Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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Tigerkatzenpfote hervorzustrecken wußte und dadurch die Herzen der Damen schon vor seiner Verwandlung gewann! – Was bei ihm die Hand, ist bei mir der Fuß!“ – Darauf legte Giglio ein hübsches himmelblau seidnes Beinkleid mit dunkelroten Schleifen, dazu aber rosenfarbne Strümpfe und weiße Schuhe mit luftigen dunkelroten Bändern an, welches wohl ganz hübsch aussah, doch aber ziemlich seltsam abstach gegen den übrigen Anzug.

      Giglio glaubte nicht anders, als daß ihm Prinzessin Brambilla entgegentreten werde in voller Pracht und Herrlichkeit, umgeben von dem glänzendsten Gefolge; da er aber nichts davon gewahrte, dachte er wohl daran, daß, da Celionati gesagt, er werde nur mittelst der magischen Brille die Prinzessin zu erschauen vermögen, dies auf irgendeine seltsame Verkappung deute, in die sich die Schönste gehüllt.

      Nun lief Giglio den Korso auf und ab, jede weibliche Maske musternd, aller Neckereien nicht achtend, bis er endlich in eine entlegenere Gegend geriet. „Bester Signor, mein teurer, bester Signor!“ hörte er sich angeschnarrt. Ein Kerl stand vor ihm, der in toller Possierlichkeit alles überbot, was er jemals von dergleichen gesehen. Die Maske mit dem spitzen Bart, der Brille, dem Ziegenhaar, so wie die Stellung des Körpers, vorgebeugt mit krummem Rücken, den rechten Fuß vorgeschoben, schien einen Pantalon anzudeuten; dazu wollte aber der vorne spitzzulaufende, mit zwei Hahnfedern geschmückte Hut nicht passen. Wams, Beinkleid, das kleine hölzerne Schwert an der Seite, gehörte offenbar dem werten Pulcinell an.

      „Bester Signor“, redete Pantalon (so wollen wir die Maske, trotz des veränderten Kostüms, nennen) den Giglio an, „mein bester Signor! ein glücklicher Tag, der mir das Vergnügen, die Ehre schenkt, Sie zu erblicken! Sollten Sie nicht zu meiner Familie gehören?“ „Sosehr“, erwiderte Giglio, sich höflich verbeugend, „sosehr mich das entzücken würde, da Sie, mein bester Signor, mir über alle Maßen Wohlgefallen, so weiß ich doch nicht, in welcher Art irgendeine Verwandtschaft –“ „O Gott!“ unterbrach Pantalon den Giglio, „o Gott! bester Signor, waren Sie jemals in Assyrien?“ „Eine dunkle Erinnerung“, antwortete Giglio, „schwebt mir vor, als sei ich einmal auf der Reise dahin begriffen gewesen, aber nur bis nach Frascati gekommen, wo der Spitzbube von Vetturin mich vor dem Tore umwarf, so daß diese Nase –“ „O Gott!“ schrie Pantalon, „so ist es denn wahr? – Diese Nase, diese Hahnfedern – mein teuerster Prinz – o mein Cornelio! – Doch ich sehe, Sie erbleichen vor Freude, mich wiedergefunden zu haben – o mein Prinz! nur ein Schlückchen, ein einziges Schlückchen!“ –

      Damit hob Pantalon die große Korbflasche auf, die vor ihm stand und reichte sie dem Giglio hin. Und in dem Augenblick stieg ein feiner rötlicher Duft aus der Flasche, und verdichtete sich zum holden Antlitz der Prinzessin Brambilla und das liebe kleine Bildlein stieg herauf, doch nur bis an den Leib, und streckte die kleinen Ärmchen aus nach dem Giglio. Der, vor Entzücken ganz außer sich, rief: „O steige doch nur ganz herauf, daß ich dich erschauen möge in deiner Schönheit!“ Da dröhnte ihm eine starke Stimme in die Ohren: „Du hasenfüßiger Geck mit deinem Himmelblau und Rosa, wie magst du dich nur für den Prinzen Cornelio ausgeben wollen! – Geh nach Haus, schlaf aus, du Tölpel!“ – „Grobian!“ fuhr Giglio auf; doch Masken wogten, drängten dazwischen und spurlos war Pantalon samt der Flasche verschwunden.

      Zweites Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Von dem seltsamen Zustande, in den geraten, man sich die Füße an spitzen Steinen wund stößt, vornehme Leute zu grüßen unterläßt und mit dem Kopf an verschlossene Türen anrennt. – Einfluß eines Gerichts Makkaroni auf Liebe und Schwärmerei. – Entsetzliche Qualen der Schauspieler-Hölle und Arlecchino. – Wie Giglio sein Mädchen nicht fand, sondern von Schneidern überwältigt und zur Ader gelassen wurde. – Der Prinz in der Konfektschachtel und die verlorne Geliebte. – Wie Giglio der Ritter der Prinzessin Brambilla sein wollte, weil ihm eine Fahne aus dem Rücken gewachsen.

