Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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sehr entzündet und vereitert. Ich werde dir da erst mal einen Umschlag machen mit einer Kräutertinktur. Wenn die nicht hilft, dann mußt du ins Krankenhaus. Aber das soll der Martin entscheiden, wenn er kommt.«

      »Wer ist Martin?«

      »Unser Doktor in Waldkogel. Doktor Martin Engler ist ein guter Freund von Toni. Der Weg herauf zur Berghütte ist zwar weit, aber der kommt, wenn Toni ihn darum bittet. Bis dorthin mache ich dir erst mal die Kräutertinktur drauf.«

      Anna schüttete aus einer Flasche, die an eine Sprudelflasche erinnerte, eine braune Flüssigkeit auf einen dicken Mullappen.

      »Das kann jetzt einen Augenblick brennen, weil da Alkohol drin ist. Aber dann kühlt es schön. In zwei Stunden, da tut’s schon nicht mehr weh. Das verspreche ich dir.«

      Tina biß tapfer die Zähne zusammen. Der brennende Schmerz ließ bald nach. Danach spürte Tina die Kühle des Verbandes.

      »Was ist das, was du mir da draufgetan hast?«

      »Ein altes Hausmittel, wie es hier fast von allen verwendet wird. Da sind viele Kräuter drin. Jede Bäuerin kann das selbst machen. Das hier ist aber von der Ella. Die Ella Waldner macht die besten Tinkturen. Sie kennt sich aus und weiß genau, welches Kraut gegen welches Zipperlein hilft. Deshalb heißt sie hier in Waldkogel auch die Kräuterhexe. Das ist nicht böse gemeint, eher anerkennend. Die Ella ist eine ganz liebe und sehr mütterliche alte Frau. Ich mag die Ella sehr. Diese Flasche hat sie mir geschenkt, neulich, als ich mir in den neuen Schuhen eine böse Blase gelaufen hatte. Die hatte sich auch entzündet und dann geeitert. In zwei Tagen war alles wieder gut.«

      »Mein Knie schmerzt kaum noch. Ich konnte gestern abend am Berg keinen Schritt mehr gehen. Ich wußte nicht mehr weiter. Das ging ja schon seit vorgestern. Ich hatte gehofft, daß jemand vorbeikommt. Doch es hat ja nur geregnet, und niemand war unterwegs.«

      »Ist es dir noch kalt?«

      »Danke, Anna! Es wird bestimmt bald besser. Die Sachen sind schön warm.«

      »Ich bringe dir jetzt einen schönen Erbseneintopf mit viel Fleisch und Einlagen. Dann trinkst du noch einen wärmenden Kräutertee. Danach kannst du bestimmt schlafen.« Anna lächelte Tina an. »Für dein Mohrle bringe ich auch etwas.«

      Tina griff nach Annas Hand und drückte sie.

      »Danke.«

      »Sollen wir jemand verständigen? Gibt es da jemand, der sich um dich Sorgen macht?«

      Tina wandte den Blick ab. Sie fuhr mit der Hand über den Verband am Knie und zog das Hosenbein herunter.

      »Nein, Anna! Auf mich wartet niemand. Niemand macht sich wegen mir Sorgen. Ich bin allein!«

      Tina griff nach Mohrle und drückte den kleinen Kater eng an sich.

      »Mohrle, das ist die einzige Kreatur, die zu mir gehört.«

      Anna schaute Tina in die Augen. Darin sah sie eine Traurigkeit, die sie erschreckte. Sie sah, wie Tina mit den Tränen kämpfte.

      Anna sagte nichts. Sie brachte ihr Essen und auch etwas für den kleinen Kater.

      »So, jetzt lasse ich dich allein. Ich muß mich draußen um die Leute kümmern. Wenn du fertig bist, dann stell das Tablett auf den Tisch. Ich hole es später. Lege dich hin und versuche zu schlafen.«

      »Danke, Anna!« hauchte Tina und begann zu essen.

      *

      »Was ist mit ihr?« fragte Toni. »Wo kommt sie her? Warum war sie allein in den Bergen? Uns hat sie nix erzählt.«

      »Mir auch nicht viel. Sie ist erschöpft. Wir lassen sie erst mal schlafen.«

      Dann sprach Anna Leonhard Gasser an.

      »Leo, sag bitte dem Martin, er soll mal raufkommen. Das macht er bestimmt gern. Er wollte ohnehin uns mal wieder besuchen. Er soll nur seine Arzttasche mitbringen, weil der nach dem Madl sehen soll.«

      »Des ist seltsam. So etwas ist mir in meiner ganzen Laufbahn bei der Bergwacht noch net vorgekommen. Des Madl war mehr um seine kleine nasse Katze besorgt, als um sich selber. Läuft mit einer Katze in den Bergen rum. Ja, ja, die Leute aus der Stadt! Zum Wundern sind sie schon, meinst net auch, Toni?«

      Leonhard schüttelte den Kopf, um seiner Verwunderung noch mehr Ausdruck zu verleihen.

