Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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      Sowie der Zug auf das Theater kam, warf Giglio einen Blick hinauf und konnte nun ganz Verwunderung und Erstaunen den Blick nicht mehr abwenden, als er alle Personen aus dem Aufzuge der Prinzessin Brambilla wahrnahm, die Einhörner, die Mohren, die Filet machenden Damen auf Maultieren u. s. Auch fehlte nicht der ehrwürdige Gelehrte und Staatsmann in der goldgleißenden Tulpe, der vorüberfahrend aufsah von dem Buch und dem Giglio freundlich zuzunicken schien. Nur statt der verschlossenen Spiegelkutsche der Prinzessin, fuhr Colombina daher auf dem offnen Triumphwagen! –

      Aus Giglios Innersten heraus wollte sich eine dunkle Ahnung gestalten, daß auch diese Pantomime mit allem dem Wunderlichen, das ihm geschehen, wohl im geheimnisvollen Zusammenhang stehen möge; aber so wie der Träumende vergebens strebt die Bilder festzuhalten, die aus seinem eignen Ich aufsteigen, so konnte auch Giglio zu keinen deutlichen Gedanken kommen, auf welche Weise jener Zusammenhang möglich. –

      Im nächsten Caffè überzeugte Giglio sich, daß die Dukaten der Prinzessin Brambilla kein Blendwerk, vielmehr von gutem Klange und Gepräge waren. – „Hm!“ dachte er, „Celionati hat mir das Beutelchen zugesteckt aus großer Gnade und Barmherzigkeit, und ich will ihm die Schuld abtragen, sobald ich auf der Argentina glänzen werde, was mir wohl nicht fehlen kann, da nur der grimmigste Neid, die schonungsloseste Kabale, mich für einen schlechten Schauspieler ausschreien darf!“ – Die Vermutung, daß das Geld wohl von Celionati herrühre, hatte ihren richtigen Grund; denn in der Tat hatte der Alte ihm schon manchmal aus großer Not geholfen. Sonderbar wollt es ihm indessen doch gemuten, als er auf dem zierlichen Beutel die Worte gestickt fand: Gedenke deines Traumbilds! – Gedankenvoll betrachtete er die Inschrift, als ihm einer ins Ohr schrie: „Endlich treffe ich dich, du Verräter, du Treuloser, du Ungeheuer von Falschheit und Undank!“ – Ein unförmlicher Dottore hatte ihn gefaßt, nahm nun ohne Umstände neben ihm Platz und fuhr fort in allerlei Verwünschungen. „Was wollt Ihr von mir? seid Ihr toll, rasend?“ So rief Giglio; doch nun nahm der Dottore die häßliche Larve vom Gesicht und Giglio erkannte die alte Beatrice. „Um aller Heiligen willen“, rief Giglio ganz außer sich! „seid Ihr es, Beatrice? – wo ist Giacinta? wo ist das holde, süße Kind? – mein Herz bricht in Liebe und Sehnsucht! wo ist Giacinta?“ – „Fragt nur“, erwiderte die Alte mürrisch, „fragt nur, unseliger, verruchter Mensch! Im Gefängnis sitzt die arme Giacinta und verschmachtet ihr junges Leben und Ihr seid an allem schuld. Denn, hatte sie nicht das Köpfchen voll von Euch, konnte sie die Abendstunde erwarten, so stach sie sich nicht, als sie den Besatz an dem Kleide der Prinzessin Brambilla nähte, in den Finger, so kam der garstige Fleck nicht hinein, so konnte der würdige Meister Bescapi, den die Hölle verschlingen möge, nicht den Ersatz des Schadens von ihr verlangen, konnte sie nicht, da wir das viele Geld, das er verlangte, nicht aufzubringen vermochten, ins Gefängnis stecken lassen. – Ihr hättet Hülfe schaffen können – aber da zog der Herr Schauspieler Taugenichts die Nase zurück –“ „Halt!“ unterbrach Giglio die geschwätzige Alte, „deine Schuld ist es, daß du nicht zu mir ranntest, mir alles sagtest. Mein Leben für die Holde! – Wär es nicht Mitternacht, ich liefe hin zu dem abscheulichen Bescapi – diese Dukaten – mein Mädchen wäre frei in der nächsten Stunde; doch, was Mitternacht? Fort, fort, sie zu retten!“ – Und damit stürmte Giglio fort. Die Alte lachte ihm höhnisch nach. –

