Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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sprach Giglio im Schmerz der Liebe und des Nadelstichs, „meine Giacinta, laß uns alle Qual der Trennung vergessen! – Sie sind wiedergekommen, die süßen seligen Stunden des Glücks, der Liebe –“ „Ich weiß nicht“, unterbrach ihn Giacinta, „ich weiß nicht, was Ihr für albernes Zeug schwatzt. Ihr sprecht von Qual der Trennung und ich kann Euch versichern, daß ich meinesteils, glaubt ich nämlich in der Tat, daß Ihr Euch von mir trenntet, gar nichts und am wenigsten einige Qual dabei empfunden. Nennt Ihr selige Stunden die, in denen Ihr Euch bemühtet mich zu langweilen, so glaube ich nicht, daß sie jemals wiederkehren werden. Doch im Vertrauen, Signor Giglio, Ihr habt manches, was mir gefällt. Ihr seid mir manchmal gar nicht unlieb gewesen und so will ich Euch gern verstatten, daß Ihr mich künftig, soviel es geschehen darf, sehet, wiewohl die Verhältnisse, die jede Zutraulichkeit hemmend, Entfernung zwischen uns gebieten, Euch einigen Zwang auflegen werden.“ „Giacinta!“ – rief Giglio, „welche sonderbare Reden?“ „Nichts Sonderbares“, erwiderte Giacinta, „ist hier im Spiel. Setzt Euch nur ruhig hin, guter Giglio! es ist ja doch vielleicht das letztemal, daß wir so traulich miteinander sind – Aber auf meine Gnade könnt Ihr immer rechnen; denn, wie gesagt, ich werde Euch nie das Wohlwollen, das ich für Euch gehegt, entziehen.“ – Beatrice trat hinein, ein paar Teller in den Händen, worauf die köstlichsten Früchte lagen, auch hatte sie eine ganz ansehnliche Phiole unter den Arm gekniffen. Der Inhalt des Korbes schien sich aufgetan zu haben. Durch die offene Türe sah Giglio ein muntres Feuer auf dem Herde knistern, und von allerlei Leckerbissen war der Küchentisch ganz voll und schwer. „Giacintchen“, sprach Beatrice schmunzelnd, „soll unser kleines Mahl den Gast recht ehren, so ist mir noch etwas Geld vonnöten.“ „Nimm, Alte, so viel du bedarfst“, erwiderte Giacinta, indem sie der Alten einen kleinen Beutel hinreichte, aus dessen Gewebe schöne Dukaten hervorblinkten. Giglio erstarrte, als er in dem Beutel den Zwillingsbruder des Beutels erkannte, den ihm, wie er nicht anders glauben konnte, Celionati zugesteckt und dessen Dukaten bereits auf der Neige waren. „Ist es ein Blendwerk der Hölle?“ schrie er auf, riß schnell den Beutel der Alten aus der Hand und hielt ihn dicht vor die Augen. Ganz erschöpft sank er aber in den Stuhl, als er auf dem Beutel die Inschrift las: Gedenke deines Traumbildes! – „Hoho“, knurrte ihn die Alte an, indem sie den Beutel, den Giglio ihr mit weit vorgestrecktem Arm hinhielt, zurücknahm. „Hoho, Signor Habenichts! Euch setzt wohl solch schöner Anblick ganz in Erstaunen und Verwunderung? – Hört doch die liebliche Musik und ergötzt Euch dran!“ Damit schüttelte sie den Beutel, daß das Gold darin erklang, und verließ das Zimmer. „Giacinta“, sprach Giglio, ganz aufgelöst in Trostlosigkeit und Schmerz, „Giacinta! welch gräßliches entsetzliches Geheimnis – Sprecht es aus! – sprecht aus meinen Tod!“ „Ihr seid“, erwiderte Giacinta, indem sie die feine Nähnadel zwischen den spitzen Fingern gegen das Fenster hielt und geschickt den Silberfaden durch das Öhr stieß, „Ihr seid und bleibt der alte. Euch ist es so geläufig geworden über alles in Ekstase zu geraten, daß Ihr umherwandelt, ein stetes langweiliges Trauerspiel mit noch langweiligerem Oh, Ach und Weh! – Es ist hier gar nicht die Rede von gräßlichen, entsetzlichen Dingen; ist es Euch aber möglich, artig zu sein und Euch nicht zu gebärden, wie ein halbverrückter Mensch, so möcht ich wohl mancherlei erzählen.“ „Sprecht, gebt mir den Tod!“ murmelte Giglio mit halb erstickter Stimme vor sich hin. – „Erinnert“, begann Giacinta, „erinnert Ihr Euch wohl, Signor Giglio, was Ihr, es ist gar nicht lange her, mir einmal über das Wunder eines jungen Schauspielers sagtet? Ihr nanntet solch einen vortrefflichen Helden ein wandelndes Liebesabenteuer, einen lebendigen Roman auf zwei Beinen und was weiß ich wie sonst noch. Nun will ich behaupten, daß eine junge Putzmacherin, der der gütige Himmel eine hübsche Gestalt, ein artiges Gesicht und vorzüglich jene innere magische Gewalt verlieh, vermöge der ein Mädchen sich erst eigentlich als wahrhaftes Mädchen gestaltet, noch ein viel größeres Wunder zu nennen. Solch ein Nestkind der gütigen Natur ist erst recht ein in den Lüften schwebendes liebliches Abenteuer und die schmale Stiege zu ihr herauf, ist die Himmelsleiter, die in das Reich kindisch kecker Liebesträume führt. Sie ist selbst das zarte Geheimnis des weiblichen Putzes, das bald im schimmernden Glanz üppiger Farbenpracht, bald im milden Schein weißer Mondesstrahlen, rosiger