Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus Cusanus

Читать онлайн книгу.

Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus


Скачать книгу
einen kleinsten Kreis zu beschreiben; es gibt aber keinen Stern, der keinen Kreis beschriebe. Gibt es in einem Himmelskörper (in sphaera) keinen fixen Pol, so gibt es auch keine Mitte, die gleichweit von den Polen entfernt wäre. Es gibt daher in der achten Sphäre keinen Stern, der durch seine Umdrehung einen größten Kreis beschreibt, weil derselbe gleichweit von den Polen, die es nicht gibt, entfernt sein müßte. Folgleich gibt es auch keinen, der einen kleinsten Kreis beschreibt. Die Pole der Himmelskörper koinzidieren daher mit dem Zentrum, so daß Zentrum und Pol nichts anderes ist, als – Gott. Und da wir die Bewegung nur im Verhältnisse zu etwas Unbeweglichem, zum Pole oder Mittelpunkt wahrzunehmen imstande sind und jene bei dem Messen der Bewegungen voraussetzen, so finden wir, daß wir nur in Mutmaßungen uns bewegen und in allen Stücken irregehen; wir wundern uns, wenn wir nach den Regeln der Alten Sterne in ihrer Stellung nicht übereinstimmend finden, weil wir annehmen, daß die Alten über Zentrum, Pole und Messung richtige Begriffe gehabt haben.

      Aus dem Gesagten geht klar hervor, daß die Erde sich bewege. Da wir aus Erfahrung wissen, daß sich die Elemente durch die Bewegung eines Kometen, der Luft und des Feuers bewegen, sowie, daß der Mond sich weniger von Ost nach West bewege als der Merkur, die Venus oder die Sonne und so stufenweise, so bewegt sich die Erde noch weniger, als alle andern (Sterne), jedoch ist sie nicht ein Stern, der um Zentrum oder Pol den kleinsten Kreis beschreibt, so wie nach dem eben Gesagten die achte Sphäre oder irgend eine andere keinen größten beschreibt. Beachte daher wohl: Wie sich die Sterne zu den angenommenen (coniecturales) Polen der achten Sphäre verhalten, so sind Erde, Mond und Planeten Sterne, die sich am Pole in verschiedenen Abständen bewegen, so daß wir da den Pol suchen, wo man bisher das Zentrum annahm (coniecturando polum esse, ubi creditur centrum). Wenn daher gleich die Erde ein Stern ist, der sich in größter Nähe von dem Zentralpole befindet, so bewegt sie sich doch und beschreibt nicht, wie gezeigt ist, einen kleinsten Kreis. Ja, weder Sonne noch Mond oder Erde, oder irgendein Himmelskörper kann, wenn es uns gleich anders scheint, eine wahre kreisförmige Bewegung beschreiben, weil sie sich nicht um etwas Festes bewegen. Es gibt auch keinen wahren Kreis, der nicht vollkommener sein könnte, und zu einer Zeit sich ganz genau wie zu einer andern bewegt oder einen ganz gleichen Kreis beschreibt, wenn wir dies gleich nicht wahrnehmen. Willst du daher über die Bewegung des Universums eine andere Ansicht als die bisher übliche gewinnen, so mußt du Zentrum und Pole zusammenfassen (necesse est ut centrum cum polis complices) und dabei so gut, als es angeht, die Einbildungskraft zu Hilfe nehmen. Denn wenn einer auf der Erde und unter dem Nordpole, ein anderer im Nordpole stünde, so würde der auf der Erde Stehende ebenso glauben, der Pol sei im Zenit, wie der im Pole Stehende glauben würde, das Zentrum sei im Zenit. Wie die Gegenfüßler gleich uns den Himmel über sich haben, so würde den auf beiden Polen Stehenden die Erde im Zenit zu sein scheinen, und wo immer einer steht, glaubt er, er sei im Zentrum. Fasse also jene entgegengesetzten Vorstellungen zusammen, so daß das Zentrum Zenit ist und umgekehrt, dann wird dein Verstand, dem nur die Wissenschaft des Nichtwissens gute Dienste leistet, einsehen, daß die Welt, ihre Bewegung und Gestalt nicht erkannt werden können, denn sie wird dir vorkommen wie ein Rad im Rade oder eine Kugel in der Kugel, die, wie gesagt, nirgends Zentrum und Umkreis hat.

