Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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Meister Bescapi, ob Ihr mir für meine vollwichtigen Dukaten einen Anzug, wie ich ihn wünsche, verkaufen wollt, oder nicht?“ „Mit Vergnügen“, erwiderte Bescapi ganz fröhlich, „mit Vergnügen, mein bester Signor Giglio!“

      Darauf öffnete der Meister ein Kabinett, in dem die reichsten herrlichsten Anzüge hingen. Dem Giglio fiel sogleich ein vollständiges Kleid ins Auge, das in der Tat sehr reich, wiewohl, der seltsamen Buntheit halber, etwas fantastisch ins Auge fiel. Meister Bescapi meinte, dieses Kleid käme hoch zu stehen und würde dem Giglio wohl zu teuer sein. Als aber Giglio darauf bestand, das Kleid zu kaufen, den Beutel hervorzog und den Meister aufforderte, den Preis zu setzen, wie er wolle, da erklärte Bescapi, daß er den Anzug durchaus nicht fortgeben könne, da derselbe schon für einen fremden Prinzen bestimmt und zwar für den Prinzen Cornelio Chiapperi. – „Wie“, rief Giglio, ganz Begeisterung, ganz Ekstase, „wie? – was sagt Ihr? -so ist das Kleid für mich gemacht und keinen andern. Glücklicher Bescapi! – Eben der Prinz Cornelio Chiapperi ist es, der vor Euch steht und bei Euch sein innerstes Wesen, sein Ich vorgefunden!“ –

      Sowie Giglio diese Worte sprach, riß Meister Bescapi den Anzug von der Wand, rief einen seiner Burschen herbei und befahl ihm, den Korb, in den er schnell alles eingepackt, dem durchlauchtigsten Prinzen nachzutragen.

      „Behaltet“, rief der Meister, als Giglio zahlen wollte, „behaltet Euer Geld, mein hochverehrtester Prinz! – Ihr werdet Eile haben. Euer untertänigster Diener wird schon zu seinen Gelde kommen; vielleicht berichtigt der weiße Mohr die kleine Auslage! – Gott beschütze Euch mein vortrefflicher Fürst!“ –

      Giglio warf dem Meister, der ein Mal übers andere in den zierlichsten Bücklingen niedertauchte, einen stolzen Blick zu, steckte das Fortunatussäckel ein und begab sich mit dem schönen Prinzenkleide von dannen.

      Der Anzug paßte so vortrefflich, daß Giglio in der ausgelassensten Freude dem Schneiderjungen, der ihn auskleiden geholfen, einen blanken Dukaten in die Hand drückte. Der Schneiderjunge bat, ihm statt dessen ein paar gute Paolis zu geben, da er gehört, daß das Gold der Theaterprinzen nichts tauge und daß ihre Dukaten nur Knöpfe, oder Rechenpfennige wären. Giglio warf den superklugen Jungen aber zur Türe hinaus.

      Nachdem Giglio genugsam die schönsten anmutigsten Gesten vor dem Spiegel probiert, nachdem er sich auf die fantastischen Redensarten liebekranker Helden besonnen und die volle Überzeugung gewonnen, daß er total unwiderstehlich sei, begab er sich, als schon die Abenddämmerung einzubrechen begann, getrost nach dem Palast Pistoja.

      Die unverschlossene Türe wich dem Druck seiner Hand und er gelangte in eine geräumige Säulenflur, in der die Stille des Grabes herrschte. Als er verwundert ringsumher schaute, gingen aus dem tiefsten Hintergrunde seines Innern dunkle Bilder der Vergangenheit auf. Es war ihm, als sei er schon einmal hier gewesen und, da doch in seiner Seele sich durchaus nichts deutlich gestalten wollte, da alles Mühen, jene Bilder ins Auge zu fassen, vergebens blieb, da überfiel ihn ein Bangen, eine Beklommenheit, die ihm allen Mut benahm, sein Abenteuer weiter zu verfolgen.

      Schon im Begriff, den Palast zu verlassen, wäre er vor Schreck beinahe zu Boden gesunken, als ihm plötzlich sein Ich, wie in Nebel gehüllt, entgegentrat. Bald gewahrte er indessen, daß das, was er für seinen Doppelgänger hielt, sein Bild war, das ihm ein dunkler Wandspiegel entgegenwarf. Doch in dem Augenblick war es ihm aber auch, als flüsterten hundert süße Stimmchen: „O Signor Giglio, wie seid Ihr doch so hübsch, so wunderschön!“ – Giglio warf sich vor dem Spiegel in die Brust, erhob das Haupt, stemmte den linken Arm in die Seite, und rief indem er die Rechte erhob, pathetisch: „Mut, Giglio, Mut! dein Glück ist dir gewiß, eile es zu erfassen!“ – Damit begann er auf und ab zu schreiten mit schärferen und schärferen Tritten, sich zu räuspern, zu husten, aber grabesstill blieb es, kein lebendiges Wesen ließ sich vernehmen. Da versuchte er diese und jene Türe, die in die Gemächer führen mußte, zu öffnen; alle waren fest verschlossen.

      Was blieb übrig, als die breite Marmortreppe zu ersteigen, die an beiden Seiten der Flur sich zierlich hinaufwand?

