Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus Cusanus

Читать онлайн книгу.

Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus


Скачать книгу
hinsichtlich seiner Tätigkeit dem Sein und Leben (sequitur igitur intelligere esse et vivere quoad operationem suam), weil es durch seine Tätigkeit weder Sein noch Leben, noch auch das Erkennen des Geistes selbst setzen kann; hinsichtlich der erkannten Dinge dagegen folgt das Sein und Leben als Abbild dem Erkennen der Natur (quoad res intellectas sequitur esse et vivere intelligere naturae in similitudine). Es sind daher die Universalien, welche sich der Geist durch Vergleichung bildet, ein Abbild (similitudo) der in den Dingen konkret existierenden Universalien. Die Universalien existieren im Geiste bereits, und zwar auf konkrete Weise, bevor dieser sich derselben durch denkende Betrachtung der Außenwelt, was seine Tätigkeit ist, bewußt wird. Denn er kann nichts erkennen, was nicht schon in ihm in konkreter Weise er selbst ist. Erkennt er also die Welt, so bringt er mittelst sinnbildlicher Zeichen ein Bild der Welt, das in ihm auf konkrete Weise liegt, zum Bewußtsein und zur Entwicklung (intelligendo mundum quendam similitudinarium, qui est in ipso contractus, notis et signis similitudinariis explicat).

      SIEBENTES KAPITEL

      Von der Dreieinigkeit des Universums

      Da die absolute Einheit notwendig, zwar nicht konkret, wohl aber absolut dreieinig ist (denn die absolute Einheit ist nichts anderes als die Dreieinigkeit, die in ihren inneren Beziehungen gleichsam intimer erfaßt wird (quae quidem in quadam correlatione familiarius apprehenditur), wie im ersten Buche hinlänglich gezeigt ist, so ist auch die konkret größte Einheit, als Einheit, gleichfalls dreieinig, nicht absolut, so daß die Dreieinigkeit Einheit ist, sondern konkret, so daß die Einheit nur in Dreiheit besteht, wie das Ganze in seinen Teilen. In der Gottheit ist jede Person die Einheit selbst, und weil die Einheit Dreieinigkeit ist, so ist eine Person nicht die andere. Im Universum kann es nicht so sein; deshalb haben die drei Korrelationen, die im Göttlichen Personen heißen, kein anderes wirkliches Sein, außer in ihrer Einheit zumal (nisi in unitate simul). Man muß das genau beachten, denn im Göttlichen ist die Vollkommenheit der Einheit, die Dreieinigkeit ist, so groß, daß der Vater wirklich (actu) Gott, der Sohn wirklich Gott, der hl. Geist wirklich Gott ist, der Sohn und hl. Geist wirklich im Vater, der Sohn und Vater im hl. Geiste, der Vater und hl. Geist im Sohne ist. Im konkret Größten kann dies nicht sein, denn die Beziehungen (correlationes) haben kein Bestehen aus und durch sich, außer in ihrer Verbindung (correlationes non sunt subsistentes per se, nisi copulate). Es kann daher nicht jede das Universum sein, sondern nur alle zusammen. Es ist nicht eine in Wirklichkeit in der andern, sondern sie sind, so gut es nur immer die Natur des Konkreten zuläßt, auf das Vollkommenste gegenseitig verbunden, so daß sich aus ihnen das eine Universum gestaltet, das ohne diese Dreifachheit nicht eines sein könnte. Denn die Konkretheit kann nicht ohne ein der Konkretheit Fähiges (contrahibile), ein konkret Machendes (contrahens) und eine Verbindung, die sich in der gemeinsamen Tätigkeit der beiden Erstgenannten vollzieht, gedacht werden. Jene Fähigkeit bezeichnet die Möglichkeit, die aus der zeugenden göttlichen Einheit herabsteigt, die allem Sein vorhergeht. So geht im konkreten Sein nichts dem Sein-Können vorher. Denn wie sollte etwas sein, wenn es nicht sein könnte? Die Möglichkeit steigt somit von der ewigen Einheit herab. Das konkret Machende steigt, da es die Möglichkeit begrenzt, von der Gleichheit der Einheit herab. Die Gleichheit der Einheit ist die Gleichheit des Seins. Sein und Einheit sind Wechselbegriffe. Da nun das konkret Machende die Möglichkeit gleichmacht, daß sie dieses oder jenes sei, so sagt man mit Recht, daß es aus der Gleichheit des Seins, welches im Göttlichen das Wort ist, herabsteige. Und da dieses Wort oder die Vernunft und Idee oder auch die absolute Notwendigkeit der Dinge die Möglichkeit durch das konkret Machende nötigt und bindet, so haben einige das Konkretmachende das bildende Prinzip der Welt oder die Weltseele genannt, die Möglichkeit die Materie, andere das Fatum der Substanz (fatum in substantia), wieder andere, wie die Platoniker, das alles umschließende Band (necessitatem complexionis), weil es von der absoluten Notwendigkeit herabsteigt, so daß es eine Art konkreter Notwendigkeit ist, ein konkretes bildendes Prinzip, in dem alle anderen Bildungsprinzipien als in ihrem Urbilde enthalten sind, wovon später die Rede sein wird. Endlich gibt es eine Verbindung des konkret Machenden und des der Konkretheit Fähigen oder der Materie und Form, oder der Möglichkeit und Notwendigkeit, die sich durch einen gewissen Geist der Liebe, der durch seine Bewegung jene Vereinigung bewirkt, vollzieht. Es ist klar, daß diese Verbindung von dem hl. Geiste, der die unendliche Verbindung ist, herabsteige.

