Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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      »Du bist meine Freundin! Da gelten andere Regeln. Also, fang an!«

      Bianca lud sich ein großes Stück Gugelhupf mit Schokoladenstücken und Nüssen auf den Teller. Darauf gab sie einen riesigen Klacks Sahne. Sie aß genüßlich, während sie Clara zuhörte.

      Es dauerte eine Weile, bis Clara alles erzählt hatte. Obwohl sich Bianca vorgenommen hatte, während Claras Schilderung keine Emotionen zu zeigen, konnte sie sich nicht zurückhalten. Immer wieder zog Bianca die Brauen hoch und schüttelte den Kopf.

      »So, das war alles!«

      »Das ist ein Schock! In den Briefen schrieb deine Großmutter wirklich von einer Schwangerschaft?«

      Clara nickte und kramte aus ihrem bunten Rucksack die Briefkopien hervor.

      »Ich weiß, daß ich mich auf deine Diskretion verlassen kann. Auch kein Wort zu deiner Mutter!«

      »Versprochen! Außerdem geht das gegen meine zukünftige Berufsehre.«

      Bianca schob sich noch den letzten Bissen in den Mund. Sie lehnte sich auf dem Gartenstuhl zurück, schaute sich die Schrift an und las die Texte. Dazwischen schaute sie Clara immer wieder an. Die Blicke waren eine Mischung aus Entsetzen und Bewunderung.

      »Hier, stecke sie wieder ein!«

      »Nun, was sagst du dazu? Ist das nicht ein Schock? Kannst du mich verstehen? Ich komme mir wirklich vor, als hätte ich eine Tür zu einer verbotenen Zeit aufgemacht.«

      Bianca, die Brillenträgerin war, putzte zuerst lange ihre Gläser. Clara kannte diese Geste seit langem. Sie gehörten einfach zu Bianca dazu. Endlich war sie damit fertig. Sie schob die Brille auf ihre Nase und schaute Clara ernst an:

      »Ich denke, es ist immer gut, mit dem Schönen und Positiven zu beginnen. Das gibt dann ein weiches Federbett für die Dinge und Sachverhalte, die weniger schön sind. Also! Ich zerpflücke jetzt einmal die Inhalte. Nehme ich nur die Romantik heraus, dann sind dies die schönsten Liebesbriefe, die ich jemals gelesen habe. Romane und Klassiker damit eingeschlossen!«

      »Stimmt!« warf Clara ein. »Vielleicht sollte meine Großmutter die Texte für die Liebesszenen in unseren Theaterstücken schreiben. Sie kann sich wirklich schön ausdrücken.«

      »Ruhe!« ermahnte sie Bianca. »Unterbreche mich nicht in meiner Analyse! Zweitens geht es dabei um diese uneheliche Schwangerschaft. Sieht man es im Zusammenhang mit der damaligen Zeit, dann war das eine echte Katastrophe. Wahrscheinlich liegt darin das Geheimnis des rätselhaften Dachbodens. Deine Großmutter konnte ihr Glück nicht festhalten. Also sammelte sie alles, hob alles auf, was aus dieser Zeit stammt. Das wäre eine erste oberflächliche Erklärung. Deine Großmutter erschien mir immer als eine sehr glückliche und zufriedene Frau. Nie hätte ich gedacht, daß es da ein solches Geheimnis geben könnte.«

      »Ich auch nicht!«

      Clara rieb sich die Stirn, als wollte sie damit ihr Gedächtnis massieren.

      »Soweit ich mich erinnere, hat Großmutter nie etwas erzählt. Sie erzählte wenig von früher, wie das andere Leute gern tun. Vielleicht wollte sie nichts gefragt werden. Mutter sagte immer, ihre Eltern hätten eine sehr glückliche Ehe geführt, bis ihr Vater früh gestorben sei. Er war wohl schon sehr krank, als Großmutter ihn geheiratet hatte.«

      »Das würde einiges erklären. Wäre wie in einem Theaterstück. Eine ledige junge schwangere Frau hat keine Zukunft mit dem Vater ihres Kindes. Auf der anderen Seite gibt es da einen jungen Mann, der weiß, daß er krank ist und nicht sehr alt werden wird. Die beiden tun sich zusammen, heiraten. Einer ist die Stütze des anderen. So sind sie auf ihre Weise glücklich. Vielleicht leben sie sich ja auch auf eine Art und Weise.«

      »Wenn ich nicht so in diese Geschichte verstrickt wäre, könnte ich daraus wirklich ein Theaterstück machen. Doch wie auch Ärzte oft ihre eigene Familie nicht behandeln, will ich das nicht zum Thema machen.«

      »Vielleicht ist es noch zu früh dazu. Warte doch erst einmal das Happy-End ab.«

      Clara lachte auf.