      ZWÖLFTES KAPITEL

      Von den Zuständen der Erde

      Das eben Ausgeführte kannten die Alten nicht, weil ihnen die Wissenschaft des Nichtwissens fehlte. Uns ist es jetzt ganz klar, daß diese Erde sich wirklich bewegt, wenn wir es gleich nicht bemerken, da wir die Bewegung nur durch Vergleichung mit etwas Unbeweglichem wahrnehmen. Wüßte jemand nicht, daß das Wasser fließe und sähe er das Ufer nicht, wie würde er, wenn er in einem auf dem Wasser hingleitenden Schiffe steht, bemerken, daß das Schiff sich bewegt? Da es daher jedem, er mag auf der Erde oder Sonne oder einem andern Sterne sich befinden, vorkommt, er stehe im unbeweglichen Mittelpunkte während alles um ihn her sich bewege, so würde er, in der Sonne, im Monde, Mars etc. stehend, immer wieder andere Pole angeben. Der Bau der Welt ist daher so, als hätte sie überall ihr Zentrum und nirgends eine Peripherie, denn Umkreis und Zentrum ist Gott, der überall und nirgends ist. Diese Erde ist nicht kugelförmig, wie einige gesagt haben, wiewohl sie der Kugelform sich zuneigt, denn die Gestalt der Welt ist, wie auch ihre Bewegung, in ihren Teilen beschränkt. Wird aber die unendliche Linie als konkret gedacht, in der Art, daß sie, als konkret, nicht mehr vollkommener und umfassender (capacior) sein könnte, so ist sie kreisförmig, denn hier trifft Anfang und Ende zusammen. Wie daher die vollkommenere Bewegung die kreisförmige ist, so ist die vollkommenere körperliche Gestalt die kugelförmige. Jede Bewegung des Teiles hat daher Beziehung zur Vollkommenheit des Ganzen: Das Schwere strebt nach der Erde, das Leichte nach oben, Erde zu Erde, Wasser zu Wasser, Luft zu Luft, Feuer zu Feuer. Die Bewegung des Ganzen folgt soviel als möglich der kreisförmigen Bewegung, jede Figur der kugelförmigen Figur, wie wir an den Teilen der Tiere, an den Bäumen und dem Himmel sehen. Eine Bewegung ist kreisförmiger und vollkommener als die andere, ebenso sind auch die Gestalten verschieden. Die Gestalt der Erde ist beweglich und kugelförmig, ihre Bewegung kreisförmig, könnte aber vollkommener sein.

      Da es in allen Vollkommenheiten, Bewegungen und Gestalten der Welt kein Größtes gibt (wie aus dem Gesagten erhellt), so ist es unwahr, daß diese Erde der geringste und unterste Teil der Welt ist; denn wenn sie gleich im Verhältnis zur Welt mehr im Zentrum zu sein scheint, so ist sie doch aus demselben Grunde, wie schon gezeigt, auch dem Pole näher. Die Erde ist nicht ein aliquoter Teil der Welt, denn da die Welt kein Größtes und Kleinstes hat, so hat sie auch keine Mitte und keine aliquoten Teile, wie dies auch nicht vom Menschen oder Tiere gilt, denn die Hand ist kein aliquoter Teil des Menschen, wiewohl ihr Gewicht ein Verhältnis zum Körper hat.

      Auch die schwarze Farbe ist kein Beweis für die schlechte Beschaffenheit (vilitatis) der Erde. Wer in der Sonne wäre, der würde nicht die große Helle, wie wir auf Erden, wahrnehmen. Denn betrachtet man den Sonnenkörper, so hat er eine mehr konzentrierte Erde und eine wie Feuer leuchtende Peripherie, dazwischen eine Art Wolken und reinere Luft, gerade wie unsere Erde ihre Elemente hat. Stünde daher jemand außerhalb der Region des Feuers, so würde ihm diese Erde durch das Medium des Feuers wie ein heller Stein vorkommen, wie uns, die wir im Umkreis der Region der Sonne sind, die Sonne überaus helleuchtend vorkommt. Der Mond erscheint uns nicht so hell, vielleicht weil wir in seinem Umkreis mehr den zentralen Teilen desselben zugekehrt sind, etwa der wäßrigen Region desselben. Daher erscheint uns sein Licht nicht, obgleich er ein eigenes Licht hat, das nur denen erscheint, die in den äußersten Grenzen seines Umkreises stehen, während uns nur der Reflex des Sonnenlichtes sichtbar ist. Deshalb wird auch die Wärme des Monds, die ohne Zweifel durch die Bewegung entsteht und daher in der Peripherie, wo die größere Bewegung ist, größer ist, uns nicht so mitgeteilt wie von der Sonne. Unsere Erde ist zwischen die Region der Sonne und des Mondes gestellt, durch deren Vermittlung sie an der Einwirkung anderer Sterne partizipiert, die wir nicht sehen, weil wir außerhalb ihrer Region uns befinden, denn wir sehen nur die Region derjenigen Sterne, welche leuchten. Die Erde ist ein edler Stern, der Licht, Wärme und Einwirkung von allen andern Sternen in verschiedener Weise empfängt. Jeder Stern unterscheidet sich von jedem durch Licht, natürliche Beschaffenheit und Einwirkung, wie auch jeder Stern dem andern Licht und Einwirkung mitteilt, nicht absichtlich (ex intentione); denn alle Sterne haben nur Bewegung und Glanz, um auf die beste Weise zu sein, woraus als Folge das Partizipieren entsteht, wie das Licht seiner Natur nach leuchtet, nicht damit ich sehe, sondern das Partizipieren an demselben ist Folge, indem ich das Licht zum Zwecke des Sehens benütze. Der gütige Gott hat alles so erschaffen, daß jedes Wesen, indem es sein Sein wie einen göttlichen Beruf zu erhalten strebt, dieses in Gemeinschaft mit andern vollzieht. Wie der Fuß nicht sich allein, sondern auch dem Auge, den Händen, dem Leibe, ja dem ganzen Menschen dadurch dient, daß er nur im Gehen gebildet ist, so gilt das Gleiche von den Teilen der Welt. Plato nannte die Welt ein lebendes Wesen; denkst du dir als ihre Seele – jedoch ohne Verschmelzung – Gott, so wird dir vieles von dem bisher Gesagten klarwerden.

      Man kann auch nicht sagen, die Erde sei deswegen von geringer Beschaffenheit, weil sie kleiner als die Sonne und ihrer Einwirkung unterworfen ist, denn die ganze Region der Erde, die sich bis zum Umkreis des Feuers ausdehnt, ist allerdings groß. Ist gleich die Erde kleiner als die Sonne, wie wir aus dem Schatten und den Eklipsen wissen, so ist doch nicht bekannt,


Скачать книгу