Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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feststehend, Arme in die Lüfte erhoben, den Leib so nach und nach herumzudrehen, daß er mit dem Gesicht über den Rücken hinwegschaute und so in Gebärde und Mienenspiel den Zuschauern ein doppelt wirkender Janus erschien. – So was ist vielfältig von der frappantesten Wirkung, muß aber jedesmal angebracht werden, wenn ich vorschreibe: Er beginnt zu verzweifeln! – Schreibt Euch das hinter die Ohren, mein guter Sohn, und gebt Euch Mühe zu verzweifeln, wie Signor Zechielli! Nun! ich komme auf mein spettro fraterno zurück. – Die Vorstellung war die vortrefflichste, die ich jemals sah, und doch brach das Publikum bei jeder Rede meines Helden aus in ein unmäßiges Gelächter. Da ich den Fürsten Pistoja in der Loge erblickte, der dieses Lachen jedesmal intonierte, so hatte es gar keinen Zweifel, daß er es allein war, der, Gott weiß durch welche höllische Ränke und Schwänke, mir diesen fürchterlichen Tort über den Hals zog. Wie froh war ich, als der Fürst aus Rom verschwunden! Aber sein Geist lebt fort in dem alten verfluchten Ciarlatano, in dem verrückten Celionati, der, wiewohl vergeblich, schon auf Marionettentheatern meine Trauerspiele lächerlich zu machen versucht hat. Es ist nur zu gewiß, daß auch Fürst Bastianello wieder in Rom spukt, denn darauf deutet die tolle Maskerade, die in seinen Palast gezogen. – Euch stellt Celionati nach, um mir zu schaden. Schon gelang es ihm, Euch von den Brettern zu bringen und das Trauerspiel Eures Impresario zu zerstören. Nun sollt Ihr der Kunst ganz und gar abwendig gemacht werden, dadurch, daß man Euch allerlei tolles Zeug, Fantasmata von Prinzessinnen, grotesken Gespenstern u. dgl. in den Kopf setzt. Folgt meinem Rat, Signor Giglio, bleibt fein zu Hause, trinkt mehr Wasser als Wein und studiert mit dem sorglichsten Fleiß meinen moro bianco, den ich Euch mitgeben will! Nur in dem moro bianco ist Trost, ist Ruhe und dann Glück, Ehre und Ruhm für Euch zu suchen und zu finden. – Gehabt Euch wohl, Signor Giglio!“ –

      Den andern Morgen wollte Giglio tun, wie ihm der Abbate geheißen, nämlich die vortreffliche Tragödia von dem moro bianco studieren. Er konnte es aber deshalb nicht dahin bringen, weil alle Buchstaben auf jedem Blatte vor seinen Augen zerflossen in das Bild der holden, lieblichen Giacinta Soardi. „Nein“, rief Giglio endlich voll Ungeduld, „nein, ich ertrag es nicht länger, ich muß hin zu ihr, zu der Holden. Ich weiß es, sie liebt mich noch, sie muß mich lieben, und aller Smorfia zum Trotz wird sie es mir nicht verhehlen können, wenn sie mich wiedersieht. Dann werd ich wohl das Fieber los, das der verwünschte Kerl, der Celionati, mir an den Hals gehext, und aus dem tollen Wirrwarr aller Träume und Einbildungen erstehe ich neugeboren, als moro bianco, wie der Phönix aus der Asche! – Gesegneter Abbate Chiari, du hast mich auf den rechten Weg zurückgeleitet.“

      Giglio putzte sich sofort auf das schönste heraus, um sich nach Meister Bescapis Wohnung zu begeben, wo sein Mädchen, wie er glaubte, jetzt anzutreffen. Schon im Begriff aus der Türe herauszutreten, spürte er plötzlich die Wirkungen des moro bianco, den er lesen wollen. Es überfiel ihn, wie ein starker Fieberschauer, das tragische Pathos! „Wie“, rief er, indem er, den rechten Fuß weit vorschleudernd, mit dem Oberleib zurückfuhr und beide Arme vorstreckte, die Finger voneinanderspreizte, wie ein Gespenst abwehrend. „Wie? – wenn sie mich nicht mehr liebte? wenn sie, verlockt von den zauberischen Truggestalten des Orkus vornehmer Welt, berauscht von dem Lethetrank des Vergessens im Aufhören des Gedankens an mich, mich wirklich vergessen? – Wenn ein Nebenbuhler – Entsetzlicher Gedanke, den der schwarze Tartarus gebar aus todesschwangren Klüften! – Ha Verzweiflung – Mord und Tod! – Her mit dir, du lieblicher Freund, der in blutigen Rosengluten alle Schmach sühnend, Ruhe gibt und Trost – und Rache.“ – Die letzten Worte brüllte Giglio dermaßen, daß das ganze Haus widerhallte. Zugleich griff er nach dem blanken Dolch, derauf dem Tische lag und steckte ihn ein. Es war aber nur ein Theaterdolch.

