Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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drum bitte ich Euch, geht hinab und schaut meine Pantomime! Vielleicht heitert Euch das auf, oder Ihr ändert vielleicht Eure Gesinnung und werdet wieder mein, wiewohl auf ganz andere Weise; denn möglich wär es ja, daß – doch geht nur, geht! – Hier habt Ihr eine Marke, besucht mein Theater, sooft es Euch gefällt!“

      Giglio tat, wie ihm geheißen, mehr aus dumpfer Gleichgültigkeit gegen alles, was ihn umgab, als aus Lust, die Pantomime wirklich zu schauen.

      Unfern von ihm standen zwei Masken in eifrigem Gespräch begriffen. Giglio hörte öfters seinen Namen nennen; das weckte ihn aus seiner Betäubung, er schlich näher heran, indem er den Mantel bis an die Augen übers Gesicht schlug, um unerkannt alles zu erlauschen.

      „Ihr habt recht“, sprach der eine, „Ihr habt recht: der Fava ist schuld daran, daß wir auf diesem Theater keine Trauerspiele mehr sehen. Diese Schuld möchte ich aber keinesweges, wie Ihr, in seinem Abtreten von der Bühne, sondern vielmehr in seinem Auftreten suchen und finden.“ „Wie meint Ihr das?“ fragte der andere. „Nun“, fuhr der erste fort, „ich für mein Teil habe diesen Fava, unerachtet es ihm nur zu oft gelang, Furore zu erregen, immer für den erbärmlichsten Schauspieler gehalten, den es jemals gab. Machen ein paar blitzende Augen, wohlgestaltete Beine, ein zierlicher Anzug, bunte Federn auf der Mütze und tüchtige Bänder auf den Schuhen denn den jungen tragischen Helden? In der Tat, wenn der Fava so mit abgemessenen Tänzerschritten vorkam aus dem Grunde des Theaters, wenn er, keinen Mitspieler beachtend, nach den Logen schielte und, in seltsam gezierter Stellung verharrend, den Schönsten Raum gab, ihn zu bewundern, wahrhaftig, dann kam er mir vor, wie ein junger, närrisch bunter Haushahn, der in der Sonne stolz und sich gütlich tut. Und wenn er dann mit verdrehten Augen, mit den Händen die Lüfte durchsägend, bald sich auf den Fußspitzen erhebend, bald wie ein Taschenmesser zusammenklappend, mit hohler Stimme die Verse holpricht und schlecht hertragierte, sagt, welches vernünftigen Menschen Brust konnte dadurch wahrhaft erregt werden? – Aber wir Italiener sind nun einmal so; wir wollen das Übertriebene, das uns einen Moment gewaltsam erschüttere und das wir verachten, sobald wir innewerden, daß das, was wir für Fleisch und Bein hielten, nur eine leblose Puppe ist, die an künstlichen Drähten von außen her gezogen, uns mit ihren seltsamen Bewegungen täuschte. So wär’s auch mit dem Fava gegangen; nach und nach wär er elendiglich dahingestorben, hätt er nicht selbst seinen frühern Tod beschleunigt.“ „Mich dünkt“, nahm der andere das Wort, „mich dünkt, Ihr beurteilt den armen Fava viel zu hart. Wenn Ihr ihn eitel, geziert scheltet, wenn Ihr behauptet, daß er niemals seine Rolle, sondern nur sich selbst spielte, daß er auf eben nicht lobenswerte Weise nach Beifall haschte, so möget Ihr allerdings recht haben; doch war er ein ganz artiges Talent zu nennen, und, daß er zuletzt in tollen Wahnsinn verfiel, das nimmt doch wohl unser Mitleid in Anspruch und zwar um so mehr, als die Anstrengung des Spiels doch wohl die Ursache seines Wahnsinns ist.“ „Glaubt das“, erwiderte der erste lachend, „glaubt doch das ja nicht! Möget Ihr es Euch wohl vorstellen, daß Fava wahnsinnig wurde aus purer Liebeseitelkeit? – Er glaubt, daß eine Prinzessin in ihn verliebt ist, der er jetzt nachläuft auf Stegen und Wegen. – Und dabei ist er aus purer Taugenichtserei verarmt, so daß er heute bei den Fritterolis Handschuhe und Hut zurücklassen mußte , für ein Gericht zäher Makkaroni.“ „Was sagt Ihr?“ rief der andere, „ist es möglich, daß es solche Tollheiten gibt? – Aber man sollte dem armen Giglio, der uns doch manchen Abend vergnügt hat, etwas zufließen lassen, auf diese und jene Weise. Der Hund von Impresario, dem er manchen Dukaten in die Tasche gespielt, sollte sich seiner annehmen und ihn wenigstens nicht darben lassen.“ „Ist nicht nötig“, sprach der erste; „denn die Prinzessin Brambilla, die seinen Wahnsinn und seine Not kennt, hat, wie nun Weiber jede Liebestorheit nicht allein verzeihlich, sondern gar hübsch finden und dem Mitleid sich dann nur zu gern hingeben, ihm soeben einen kleinen, mit Dukaten gefüllten Beutel zustecken lassen.“ – Mechanisch, willenlos, faßte Giglio, als der Fremde diese Worte sprach, nach der Tasche und fühlte in der Tat den kleinen mit klimpernden Golde gefüllten Beutel, den er von der träumerischen Prinzessin Brambilla empfangen haben sollte. Wie ein elektrischer Schlag fuhr es ihm durch alle Glieder. Nicht der Freude über das willkommene Wunder, das ihn auf einmal aus seiner trostlosen Lage rettete, konnte er Raum geben, da das Entsetzen ihn eiskalt anwehte. Er sah sich unbekannten Mächten zum Spielwerk hingegeben, er wollte losstürzen auf die fremde Maske, bemerkte aber auch in demselben Augenblick, daß die beiden Masken, die das verhängnisvolle Gespräch führten, spurlos verschwunden.