      Du magst, geliebter Leser! nicht zürnen, wenn der, der es unternommen, dir die abenteuerliche Geschichte von der Prinzessin Brambilla gerade so zu erzählen, wie er sie in Meister Callots kecken Federstrichen angedeutet fand, dir geradehin zumutet, daß du wenigstens bis zu den letzten Worten des Büchleins dich willig dem Wunderbaren hingeben, ja sogar was weniges davon glauben mögest. – Doch vielleicht hast du schon in dem Augenblick, als das Märchen sich einlogiert im Palast Pistoja, oder als die Prinzessin aus dem bläulichen Duft der Weinflasche gestiegen, ausgerufen: „Tolles fratzenhaftes Zeug!“ und das Buch ohne Rücksicht auf die artigen Kupferblätter unmutig weggeworfen? – Da käme denn alles, was ich dir zu sagen im Begriff stehe, um dich für die seltsamlichen Zaubereien des Callotschen Capriccios zu gewinnen, zu spät und das wäre in der Tat schlimm genug für mich und für die Prinzessin Brambilla! Doch vielleicht hofftest du, daß der Autor, nur scheu geworden durch irgendein tolles Gebilde, das ihm wieder plötzlich in den Weg trat, einen Seitenweg machte ins wilde Dickicht und daß er, zur Besonnenheit gelangt, wieder einlenken würde in den breiten ebenen Weg, und das vermochte dich, weiterzulesen! – Glück zu! – Nun kann ich dir sagen, günstiger Leser! daß es mir (vielleicht weißt du es auch aus eigner Erfahrung) schon hin und wieder gelang, märchenhafte Abenteuer gerade in dem Moment, als sie, Luftbilder des aufgeregten Geistes, in nichts verschwimmen wollten, zu erfassen und zu gestalten, daß jedes Auge, mit Sehkraft begabt für dergleichen, sie wirklich im Leben schaute und eben deshalb daran glaubte. Daher mag mir der Mut kommen, meinen gemütlichen Umgang mit allerlei abenteuerlichen Gestalten und zu vielen genugsam tollen Bildern fernerhin öffentlich zu treiben, selbst die ernsthaftesten Leute zu dieser seltsam bunten Gesellschaft einzuladen und du wirst, sehr geliebter Leser, diesen Mut kaum für Übermut, sondern nur für das verzeihliche Streben halten können, dich aus dem engen Kreise gewöhnlicher Alltäglichkeit zu verlocken und dich in fremdem Gebiet, das am Ende doch eingehegt ist in das Reich, welches der menschliche Geist im wahren Leben und Sein nach freier Willkür beherrscht, auf ganz eigne Weise zu vergnügen. – Doch, sollte dies alles nicht gelten dürfen, so kann ich in der Angst, die mich befallen, mich nur auf sehr ernsthafte Bücher berufen, in denen Ähnliches vorkommt und gegen deren vollkommene Glaubwürdigkeit man nicht den mindesten Zweifel zu erheben vermag. Was nämlich den Zug der Prinzessin Brambilla betrifft, der mit allen Einhörnern, Pferden und sonstigem Fuhrwerk ohne Hindernis durch die engen Pforten des Palastes Pistoja passiert, so ist schon in Peter Schlemihls wundersamer Geschichte, deren Mitteilung wir dem wackern Weltumsegler Adalbert von Chamisso verdanken, von einem gewissen gemütlichen grauen Mann die Rede, der ein Kunststück machte, welches jenen Zauber beschämt. Er zog nämlich, wie bekannt, auf Begehren, englisches Pflaster, Tubus, Teppich, Zelt, zuletzt Wagen und Rosse, ganz bequem ohne Hindernis, aus derselben Rocktasche. – Was nun aber die Prinzessin betrifft – Doch genug! – Zu erwähnen wäre freilich noch, daß wir im Leben oft plötzlich vor dem geöffneten Tor eines wunderbaren Zauberreichs stehen, daß uns Blicke vergönnt sind in den innersten Haushalt des mächtigen Geistes, dessen Atem uns in den seltsamsten Ahnungen geheimnisvoll umweht; du könntest aber, geliebter Leser, vielleicht mit vollem Recht behaupten, du hättest niemals aus jenem Tor ein solches tolles Capriccio ziehen sehen, als ich es geschaut zu haben vermeine. Fragen will ich dich daher lieber, ob dir niemals in deinem Leben ein seltsamer Traum aufstieg, dessen Geburt du weder dem verdorbenen Magen, noch dem Geist des Weins, oder des Fiebers zuschreiben konntest? aber es war, als habe das holde magische Zauberbild, das sonst nur in fernen Ahnungen zu dir sprach, in geheimnisvoller Vermählung mit deinem Geist sich deines ganzen Innern bemächtigt, und in scheuer Liebeslust trachtetest und wagtest du nicht, die süße Braut zu umfangen, die im glänzenden Schmuck eingezogen in die trübe, düstre Werkstatt der Gedanken – die aber ginge auf vor dem Glanz des Zauberbildes in hellem Schimmer, und alles Sehnen, alles Hoffen, die inbrünstige Begier, das Unaussprechliche zu fahen, würde wach und rege und zuckte auf in glühenden Blitzen, und du wolltest untergehen in unnennbarem Weh, und nur sie, nur das holde Zauberbild sein! – Half es, daß du aus dem Traum erwachtest? – Blieb dir nicht das namenlose Entzücken, das im äußern Leben, ein schneidender Schmerz, die Seele durchwühlt, blieb dir das nicht zurück? Und alles um dich her erschien dir öde, traurig, farblos? und du wähntest, nur jener Traum sei dein eigentliches Sein, was du aber sonst für dein Leben gehalten,


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