      Es ergeben sich sonach vier allgemeine Modalitäten des Seins: jene Modalität des Seins, welche die absolute Notwendigkeit – Gott ist; in dieser Weise des Seins ist alles in Gott – die absolute Notwendigkeit. Die zweite Art des Seins ist jene, vermöge welcher die Dinge in dem alles umschlingenden Bande sind, wo die an sich wahren Bilder der Dinge sind, wie in unserm Geiste (ob das wirklich so sei, werden wir unten sehen). Die dritte Weise des Seins ist die der determinierten Möglichkeit, in Wirklichkeit dies oder jenes zu sein. Die letzte Weise ist die der reinen Möglichkeit – wie die Dinge sein können. Die letzten drei Weisen des Seins bilden im Universum eine universelle Art des Seins, jedoch nicht so, als wäre es aus jenen drei Weisen wie aus Teilen zusammengesetzt, sondern aus besondern Weisen des Seins, wie z. B. eine Rose, die an einem Rosenstocke im Winter der Potenz nach, im Sommer in der Wirklichkeit sich befindet, aus der einen Seinsweise der Möglichkeit in die andere der Determination durch die Wirklichkeit übergegangen ist.

      ACHTES KAPITEL

      Von der Möglichkeit oder der Materie des Universums

      Um nun, wenn auch nur in Kürze das vorzuführen, was unserer Unwissenheit zur Belehrung dienen kann, wollen wir die genannten drei Weisen des Seins etwas weiter erörtern und dabei mit der Möglichkeit beginnen.

      Die Alten haben sich viel mit ihr beschäftigt; ihre übereinstimmende Lehre war: Aus Nichts wird Nichts, weshalb sie eine gewisse absolute Möglichkeit, alles zu sein, als ewig annehmen, in der sie sich alles der Möglichkeit nach enthalten dachten. Den Begriff dieser Materie oder Möglichkeit haben sie durch eine verkehrte Denkoperation, wie man sie sonst nur bei der Ermittlung der absoluten Notwendigkeit anwendet, gesucht: Auf dem Wege des Hinwegnehmens der Form der Körperlichkeit vom Körper meinten sie den Körper sich nichtkörperlich denken zu können. Bei dieser Unwissenheit konnten sie das Wesen der Materie nicht erfassen; denn wie läßt sich ein Körper ohne Form an einem Körper denken? Sie sagten dann weiter, die Möglichkeit gehe jedem Dinge der Natur nach vorher, so daß man nie in Wahrheit sagen konnte: Gott ist, ohne daß man nicht auch in Wahrheit sagen mußte: die absolute Möglichkeit ist. Doch nahmen sie dieselbe nicht gleichewig mit Gott, weil sie, die nicht etwas und nicht nichts, nicht eine und nicht mehrere, nicht dieses und nicht jenes ist, von Gott ist; sie faßten sie, als die Möglichkeit zu allem, die nichts von allem wirklich ist. Da sie aller Gestalt entbehrt, nannten die Platoniker sie den Mangel (carentiam). Weil sie Mangel hat, will sie (quia caret, appetit); sie ist daher die Willfährige (aptitudo), die der ihr gebietenden, d. i. sie zum wirklichen Sein führenden Notwendigkeit gehorcht, wie das Wachs dem Künstler, der etwas aus demselben machen will. Die Formlosigkeit (informitas) geht aus dem Mangel und der Willfährigkeit hervor und ist deren Verbindung, so daß die absolute Möglichkeit gleichsam eine dreifache, ohne Zusammensetzung, ist; denn Mangel, Willfährigkeit und Formlosigkeit können nicht ihre Teile sein, sonst würde der absoluten Möglichkeit etwas vorhergehen, was unmöglich ist. Es sind daher Modalitäten (modi), ohne welche die absolute Möglichkeit als solche nicht wäre. Der Mangel ist zufällig (contingenter) in der Möglichkeit: Weil sie die Form nicht hat, die sie haben kann, heißt sie Mangel. Die Formlosigkeit ist gleichsam die Form der Möglichkeit, die nach den Platonikern gleichsam die Materie der Formen ist. Denn indem sich die Weltseele mit der Möglichkeit verbindet, wird jene formlose Vegetation (vegetabilitas) in die wirklich vegetative Seele gebracht, infolge der Bewegung, die von der Weltseele ausgeht und der Bewegungsfähigkeit der Möglichkeit oder Vegetation. Sie lehrten daher auch, die Formlosigkeit sei die Materie der Formen, die dann durch Sinn, Verstand und Vernunft zur Wirklichkeit gestaltet wird. Daher nannte Hermes die ὕλȠ den Stoff für Körper (nutricem corporum), die Formlosigkeit aber den Stoff für die Seelen. Einer der Unsrigen sagte, das Chaos sei der Welt naturgemäß vorhergegangen, als Möglichkeit der Dinge, im Chaos sei der formlose Geist gewesen, in dem alle Seelen der Möglichkeit nach sind. Die Stoiker sagten daher, alle


Скачать книгу