Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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– Füge ich noch hinzu, daß niemand anders die hohe Dame Brambilla aus der Taufe gehoben, als die Königin der Tarocke, Tartagliona mit Namen, und daß Pulcinella sie das Lautenspiel gelehrt, so wißt ihr genug, um außer euch zu geraten – tut es, Leute! – Vermöge meiner geheimen Wissenschaften, der weißen, schwarzen, gelben und blauen Magie, weiß ich, daß sie gekommen ist, weil sie glaubt, unter den Masken des Korso ihren Herzensfreund und Bräutigam, den assyrischen Prinzen Cornelio Chiapperi aufzufinden, der Äthiopien verließ, um sich hier in Rom einen Backzahn ausreißen zu lassen, welches ich glücklich vollbrachte! – Seht ihn hier vor Augen!“ – Celionati öffnete ein kleines goldnes Schächtelchen, holte einen sehr weißen langen spitzen Zahn heraus und hielt ihn hoch in die Höhe. Das Volk schrie laut auf vor Freude und Entzücken und kaufte begierig die Modelle des prinzlichen Zahns, die der Ciarlatano nun feilbot. „Seht“, fuhr Celionati dann fort, „seht, ihr Guten, nachdem der assyrische Prinz Cornelio Chiapperi die Operation mit Standhaftigkeit und Sanftmut ausgehalten, kam er sich selbst, er wußte nicht wie, abhanden. – Sucht, Leute, sucht, Leute, den assyrischen Prinzen Cornelio Chiapperi, sucht ihn in euern Stuben, Kammern, Küchen, Kellern, Schränken und Schubladen! – Wer ihn findet und der Prinzessin Brambilla unversehrt wiederbringt, erhält ein Fundgeld von fünfmal hunderttausend Dukaten. So viel hat Prinzessin Brambilla auf seinen Kopf gesetzt, den angenehmen, nicht geringen Inhalt an Verstand und Witz ungerechnet. – Sucht, Leute, sucht! – Aber vermöget ihr den assyrischen Prinzen, Cornelio Chiapperi, zu entdecken, wenn er euch auch vor der Nase steht? – Ja! – vermöget ihr die durchlauchtigste Prinzessin zu erschauen, wenn sie auch dicht vor euch wandelt? – Nein, das vermöget ihr nicht, wenn ihr euch nicht der Brillen bedient, die der weise indische Magier Ruffiamonte selbst geschliffen; und damit will ich euch aus purer Nächstenliebe und Barmherzigkeit aufwarten, insofern ihr die Paoli nicht achtet –“ Und damit öffnete der Ciarlatano eine Kiste und brachte eine Menge unmäßig großer Brillen zum Vorschein.

      Hatte das Volk sich schon um die prinzlichen Backzähne gar arg gezankt, so geschah es nun noch viel ärger um die Brillen. Vom Zanken kam es zum Stoßen und Schlagen, bis zuletzt, nach italischer Art und Weise, die Messer blinkten, so daß die Sbirren abermals ins Mittel treten und das Volk, wie erst vor dem Palast Pistoja, auseinandertreiben mußten.

      Während sich dies alles begab, stand Giglio Fava, in tiefe Träume versunken, noch immer vor dem Palast Pistoja und starrte die Mauern an, die den seltsamsten aller Maskenzüge, und zwar auf ganz unerklärliche Weise, verschlungen. Wunderbar wollt es ihm gemuten, daß er eines gewissen unheimlichen und dabei doch süßen Gefühls, das sich seines Innern ganz und gar bemeistert, nicht Herr werden konnte; noch wunderbarer, daß er willkürlich den Traum von der Prinzessin, die, dem Blitz des Feuergewehrs entfunkelt, sich ihm in die Arme warf, mit dem abenteuerlichen Zuge in Verbindung setzte, ja daß eine Ahndung in ihm aufging, in der Kutsche mit den Spiegelfenstern habe eben niemand anders gesessen, als sein Traumbild. – Ein sanfter Schlag auf die Schulter weckte ihn aus seinen Träumereien; der Ciarlatano stand vor ihm.

      „Ei“, begann Celionati, „ei, mein guter Giglio, Ihr habt nicht wohl getan, mich zu verlassen, mir keinen prinzlichen Backzahn, keine magische Brille abzukaufen –“ „Geht doch“, erwiderte Giglio, „geht doch mit Euern Kinderpossen, mit dem wahnsinnigen Zeuge, das Ihr dem Volke aufschwatzt, um Euren nichtswürdigen Kram loszuwerden!“ – „Hoho“, sprach Celionati weiter, „tut nur nicht so stolz, mein junger Herr! Ich wollte, Ihr hättet aus meinem Kram, den nichtswürdig zu nennen Euch beliebt, manch treffliches Arkanum, vorzüglich aber denjenigen Talisman, der Euch die Kraft verliehe, ein vortrefflicher, guter, oder wenigstens leidlicher Schauspieler zu sein, da es Euch nun wieder beliebt, zur Zeit gar erbärmlich zu tragieren!“ „Was?“ rief Giglio ganz erbost, „was? Signor Celionati, Ihr untersteht Euch, mich für einen erbärmlichen Schauspieler zu halten? mich, der ich der Abgott Roms bin?“ „Püppchen!“ erwiderte Celionati sehr ruhig, „Püppchen, das bildet Ihr Euch nur ein; es ist kein wahres Wort daran. Ist Euch aber auch manchmal ein besonderer Geist aufgegangen, der Euch manche Rolle gelingen ließ, so werdet Ihr das bißchen Beifall, oder Ruhm, das Ihr dadurch gewannt, heute unwiederbringlich verlieren. Denn seht. Ihr habt Euern Prinzen ganz und gar vergessen, und, steht vielleicht sein Bildnis noch in Euerm Innern, so ist es farblos, stumm und starr geworden, und Ihr vermöget nicht, es ins Leben zu rufen. Euer ganzer Sinn ist erfüllt von einem seltsamen Traumbild, von dem Ihr nun meint, es sei in der Glaskutsche dort in den Palast Pistoja hineingefahren. – Merkt Ihr, daß ich Euer Inneres durchschaue?“ –