      »Des Madl wird schon ihre Gründe haben, warum ’s so an der Katze hängt. Des is bei dem Madl so, wie du an deinem Rex hängst und die Anna und i am Bello, unserm Hund. Wer weiß, was da für eine Geschichte dahintersteht.«

      Bello, der Neufundländerrüde, mußte bemerkt haben, daß Leonhard Gasser nicht wohlwollend von Tina gesprochen hatte. Bello hatte auf seinem Lieblingsplatz vor dem Kamin gelegen. Langsam war er aufgestanden, durch den großen Raum nach hinten gegangen und hatte sich dann quer vor die Tür der Kammer gelegt, in der Tina untergebracht war.

      Alle hatten es gesehen und schauten sich an. Der alte Alois saß am Kamin. Er nahm die Pfeife aus dem Mund und zeigte mit dem Mundstück in die Richtung der Kammer.

      »Der Hund beschützt das Madl. Des wird Schutz nötig haben. Tiere haben einen Instinkt. Wir sollten uns ein Beispiel nehmen.«

      Dann rauchte er weiter.

      Leonhard und seine Kameraden von der Bergwacht sahen sich an. Dann standen sie auf und verabschiedeten sich. Leo versprach, mit Martin zu sprechen. Außerdem würden sie sich ohnehin am Wochenende sehen. Da wollten die jungen Burschen aus Waldkogel Toni bei den letzten Umbauarbeiten an der Berghütte helfen.

      Während Anna den Tisch abräumte und das Geschirr spülte, beobachtete Toni sie genau. Anna gab sich verschlossen. Toni nahm an, daß Anna etwas wußte, was sie ihm nicht sagen wollte. Die andere Möglichkeit war, daß Anna eine Vermutung hatte, aber nicht darüber sprechen wollte. Toni kannte seine Anna gut. Er wußte, es war zwecklos, mit ihr ein Gespräch zu führen, wenn Anna nicht sprechen wollte. So fragte er nichts.

      Anna ging später in die Kammer. Martina schlief fest. Mohrle, ihren kleinen Kater, hielt sie dabei im Arm. Anna betrachtete eine Weile die schlafende junge Frau. Sie machte auf sie den Eindruck eines Kindes, das sich vor dem Einschlafen an sein Stofftier geklammert hatte, aus Angst vor dem Alleinsein in der Nacht. Nur daß es hier kein Stofftier war, sondern ein kleiner fast schwarzer Kater mit hellbraunen und weißen Flecken im Fell.

      In der Ecke der Kammer hing ein Kruzifix. Anna war nicht katholisch wie die meisten Leute in Waldkogel. Sie hatte aber gelernt, daß es gut war, sich Hilfe von oben zu erbitten. So zündete sie ein kleines Licht an, verbunden mit der Bitte um Hilfe und Schutz für diese junge Frau, die ihr Herz so rührte.

      *

      Tonis Freunde trafen sich alle auf der Oberländer Alm. Bis dorthin konnten sie mit den Autos fahren. Dann ging es zu Fuß weiter, den Berg hinauf bis zur Berghütte. Sie waren zu dritt, Martin, der Arzt in Waldkogel, Leonhard, der Leiter der Bergwacht, und Friedel Sommerhalder. Jeder trug einen schweren Rucksack. Wenn sie schon zur Berghütte aufstiegen, dann brachten sie auch gleich Vorräte hinauf. Das war Ehrensache. Doktor Martin Engler trug außerdem noch seinen schweren Arztkoffer.

      »Du bist immer gerüstet, Martin, wie?« sagte Leonhard und deutete auf den prall gefüllten Arztkoffer.

      »Vielleicht denkt er, wir wären so ungeschickt, daß er uns verarzten muß?« warf Friedel ein.

      Leonhard lachte laut.

      »Des geht dabei net um uns, Friedel. Ich glaub’, der Martin hat sich in die junge Frau verguckt, obern auf der Hütte. Schau, unterwegs hat er ja schon einen Blumenstrauß gepflückt. Ich wette, die Wiesenblumen sind net für die Anna.«

      »Halt dein vorwitziges Mundwerk, Leo! Des geht dich nix an.«

      Martin stellte seine Arzttasche ab und nahm den Rucksack vom Rücken. Er schaute Leonhard ernst an.

      »Oder hast vielleicht selbst Absichten? Bist ja genau wie i Junggeselle. Wenn dem so ist, dann machen wir das hier und jetzt unter uns aus.«


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