Nebel, blauer Abenddüfte lieblichen Zauber übt über euch Männer. Verlockt von Sehnsucht und Verlangen naht ihr euch dem wunderbaren Geheimnis, ihr schaut die mächtige Fee mitten unter ihrem Zaubergerät; aber da wird, von ihren kleinen weißen Fingern berührt, jede Spitze zum Liebesnetz, jedes Band, das sie nestelt, zur Schlinge, in der ihr euch verfangt. Und in ihren Augen spiegelt sich alle entzückende Liebestorheit und erkennt sich selbst und hat an sich selbst herzinnigliche Freude. Ihr hört eure Seufzer aus der innersten Brust der Holden widertönen, aber leise und lieblich, wie die sehnsüchtige Echo den Geliebten ruft aus den fernen magischen Bergen. Da gilt nicht Rang, nicht Stand; dem reichen Prinzen, dem armen Schauspieler ist das kleine Gemach der anmutigen Circe das blumige blühende Arkadien in der unwirtbaren Wüste seines Lebens, in das er sich hineinrettet. Und wächst auch unter den schönen Blumen dieses Arkadiens etwas Schlangenkraut, was tut’s? es gehört zu der verführerischen Gattung, die herrlich blüht und noch schöner duftet –“ „O ja“, unterbrach Giglio Giacinten, „o ja, und aus der Blüte selbst fährt das Tierlein, dessen Namen das schön blühende und duftende Kraut trägt und sticht plötzlich mit der Zunge, wie mit spitzer Nähnadel“ – „Jedesmal“, nahm Giacinta wieder das Wort, „wenn irgendein fremder Mann, der nicht hineingehört in das Arkadien, tölpisch mit der Nase zufährt.“ „Schön gesagt“, fuhr Giglio ganz Ärger und Ingrimm fort, „schön gesagt, meine holde Giacinta! Ich muß überhaupt gestehen, daß du in der Zeit, während der ich dich nicht sah, auf wunderbare Art klug geworden bist. Du philosophierst über dich selbst auf eine Weise, die mich in Erstaunen setzt. Wahrscheinlich gefällst du dir ganz ungemein als zauberische Circe in dem reizenden Arkadien deines Dachstübchens, das der Schneidermeister Bescapi mit nötiger Zaubergerätschaft zu versehen nicht unterläßt.“ „Es mag“, sprach Giacinta sehr gelassen weiter, „es mag mir ganz so gehen, wie dir. Auch ich habe allerlei hübsche Träume gehabt. – Doch, mein guter Giglio, alles was ich da von dem Wesen einer hübschen Putzmacherin gesprochen, nimm es wenigstens halb und halb für Scherz, für schälkische Neckerei und beziehe es um so weniger auf mich selbst, als dies hier vielleicht meine letzte Putzarbeit ist. – Erschrick nicht, mein guter Giglio! aber sehr leicht ist es möglich, daß ich am letzten Tage des Karnevals dies dürftige Kleid mit einem Purpurmantel, diesen kleinen Schemel mit einem Thron vertausche!“ – „Himmel und Hölle“, schrie Giglio, indem er heftig aufsprang, die geballte Faust an der Stirn, „Himmel und Hölle! Tod und Verderben! So ist es wahr, was jener heuchlerische Bösewicht mir ins Ohr raunte? – Ha! öffne dich, flammenspeiender Abgrund des Orkus! Steigt herauf, schwarzgefiederte Geister des Acheron! – Genug!“ – Giglio verfiel in den gräßlichen Verzweiflungsmonolog irgendeines Trauerspiels des Abbate Chiari. Giacinta hatte diesen. Monolog, den ihr Giglio sonst hundertfältig vordeklamiert, bis auf den kleinsten Vers im Gedächtnis und soufflierte, ohne von der Arbeit aufzusehen, dem verzweifelnden Geliebten jedes Wort, wenn er hie und da ins Stocken geraten wollte. Zuletzt zog er den Dolch, stieß ihn sich in die Brust, sank hin, daß das Zimmer dröhnte, stand wieder auf, klopfte sich den Staub ab, wischte sich den Schweiß von der Stirne, fragte lächelnd: „Nicht wahr, Giacinta, das bewährt den Meister?“ „Allerdings“, erwiderte Giacinta, ohne sich zu rühren, „allerdings. Du hast vortrefflich tragiert, guter Giglio; aber nun wollen wir, dächt ich, uns zu Tische setzen.“

      Die alte Beatrice hatte indessen den Tisch gedeckt, ein paar herrlich duftende Schüsseln aufgetragen und die geheimnisvolle Phiole aufgesetzt nebst blinkenden Kristallgläsern. Sowie Giglio das erblickte, schien er ganz außer sich: „Ha, der Gast – der Prinz – Wie ist mir? Gott! – ich habe ja nicht Komödie gespielt, ich bin ja wirklich in Verzweiflung geraten – ja in helle tolle Verzweiflung hast du mich gestürzt, treulose Verräterin, Schlange, Basilisk – Krokodil! Aber Rache – Rache!“ Damit schwang er den Theaterdolch, den er von der Erde aufgerafft, in den Lüften. Aber Giacinta, die ihre Arbeit auf den Nähtisch geworfen und aufgestanden, nahm ihn beim Arm und sprach: „Sei kein Hase, guter Giglio! gib dein Mordinstrument der alten Beatrice, damit sie Zahnstocher daraus schneide und setze dich mit mir zu Tisch; denn am Ende bist du der einzige Gast, den ich erwartet habe.“ Giglio ließ sich plötzlich, besänftigt, die Geduld selbst, zu Tische führen und tat, was das Zulangen betrifft, sich dann weiter keinen Zwang an.


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