      Auf dem obern Korridor, dessen Schmuck der einfachen Pracht des Ganzen entsprach, angekommen, war es dem Giglio, als vernähme er ganz aus der Ferne die Töne eines fremden seltsam klingenden Instruments – Behutsam schlich er weiter vor und bemerkte bald einen blendenden Strahl, der durch das Schlüsselloch der Türe ihm gegenüber in den Korridor fiel. Jetzt unterschied er auch, daß das, was er für den Ton eines unbekannten Instruments gehalten, die Stimme eines redenden Mannes war, die freilich gar verwunderlich klang, da es bald war, als würde eine Zimbel angeschlagen, bald als würde eine tiefe dumpfe Pfeife geblasen. Sowie Giglio sich an der Türe befand, öffnete sie sich leise – leise von selbst. Giglio trat hinein und blieb festgewurzelt stehen, im tiefsten Erstaunen –

      Giglio befand sich in einem mächtigen Saal, dessen Wände mit purpurgesprenkeltem Marmor bekleidet waren und aus dessen hoher Kuppel sich eine Ampel hinabsenkte, deren strahlendes Feuer alles mit glühendem Gold übergoß. Im Hintergrunde bildete eine reiche Draperie von Goldstoff einen Thronhimmel, unter dem auf einer Erhöhung von fünf Stufen ein vergoldeter Armsessel mit bunten Teppichen stand. Auf demselben saß jener kleine alte Mann mit langem weißen Bart, in einen Talar von Silberstoff gekleidet, der bei dem Einzuge der Prinzessin Brambilla in der goldgleißenden Tulpe den Wissenschaften oblag. So wie damals, trug er einen silbernen Trichter auf dem ehrwürdigen Haupte; so wie damals, saß eine ungeheure Brille auf seiner Nase; so wie damals, las er, wiewohl jetzt mit lauter Stimme, die eben diejenige war, welche Giglio aus der Ferne vernommen, in einem großen Buche, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Rücken eines knieenden Mohren lag. An beiden Seiten standen die Strauße wie mächtige Trabanten und schlugen, einer um den andern, dem Alten, wenn er die Seite vollendet, mit den Schnäbeln das Blatt um.

      Ringsumher im geschlossenen Halbkreis saßen wohl an hundert Damen so wunderbar schön, wie Feen und ebenso reich und herrlich gekleidet, wie diese bekanntlich einhergehen. Alle machten sehr emsig Filet. In der Mitte des Halbkreises, vor dem Alten, standen auf einem kleinen Altar von Porphyr, in der Stellung in tiefen Schlaf Versunkener, zwei kleine seltsame Püppchen mit Königskronen auf dem Haupte.

      Als Giglio sich einigermaßen von seinem Erstaunen erholt, wollte er seine Gegenwart kundtun. Kaum hatte er aber auch nur den Gedanken gefaßt zu sprechen, als er einen derben Faustschlag auf den Rücken erhielt. Zu seinem nicht geringem Schrecken wurde er jetzt erst die Reihe mit langen Spießen und kurzen Säbeln bewaffneter Mohren gewahr, in deren Mitte er stand und die ihn mit funkelnden Augen anblitzten, mit elfenbeinernen Zähnen anfletschten. Giglio sah ein, daß Geduld üben hier das beste sei. –

      Das was der Alte den Filet machenden Damen vorlas, lautete aber ungefähr, wie folgt:

      „Das feurige Zeichen des Wassermanns steht über uns, der Delphin schwimmt auf brausenden Wellen gen Osten und spritzt aus seinen Nüstern das reine Kristall in die dunstige Flut! – Es ist an der Zeit, daß ich zu euch rede von den großen Geheimnissen, die sich begaben, von dem wunderbaren Rätsel, dessen Auflösung euch rettet von unseligem Verderben. – Auf der Zinne des Turms stand der Magus Hermod und beobachtete den Lauf der Gestirne. Da schritten vier alte Männer in Talare gehüllt, deren Farbe gefallnem Laube glich, durch den Wald auf den Turm los und erhoben, als sie an den Fuß des Turms gelangt, ein gewaltiges Wehklagen. ‚Höre uns! – Höre uns, großer Hermod! – Sei nicht taub für unser Flehen, erwache aus deinem tiefen Schlaf! – Hätten wir nur die Kraft, König Ophiochs Bogen zu spannen, so schössen wir dir einen Pfeil durch das Herz, wie er es getan und du müßtest herabkommen und dürftest da oben nicht im Sturmwinde stehen, wie ein unempfindlicher Klotz! – Aber würdigster Greis! wenn du nicht aufwachen willst, so halten wir einiges Wurfgeschütz in Bereitschaft und wollen an deine Brust anpochen mit einigen mäßigen Steinen, damit sich das menschliche Gefühl rege, das darin verschlossen! – Erwache, herrlicher Greis!‘ –

      Der Magus Hermod schaute herab, lehnte sich übers Geländer und sprach mit einer Stimme, die dem dumpfen Tosen des Meeres, dem Heulen des nahenden Orkans glich: ‚Ihr Leute da unten, seid keine Esel! Ich schlafe nicht und darf nicht geweckt werden durch Pfeile und Felsenstücke. Beinahe weiß ich schon, was ihr wollt, ihr lieben Menschen! Wartet ein wenig, ich komme gleich herab. – Ihr könnt euch indessen einige Erdbeeren


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