      Meister Bescapi schien nicht wenig verwundert, als Giglio nach Giacinta fragte. Er wollte durchaus nichts davon wissen, daß sie jemals in seinem Hause gewohnt und alle Versicherungen Giglios, daß er sie ja vor wenigen Tagen auf dem Balkon gesehen und mit ihr gesprochen, halfen nicht das allermindeste; Bescapi brach vielmehr das Gespräch ganz ab und erkundigte sich lächelnd, wie dem Giglio der neuerliche Aderlaß bekommen. – Sowie Giglio des Aderlasses erwähnen hörte, rannte er über Hals und Kopf von dannen. Als er über den spanischen Platz kam, sah er ein altes Weib vor sich herschreiten, die mühsam einen bedeckten Korb forttrug und die er für die alte Beatrice erkannte. „Ha“, murmelte er, „du sollst mein Leitstern sein, dir will ich folgen!“ – Nicht wenig verwundert war er, als die Alte nach der Straße mehr schlich, als ging, wo sonst Giacinta wohnte, als sie vor Signor Pasquales Haustür stillstand und den schweren Korb absetzte. In dem Augenblick fiel ihr Giglio, der ihr auf dem Fuße gefolgt, in die Augen. „Ha!“ rief sie laut, „ha, mein süßer Herr Taugenichts, laßt Ihr Euch endlich wieder einmal blicken? – Nun, Ihr seid mir ein schöner treuer Liebhaber, der sich herumtreibt an allen Ecken und Orten, wo er nicht hingehört, und sein Mädchen vergißt in der schönen lustigen Zeit des Karnevals! – Nun, helft mir nur jetzt den schweren Korb herauftragen und dann möget Ihr zusehen, ob Giacintchen noch einige Ohrfeigen für Euch aufbewahrt hat, die Euch den wackligen Kopf zurechtsetzen.“ – Giglio überhäufte die Alte mit den bittersten Vorwürfen, daß sie ihn mit der albernen Lüge, wie Giacinta im Gefängnis sitze, gefoppt; die Alte wollte dagegen nicht das mindeste davon wissen, sondern behauptete, daß Giglio sich das alles nur eingebildet, nie habe Giacinta die Stübchen in Signor Pasquales Hause verlassen, und sei in diesem Karneval fleißiger gewesen, als jemals. Giglio rieb sich die Stirne, zupfte sich an der Nase, als wolle er sich selbst erwecken aus dem Schlafe. „Es ist nur zu gewiß“, sprach er, „entweder liege ich jetzt im Traum, oder ich habe die ganze Zeit über den verwirrtesten Traum geträumt –“ „Seid“, unterbrach ihn die Alte, „seid nur so gut und packt an! Ihr werdet dann an der Last, die Euern Rücken drückt, am besten merken können, ob Ihr träumt, oder nicht.“ Giglio lud nun ohne weiteres den Korb auf, und stieg, die wunderbarsten Empfindungen in der Brust, die schmale Treppe hinan. „Was in aller Welt habt Ihr aber in dem Korbe?“ fragte er die Alte, die vor ihm hinaufschritt. „Dumme Frage!“ erwiderte diese, „Ihr habt es wohl noch gar nicht erlebt, daß ich auf den Markt gegangen bin um einzukaufen für mein Giacintchen? und zudem erwarten wir heute Gäste“ – „Gäste?“ fragte Giglio mit langgedehntem Tone. In dem Augenblick waren sie aber oben, die Alte hieß dem Giglio den Korb niedersetzen und hineingehen in das Stübchen, wo er Giacinta antreffen würde.

      Das Herz pochte dem Giglio vor banger Erwartung, vor süßer Angst. Er klopfte leise an, öffnete die Türe. Da saß Giacinta, wie sonst, emsig arbeitend an dem Tisch, der vollgepackt war mit Blumen, Bändern, allerlei Zeugen u.s.w. „Ei“, rief Giacinta, indem sie Giglio mit leuchtenden Augen anblickte, „ei Signor Giglio, wo kommt Ihr auf einmal wieder her? Ich glaubte. Ihr hättet Rom längst verlassen?“ – Giglio fand sein Mädchen so über alle Maßen hübsch, daß er ganz verdutzt, keines Wortes mächtig, in der Türe stehenblieb. Wirklich schien auch ein ganz besonderer Zauber der Anmut über ihr ganzes Wesen ausgegossen; höheres Inkarnat glühte auf ihren Wangen und die Augen, ja eben die Augen leuchteten, wie gesagt, dem Giglio recht ins Herz hinein. – Es wäre nur zu sagen gewesen, Giacinta hatte ihren beau jour; da dieses französische Wort aber jetzt nicht mehr zu dulden, so mag nur beiläufig bemerkt werden, daß es mit dem beau jour nicht nur seine Richtigkeit, sondern auch seine eigene Bewandtnis hat. Jedes artige Fräulein von weniger Schönheit, oder auch passabler Häßlichkeit, darf nur, sei es von außen, oder von innen dazu aufgeregt, lebendiger als sonst denken: „Ich bin doch ein bildschönes Mädchen!“ und überzeugt sein, daß mit diesem herrlichen Gedanken, mit dem sublimen Wohlbehagen im Innern sich auch der beau jour von selbst einstellt. –

      Endlich stürzte Giglio ganz außer sich hin zu seinem Mädchen, warf sich auf die Knie und ergriff mit einem tragischen: „Meine Giacinta, mein süßes Leben!“ ihre Hände. Plötzlich fühlte er aber einen tiefen Nadelstich seinen Finger durchbohren, so daß er vor Schmerz in die Höhe fuhr und sich genötigt fühlte unter dem Ausruf: „Teufel! Teufel!“ – einige Sprünge zu verführen. Giacinta schlug ein helles Gelächter auf, dann sprach sie sehr ruhig und gelassen: „Seht, lieber Signor Giglio, das war etwas für Euer unartiges, ungestümes Betragen. Sonst ist es recht hübsch von Euch, daß Ihr mich besucht; denn bald werdet Ihr mich vielleicht nicht so ohne alle Zeremonie sehen können. Ich erlaube Euch bei mir zu verweilen. Setzt Euch dort auf den Stuhl mir gegenüber und erzählt mir,


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