur Über­win­dung der trä­gen Ma­te­rie be­ab­sich­tigt, bald ge­gen den Wil­len Got­tes, der aber nun nach voll­brach­tem Werk sich des kran­ken, ver­pfusch­ten Ge­mäch­tes ret­tend an­nimmt, um sei­ne Herr­lich­keit all­mäh­lich wie­der her­zu­stel­len.

      In die­sen Sys­te­men wird al­ler künst­li­chen Ab­stu­fung geis­ti­ger Mäch­te und al­ler Ein­schal­tung von Zwi­schen­glie­dern un­ge­ach­tet das nicht er­reicht, was be­ab­sich­tigt ist. Gott bleibt doch im­mer, wenn auch nicht un­mit­tel­bar, die letz­te Ur­sa­che der Er­schei­nungs­welt und also auch des Übels in ihr. Man­che Gno­s­ti­ker ha­ben da­her auch das Übel nicht als Übel, d. h. nicht als et­was, das Gott nicht ge­wollt hat, son­dern als ein von Gott selbst Ein­ge­setz­tes und dazu dass es über­wun­den wer­de oder zur För­de­rung der gött­li­chen Ab­sich­ten und zur voll­komm­nen Her­stel­lung des gött­li­chen We­sens Not­wen­di­ges er­kannt; ih­nen ist dann der ver­füh­ren­de Geist, die alte Schlan­ge nicht das böse Prin­zip, son­dern das Gä­rungs­mit­tel, wel­ches Gott in sei­ne Schöp­fung ge­legt hat, der Geist der Klug­heit und des Selbst­be­wusst­seins, der Licht­brin­ger (Lu­ci­fer).

      Die Vor­stel­lun­gen, wel­che sich die Grüb­ler je­ner Zeit von dem Pro­zes­se der Welt­bil­dung mach­ten, muss­ten ver­schie­den aus­fal­len, je nach­dem sie sich die Ent­ste­hung des Bö­sen im Men­schen dach­ten. Man hat sich die­ses im­mer auf ver­schie­de­ne Art ge­dacht. Man nahm ent­we­der an, dass der ein­zel­ne Mensch von Na­tur gut sei oder von Na­tur böse, oder end­lich mit ei­nem dop­pel­ten Wil­len aus­ge­stat­tet, von de­nen der eine gut, der an­de­re böse ist.

      Wenn man den Men­schen für ein zwie­ge­schaff­nes Bild hielt, weil man sonst nicht wuss­te wie bei­des zu­gleich in ihm sein konn­te, Gu­tes und Bö­ses, so war man ge­nö­tigt, such einen dop­pel­ten gött­li­chen Ur­sprung die­ser bei­den Wil­lens­mäch­te an­zu­neh­men, wie die al­ten Na­tur­re­li­gio­nen, von de­nen oben die Rede war, auch die Gno­s­ti­ker ta­ten. Ja, eine Par­tei der letz­te­ren ging so weit, an zwei Ur­men­schen­paa­re zu glau­ben.

      Wenn man da­ge­gen an­nahm, der Mensch wäre ur­sprüng­lich gut ge­schaf­fen, so konn­te man sich das Böse nur als einen Ab­fall von Gott den­ken. Die­ser un­be­greif­li­che Ab­fall muss­te ir­gend ein­mal ein­ge­tre­ten und dann nicht wie­der gut zu ma­chen ge­we­sen sein: man dach­te sich einen Fall Adams des ers­ten Men­schen, und die Ve­rer­bung sei­ner da­durch ver­kehr­ten Na­tur auf sei­ne Nach­kom­men. Seit dem Fal­le also ist der ein­zel­ne Mensch von Ge­burt an böse, ver­mö­ge der Erb­sün­de, d. h. der Fort­pflan­zung ei­nes durch Adam’s Fall zer­rüt­te­ten We­sens.

      Um sich den ers­ten


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