      »Happy-End! Da sehe ich keines. Der Vater meiner Mutter ist nicht ihr Vater, also ist mein Großvater von der mütterlichen Seite auch nicht mein Großvater, sondern dieser Urban Fuchsbichler. Das heißt, ich wurde ein ganzes Leben lang angelogen! Meine Mutter wurde belogen! Meine Großmutter hat ein Doppelleben geführt.«

      »Zwei Leben! Sie hat das ganz normale Leben gelebt, und da gab es noch das Dachbodenleben!«

      »Genau! Das Dachbodenleben! Wer weiß, vielleicht gibt es dort oben auf dem Speicher noch andere Geheimnisse?«

      »Nach dieser Entdeckung ist alles möglich. Bianca, ich sage dir! Ich bin auf alles gefaßt. Es war, als würde mir jemand den Boden unter den Füßen wegziehen.«

      Clara trank einen Schluck Kaffee.

      »Mir ist es egal, ob Mutter ehelich oder unehelich, ob sie die Tochter des Mannes meiner Großmutter ist oder nicht. Wir leben in modernen Zeiten. Viele Frauen haben Kinder und sind nicht verheiratet. Teilweise heiraten sie bewußt nicht. Ich könnte das nicht. Ein Kind braucht eine Familie. Das ist meine Einstellung. Aber ich bin tolerant. Die Gesellschaft ist tolerant. Das ist gut so. Schließlich ist jedes Kind, ein Kind der Liebe, oder?«

      »Genau! Alle Menschen sind Kinder der Liebe!« pflichtete ihr Bianca bei.

      »Ich fühle mich verraten! Kannst du das verstehen?«

      »Und wie! Ich kann dich gut verstehen. Doch was willst du jetzt tun?«

      »Ich werde Urlaub machen in den Bergen. Ich fahre nach Waldkogel.«

      Clara bemühte sich, ihrer Stimme einen betont lässigen und unbeschwert fröhlichen Klang zu geben.

      »Jeder kann mal Urlaub machen! Jeder! Auch ich! Willst du mitkommen? Schön wär’s!«

      »Wann willst du fahren?«

      »Sofort! Noch heute! Zeit zum Kofferpacken lasse ich dir noch! Ich bin quasi schon auf dem Weg.«

      Die Freundin schüttelte den Kopf.

      »Geht nicht! So gern ich dich auch begleiten würde. Du kennst meine fast unstillbare Neugierde, aber ich muß lernen. Ich habe mich für die vorgezogene Zwischenprüfung angemeldet. Wenn ich sie bestehe, spare ich ein ganzes Semester. Du kommst drei Wochen zu spät. Vor drei Wochen hatte ich mich in die Liste eingetragen. Jetzt kann ich keinen Rückzieher machen.

      Also mußt du allein fahren, meine liebe Clara! So leid es mir auch tut.«

      »Daran ist nichts zu ändern! Sollte ich aber in eine ausweglose Situation kommen und Hilfe brauchen…«

      Bianca fiel ihr sofort ins Wort:

      »Dann komme ich übers Wochenende vorbei. Du weißt doch! Das Motto der Musketiere: Einer für alle und alle für einen!«

      Sie lachten und erinnerten sich an frühe Kindertage, an denen sie Musketiere gespielt hatten. Deren Freundschaft war ihnen ein großes Vorbild gewesen.

      »Ich lasse mein Handy an, Clara, auch nachts! Du kannst mich jederzeit anrufen. Du rufst an, okay? Ich will dich nicht anrufen. Wer weiß, in welch wichtigen Nachforschungen du gerade steckst, mit wem du vielleicht gerade redest! Wenn dann das Handy bimmelt, das ist vielleicht nicht so gut.«

      Clara Eidinger schaute auf die Uhr. Sie seufzte.

      »Es wird höchste Zeit, daß ich mich auf den Weg mache. Ich will noch vor Einbruch der Dunkelheit in Waldkogel sein.«

      »Das schaffst du locker. Die Sommerabende sind lang.«

      Die beiden Freundinnen umarmten sich. Bianca wünschte Clara viel Glück. Diese mußte ihr versprechen, die Sache mit Ruhe und Gelassenheit anzugehen.

      »Ich werde mich bemühen. Schließlich mache ich ja Urlaub.«

      Bianca brachte Clara zu ihrem Auto. Sie sah ihr nach, wie sie die Straße hinunterfuhr. Clara streckte bis zum letzten


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