Philosophische und theologische Schriften. Nicolaus Cusanus

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Philosophische und theologische Schriften - Nicolaus Cusanus


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auch das durch sie Entstandene wieder auf. In wunderbarer Ordnung sind daher die Elemente durch Gott geschaffen, der alles in Zahl, Maß und Gewicht erschaffen hat. Die Zahl bezieht sich auf die Arithmetik, das Gewicht auf die Musik, das Maß auf die Geometrie. Die Schwere wird durch Einwirkung des Leichten (levitate constringente) gehalten; die schwere Erde ist durch das Feuer wie in der Mitte schwebend. Das Leichte dringt auf das Schwere ein wie das Feuer auf die Erde. Indem die ewige Weisheit dieses so ordnete, verfuhr sie nach einer nicht zu entziffernden Proportion. Sie wußte voraus, wieviel jedes Element das andere überwiegen müsse, indem sie die Elemente so abwog, daß das Feuer um so viel leichter wäre als die Luft, als diese leichter ist als das Wasser, und dieses leichter als die Erde, so daß Gewicht mit Volumen übereinstimmte und das Einschließende einen größeren Raum einnahm als das Eingeschlossene. Er verband sodann die Elemente so miteinander, daß eines notwendig im andern ist. Die Erde ist, wie Plato sagt, gleichsam ein lebendes Wesen, die Steine sind die Knoten, die Bäche die Adern, die Bäume die Haare; die Tiere, die zwischen diesen Haaren der Erde sich nähren, sind wie die Maden in den Haaren der Tiere. Zum Feuer verhält sich die Erde wie die Welt zu Gott, mit welchem das Feuer in seiner Beziehung zur Erde viele Ähnlichkeit hat. Seine Entfaltung ist grenzenlos, es wirkt, durchdringt, erhellt, fördert und gestaltet alles auf der Erde, und zwar mittelst der Luft und des Wassers, so daß alles, was auf der Erde entsteht, nur eine immer wieder anders modifizierte Wirksamkeit des Feuers ist, wie denn auch die Gestalten der Dinge (im Äußerlichen) durch den verschiedenen Widerschein des Feuers entstehen. Indes ist das Feuer mit den Dingen vermengt, ohne welche Vermengung weder es selbst, noch die Dinge auf Erden sein können. Gott aber ist absolut. Er wird daher von den Alten ein verzehrendes, absolutes Feuer, eine absolute Klarheit genannt, da er ein Licht ist, in dem keine Finsternis. An seinem feurigen klaren Wesen sucht alles, was da ist, teilzunehmen, wie wir an allen Gestirnen sehen, wo sich diese Klarheit materiell beschränkt findet. Diese unterscheidende und alles durchdringende Klarheit ist immateriell konkret in den lebenden und geistigen Wesen. Wer bewundert nicht den Künstler, der einer ähnlichen Kunst (Astronomie) auch in den Himmelskörpern, Sternen und Sternregionen sich bedient hat, so daß ohne Präzision bei der größten Verschiedenheit die schönste Harmonie besteht! Die Größe, Lage und Bewegung48 der Sterne hat er festgestellt, die Entfernungen der Sterne so geordnet, daß, wenn nicht jede Region so wäre, wie sie ist, sie weder selbst bestehen, noch in dieser bestimmten Lage und Ordnung, noch das Universum überhaupt bestehen könnte. Er gibt jedem Sterne ein anderes Licht, Einfluß, Gestalt, Farbe und Wärme. Das Verhältnis der Teile zueinander hat er so geordnet, daß in jedem die Bewegung der Teile eine Beziehung auf das Ganze hat: von oben nach der Mitte beim Schweren, von der Mitte nach oben beim Leichten, und um die Mitte, wie bei der kreisförmigen (orbicularem) Bewegung der Sterne.

      Bei dieser so bewunderungswürdigen, verschiedenartigen Ordnung der Welt sehen wir durch unser System, daß wir von allen Werken Gottes keine rationelle Einsicht erlangen, sondern nur staunen können, weil Gott groß und seiner Größe keine Grenze ist. Als die absolute Größe ist er von allen seinen Werken wie Urheber und Verständnis, so auch das Ziel. In ihm ist alles, außer ihm nichts, er ist Anfang, Mitte und Ende von allem, Zentrum und Umkreis des Universums, und in allem wird nur er gesucht, weil ohne ihn alles nichts ist, mit ihm haben wir alles, in ihm wissen wir alles; denn er ist die Wahrheit von allem und will, daß der wunderbare Weltbau uns zur Bewunderung hinreiße. Er verbirgt jedoch denselben vor uns um so mehr, je mehr wir ihn bewundern, weil er es ist, den wir mit ganzem Herzen und allem Eifer suchen sollen. Und da er das unzugängliche Licht bewohnt, das in allem gesucht wird, so kann er allein den Anklopfenden die Tür öffnen und den Bittenden geben. Kein Wesen von allen erschaffenen hat die Macht, sich den Anklopfenden aufzutun und zu zeigen, was es sei, da alle ohne ihn, der in allen ist, nichts sind. Wer aber nach Anleitung des Systems des Nichtwissens sie fragt, was und wie und wozu sie seien, dem antworten sie: Aus uns sind wir nichts, und aus uns können wir auch dir nichts anderes als nichts antworten, da wir von uns selbst keine Erkenntnis haben, sondern allein der, durch dessen Denken wir das sind, was er in uns will, befiehlt und weiß. Wir alle sind stumm, er, der uns erschaffen hat, redet in uns allen, er allein weiß, was, wie und wozu wir sind. Willst du etwas über uns erkennen, so frage unsern Grund, unsere Ursache, nicht uns; dort findest du alles, wenn du diesen Einen suchst, ja auch dich selbst kannst du nur in ihm finden. Strebe daher, sagt unsere gelehrte Unwissenheit, daß du dich in ihm findest, und da alles in ihm er selbst ist, so kann dir nichts fehlen. Unsere Sache ist es nicht, uns dem Unzugänglichen zu nahen, sondern dessen, der uns ein ihm zugewandtes Antlitz gegeben hat, damit wir ihn mit allem Eifer suchen. Tun wir dies, so wird er in seiner großen Güte uns nicht verlassen, er zeigt sich selbst uns, und wenn seine Herrlichkeit erscheint, wird er ewig uns sättigen. Er sei gepriesen in Ewigkeit! Amen.