      Den Beutel aus der Tasche zu ziehen und sich noch triftiger von seiner Existenz zu überzeugen, das wagte Giglio gar nicht, fürchtend, das Blendwerk würde in seinen Händen zerfließen in nichts. Indem er sich nun aber ganz seinen Gedanken überließ und nach und nach ruhiger wurde, dachte er daran, daß alles das, was er für den Spuk neckhafter Zaubermächte zu halten geneigt, auf ein Possenspiel hinauslaufen könne, das am Ende der abenteuerliche, launische Celionati aus dem tiefen dunklen Hintergrunde heraus an ihm nur unsichtbaren Faden leite. Er dachte daran, daß der Fremde ja selbst ihm sehr gut im Gewühl der Menschenmasse das Beutelchen habe zustecken können, und daß alles, was er von der Prinzessin Brambilla gesagt, eben die Fortsetzung der Neckerei sei, welche Celionati begonnen. Indem sich nun aber in seinem Innern der ganze Zauber ganz natürlich zum Gemeinen wenden und darin auflösen wollte, kam ihm auch der ganze Schmerz der Wunden wieder, die der scharfe Kritiker ihm schonungslos geschlagen. Die Hölle der Schauspieler kann keine entsetzlichern Qualen haben, als recht ins Herz hineingeführte Angriffe auf ihre Eitelkeit. Und selbst das Angreifbare dieses Punkts, das Gefühl der Blöße, mehrt im gesteigerten Unmut den Schmerz der Streiche, der es dem Getroffenen, sucht er ihn auch zu verbeißen, oder ihn durch schickliche Mittel zu beschwichtigen, eben recht fühlbar macht, daß er wirklich getroffen wurde. – So konnte Giglio das fatale Bild von dem jungen, närrisch bunten Haushahn, der sich wohlgefällig in der Sonne spreizt, nicht loswerden und ärgerte und grämte sich darüber ganz gewaltig eben deshalb, weil er im Innern, ohne es zu wollen, vielleicht anerkennen mußte, daß die Karikatur wirklich dem Urbilde entnommen.

      Gar nicht fehlen konnt es, daß Giglio in dieser gereizten Stimmung kaum auf das Theater sah und der Pantomime nicht achtete, wenn auch der Saal oft von dem Lachen, von dem Beifall, von dem Freudengeschrei der Zuschauer erdröhnte.

      Die Pantomime stellte nichts anderes dar, als die in hundert und abermal hundert Variationen wiederholten Liebesabenteuer des vortrefflichen Arlecchino, mit der süßen, neckisch holden Colombina. Schon hatte des alten reichen Pantalons reizende Tochter die Hand des blanken geputzten Ritters, des weisen Dottores ausgeschlagen und rundweg erklärt, sie werde nun durchaus keinen andern lieben und heiraten, als den kleinen, gewandten Mann mit schwarzem Gesicht und im aus hundert Lappen zusammengeflickten Wams; schon hatte Arlecchino mit seinem treuen Mädchen die Flucht ergriffen und war, von einem mächtigen Zauber beschirmt, den Verfolgungen Pantalons, Truffaldins, des Dottore, des Ritters glücklich entronnen. Es stand an dem, daß doch endlich Arlecchino mit seiner Trauten kosend von den Sbirren ertappt und samt ihr ins Gefängnis geschleppt werden sollte. Das geschah nun auch wirklich; aber in dem Augenblick, da Pantalon mit seinem Anhang das arme Paar recht verhöhnen wollte, da Colombina, ganz Schmerz, unter tausend Tränen auf den Knien um ihren Arlecchino flehte, schwang dieser die Pritsche und es kamen von allen Seiten, aus der Erde, aus den Lüften, sehr schmucke blanke Leute, von dem schönsten Ansehen, bückten sich tief vor Arlecchino und führten ihn samt der Colombina im Triumph davon. Pantalon, starr vor Erstaunen, läßt sich nun ganz erschöpft auf eine steinerne Bank nieder, die im Gefängnisse befindlich, ladet den Ritter und den Dottore ein, ebenfalls Platz zu nehmen; alle drei beratschlagen, was nun zu tun noch möglich.

      Truffaldin stellt sich hinter sie, steckt neugierig den Kopf dazwischen, will nicht weichen, unerachtet es reichliche Ohrfeigen regnet von allen Seiten. Nun wollen sie aufstehen, sind aber festgezaubert an die Bank, der augenblicklich ein Paar mächtige Flügel wachsen. Auf einem Ungeheuern Geier fährt unter lautem Hülfsgeschrei die ganze Gesellschaft fort, durch die Lüfte. – Nun verwandelt sich das Gefängnis in einen offnen, mit Blumenkränzen geschmückten Säulensaal, in dessen Mitte ein hoher, reichverzierter Thron errichtet. Man hört eine anmutige Musik von Trommeln, Pfeifen und Zimbeln. Es naht sich ein glänzender Zug; Arlecchino wird auf einem Palankin von Mohren getragen, ihm folgt Colombina auf einem prächtigen Triumphwagen. Beide werden von reichgekleideten Ministern auf den Thron


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