      Giglio schlug errötend dieAugen nieder. „Signor Celionati“, murmelte er, „Ihr seid in der Tat ein sehr seltsamer Mensch. Es müssen Euch Wunderkräfte zu Gebote stehen, die Euch meine geheimsten Gedanken erraten lassen – Und dann wieder Euer närrisches Tun und Treiben vor dem Volk – Ich kann das nicht zusammenreimen – doch – gebt mir eine von Euern großen Brillen!“-

      Celionati lachte laut auf. „So“, rief er, „so seid ihr nun alle, ihr Leute! Lauft ihr umher mit hellem Kopf und gesundem Magen, so glaubt ihr an nichts, als was ihr mit euern Händen fassen könnt; packt euch aber geistige, oder leibliche Indigestion, so greift ihr begierig nach allem, was man euch darbietet. Hoho! Jener Professore, der auf meine und auf alle sympathetische Mittel in der Welt seinen Bannstrahl schießen ließ, schlich Tages darauf in grämlich pathetischem Ernst nach der Tiber und warf, wie es ihm ein altes Bettelweib geraten, seinen linken Pantoffel ins Wasser, weil er glaubte damit das böse Fieber zu ertränken, das ihn so arg plagte; und jener weiseste Signor aller weiser Signoris trug Kreuzwurzelpulver in dem Mantelzipfel, um besser Ballon zu schlagen. – Ich weiß es, Signor Fava, Ihr wollt durch meine Brille die Prinzessin Brambilla, Euer Traumbild, schauen; doch das wird Euch zur Stunde nicht gelingen! – Indessen nehmt und versucht’s!“

      Voll Begier ergriff Giglio die schöne glänzende übergroße Brille, die ihm Celionati darbot und schaute nach dem Palast. Wunderbar genug schienen die Mauern des Palastes durchsichtiges Kristall zu werden; aber nichts, als ein buntes undeutliches Gewirre von allerlei seltsamen Gestalten stellte sich ihm dar und nur zuweilen zuckte ein elektrischer Strahl durch sein Innres, das holde Traumbild verkündend, das sich vergebens dem tollen Chaos entringen zu wollen schien.

      „Alle böse Teufel der Hölle, Euch in den Hals zu jagen!“ schrie plötzlich eine fürchterliche Stimme, dicht neben dem ins Schauen versunkenen Giglio, der sich zugleich bei den Schultern gepackt fühlte, „alle böse Teufel Euch in den Hals! – Ihr stürzt mich ins Verderben. In zehn Minuten muß der Vorhang in die Höhe; Ihr habt die erste Szene und Ihr steht hier und gafft, ein aberwitziger Narr, die alten Mauern des öden Palastes an!“-

      Es war der Impresario des Theaters, auf dem Giglio spielte, der im Schweiß der Todesangst ganz Rom durchlaufen, um den verschollenen primo amoroso zu suchen und ihn endlich da fand, wo er ihn am wenigsten vermutet.

      „Halt einen Augenblick!“ rief Celionati und packte ebenfalls mit ziemlicher Handfestigkeit den armen Giglio bei den Schultern, der, ein eingerammter Pfahl, sich nicht zu rühren vermochte, „halt einen Augenblick!“ Und dann leiser: „Signor Giglio, es ist möglich, daß Ihr morgen auf dem Korso Euer Traumbild seht. Aber Ihr wäret ein großer Tor, wenn Ihr Euch in einer schönen Maske herausschniegeln wolltet, das würde Euch um den Anblick der Schönsten bringen. Je abenteuerlicher, je abscheulicher, desto besser! eine tüchtige Nase, die mit Anstand und Seelenruhe meine Brille trägt! denn die dürft Ihr ja nicht vergessen!“ –

      Celionati ließ den Giglio los und im Nu brauste der Impresario mit seinem Amoroso fort, wie ein Sturmwind.

      Gleich andern Tages unterließ Giglio nicht, sich eine Maske zu verschaffen, die ihm, nach Celionatis Rat, abenteuerlich und abscheulich genug schien. Eine seltsame mit zwei hohen Hahnfedern geschmückte Kappe, dazu eine Larve mit einer roten, in hakenförmigem Bau und unbilliger Länge und Spitze alle Exzesse der ausgelassensten Nasen überbietend, ein Wams mit dicken Knöpfen, dem des Brighella nicht unähnlich, ein breites hölzernes Schwert – Giglios Selbstverleugnung, alles dieses anzulegen, hörte auf, als nun erstlich ein weites, bis auf die Pantoffeln herabreichendes Beinkleid, das zierlichste Piedestal verhüllen sollte, auf dem jemals ein primo amoroso gestanden und einhergegangen. „Nein“, rief Giglio, „nein, es ist nicht möglich, daß die Durchlauchtige nichts halten auf proportionierten Wuchs, daß sie nicht


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