      Drittes Buch

      Nach diesen kurzen Erörterungen über das Universum und seine beschränkte (contractione) Existenz, will ich nun, um über das absolut und beschränkt Größte zugleich, Jesus Christus, der ewig gepriesen sei, eine Untersuchung in wissenschaftlichem Nichtwissen anzustellen, zur Vermehrung des Glaubens und unserer Vollkommenheit, dir, dem Manne von bewundernswerter Tätigkeit, einen kurzen Lehrbegriff von Jesus überreichen, wobei ich ihn anrufe, er möge mir der Weg zu ihm, der die Wahrheit ist, sein, durch die wir jetzt im Glauben und dereinst durch seligen Genuß (per adeptionem) zum Leben gelangen, in ihm und durch ihn, der das ewige Leben ist.

      ERSTES KAPITEL

      Das in dieser oder jener konkreten Form erscheinende Größte, über welches es kein Größeres gibt, kann ohne das absolut Größte nicht bestehen.

      Im ersten Buche ist die Rede von dem einen absolut Größten, das nicht mitgeteilt, in das endliche Sein vermengt (immersibile) und nicht auf dieses oder jenes eingeschränkt werden kann, sondern in sich ewig gleich und unbeweglich als die absolute Identität existiert. Im zweiten Buche wurde das konkrete Universum gezeigt, und wie dieses und jenes nur konkret existiert. Es ist also die Einheit des Größten in sich absolut, die Einheit des Universums in Vielheit beschränkt. Die Vielheit nun, in welcher das Universum in Wirklichkeit seinen Ausdruck findet, kann unmöglich mit der höchsten Gleichheit bestehen, denn sonst wäre es keine Vielheit. Somit besteht alles notwendig in differenter Weise, nach Gattung, Art und Zahl, so daß jegliches in besonderer Zahl, Maß und Gewicht besteht. Es sind daher im Universum Gradunterschiede, und kein Wesen koinzidiert mit dem andern. Kein konkretes Sein kann daher den Grad der Konkretheit eines andern Seins präzis decken. Zwischen dem Größten und Kleinsten ist sonach alles konkret und es gibt immer größere oder kleinere Grade des Konkreten, ohne daß jedoch dies ins Unendliche fortgeht, da eine Unendlichkeit von Graden unmöglich ist; denn unendlich viele Grade wären soviel als kein Grad, wie ich in der Lehre von der Zahl im ersten Buche gezeigt habe. Es gibt somit im Konkreten kein Auf- oder Absteigen zu dem absolut Größten oder Kleinsten. Wie daher die göttliche Natur, die absolut größte, keine Verminderung zuläßt, so daß sie in die endliche und konkrete übergeht, so kann auch die konkrete, endliche ihrer Konkretheit so entkleidet werden, daß sie zur ganz absoluten wird. Sonach erreicht kein konkretes Sein, da es mehr oder weniger konkret sein kann, das Höchste (terminus) im Universum, in der Gattung oder Art, denn die erste generelle konkrete Ausgestaltung des Universums ist die Vielheit der Gattungen, die notwendig graduell verschieden ist. Die Gattungen aber bestehen konkret nur in den Arten, die Arten nur in den Individuen, die allein in Wirklichkeit existieren. Wie es daher nach der Natur des Konkreten kein Individuum gibt, das nicht hinter dem Höchsten seiner Spezies zurückbleibt, so kann auch kein Individuum das Höchste in der Gattung oder im Universum erreichen. Denn unter mehreren Individuen derselben Art muß notwendig eine Verschiedenheit der graduellen Vollkommenheit stattfinden. Kein Wesen ist daher in seiner Art ganz vollkommen, so daß es kein vollkommeneres gibt, sowie keines so unvollkommen ist, daß es kein unvollkommeneres gibt: Das höchste seiner Art erreicht keines. Es gibt somit nur ein Höchstes (unus terminus) aller Arten, Gattungen und des ganzen Universums, es ist das Zentrum, die Peripherie und die Verbindung von allem; das Universum erschöpft nicht die unendliche absolut größte Macht Gottes, so daß es als das schlechthin Größte die Grenze der göttlichen Allmacht bildete. Es erreicht somit das Universum nicht das Höchste des absolut Größten, wie die Gattungen nicht das Höchste


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