      Wie es sich aber wohl begibt, daß wir in gar zu großem Eifer, etwas zu tun, gerade die Hauptsache vergessen, so fiel es auch dem Giglio erst dann ein, als er durch die Straßen von Rom sich atemlos gerannt, daß er sich nach Bescapis Wohnung bei der Alten hätte erkundigen sollen, da dieselbe ihm durchaus unbekannt war. Das Schicksal, oder der Zufall wollte es jedoch, daß er, endlich auf den spanischen Platz geraten, gerade vor Bescapis Hause stand, als er laut ausrief: „Wo nur der Teufel, der Bescapi wohnen mag!“ – Denn sogleich nahm ihn ein Unbekannter unter den Arm und führte ihn ins Haus, indem er ihm sagte, daß Meister Bescapi eben dort wohne und er noch sehr gut die vielleicht bestellte Maske erhalten könne. Ins Zimmer hineingetreten bat ihn der Mann, da Meister Bescapi nicht zu Hause, selbst den Anzug zu bezeichnen, den er für sich bestimmt; vielleicht wär’s ein simpler Tabarro oder sonst – Giglio fuhr aber dem Mann, der nichts anders war, als ein sehr würdiger Schneidergeselle, über den Hals und sprach so viel durcheinander von Blutfleck und Gefängnis und Bezahlen und augenblicklicher Befreiung, daß der Geselle ganz starr und verblüfft ihm in die Augen sah, ohne ihm eine Silbe erwidern zu können. „Verdammter! du willst mich nicht verstehen; schaff mir deinen Herrn, den teuflischen Hund zur Stelle!“ So schrie Giglio, und packte den Gesellen. Da ging es ihm aber gerade wie in Signor Pasqualis Hause. Der Geselle brüllte dermaßen, daß von allen Seiten die Leute herbeiströmten. Bescapi selbst stürzte hinein; sowie aber der den Giglio erblickte, rief er: „Um aller Heiligen willen, es ist der wahnsinnige Schauspieler, der arme Signor Fava. Packt an, Leute, packt an!“ – Nun fiel alles über ihn her, man überwältigte ihn leicht, band ihm Hände und Füße und legte ihn auf ein Bett. Bescapi trat zu ihm; den sprudelte er an mit tausend bittern Vorwürfen über seinen Geiz, über seine Grausamkeit und sprach vom Kleide der Prinzessin Brambilla, vom Blutfleck, vom Bezahlen u. s. „Beruhigt Euch doch nur“, sprach Bescapi sanft, „beruhigt Euch doch nur, bester Signor Giglio, laßt die Gespenster fahren, die Euch quälen! In wenigen Augenblicken wird Euch alles ganz anders vorkommen.“ –

      Was Bescapi damit gemeint, zeigte sich bald; denn ein Chirurgus trat hinein und schlug dem armen Giglio, alles Sträubens unerachtet, eine Ader. – Erschöpft von allen Begebnissen des Tages, von dem Blutverlust sank der arme Giglio in tiefen ohnmachtähnlichen Schlaf.

      Als er erwachte, war es tiefe Nacht um ihn her; nur mit Mühe vermochte er sich darauf zu besinnen, was zuletzt mit ihm vorgegangen, er fühlte, daß man ihn losgebunden, vor Mattigkeit konnte er sich aber doch nicht viel regen und bewegen. Durch eine Ritze, die wahrscheinlich in einer Türe befindlich, fiel endlich ein schwacher Strahl ins Zimmer und es war ihm, als vernehme er ein tiefes Atmen, dann aber ein leises Flüstern,das endlich zu verständlichen Worten wurde: – „Seid Ihr es wirklich, mein teurer Prinz? – und in diesem Zustande? so klein, so klein, daß ich glaube, Ihr hättet Platz in meinem Konfektschächtelchen! – Aber glaubt etwa nicht, daß ich Euch deshalb weniger schätze und achte; weiß ich denn nicht, daß Ihr ein stattlicher liebenswürdiger Herr seid, und, daß ich das alles jetzt nur träume? – Habt doch nur die Güte, Euch morgen mir zu zeigen, geschieht es auch nur als Stimme! – Warft Ihr Eure Augen auf mich arme Magd, so mußte es ja eben geschehen, da sonst –“ Hier gingen die Worte wieder unter in undeutlichem Flüstern! – Die Stimme hatte ungemein was Süßes, Holdes; Giglio fühlte sich von heimlichen Schauern durchbebt; indem er aber recht scharf aufzuhorchen sich bemühte, wiegte ihn das Flüstern, das beinahe dem Plätschern einer nahen Quelle zu vergleichen, wiederum in tiefen Schlaf. – Die Sonne schien hell ins Zimmer, als ein sanftes Rütteln den Giglio aus dem Schlafe weckte. Meister Bescapi stand vor ihm und sprach, indem er seine Hand faßte, mit gutmütigem Lächeln: „Nicht wahr. Ihr befindet Euch besser, liebster Signor? – Ja, den Heiligen Dank! Ihr seht zwar ein wenig blaß, aber Euer Puls geht ruhig. Der Himmel führte Euch in Euerm bösen Paroxysmus in mein Haus und erlaubte mir, Euch, den ich für den herrlichsten Schauspieler in Rom halte und dessen Verlust uns alle in die tiefste Trauer versetzt hat, einen kleinen Dienst erweisen zu können.“ Bescapis letzte Worte waren freilich kräftiger Balsam für die geschlagenen Wunden; indessen begann Giglio doch ernst und finster genug: „Signor Bescapi, ich war weder krank, noch wahnsinnig, als ich Euer Haus betrat. Ihr wäret hartherzig genug, meine holde Braut, die arme Giacinta Soardi, ins Gefängnis stecken zu lassen, weil sie Euch ein schönes Kleid, das sie verdorben, nein das sie geheiligt, indem sie aus der Nähnadelstichwunde des zartesten Fingers rosigen Ichor darüber verspritzte, nicht bezahlen konnte. Sagt mir augenblicklich, was Ihr für das Kleid verlangt; ich bezahle die Summe und dann gehen wir hin auf der Stelle und befreien das holde, süße Kind aus dem Gefängnis, in dem sie Eures Geizes halber schmachtet.“ – Damit erhob sich Giglio so rasch, als er es nur vermochte, aus dem Bette und zog den Beutel mit Dukaten aus der Tasche, den er, sollt es darauf ankommen, ganz und gar zu leeren entschlossen war. Doch Bescapi starrte ihn an mit großen Augen und sprach: „Wie möget Ihr Euch doch nur solch tolles Zeug einbilden, Signor Giglio? Ich weiß kein Wort von einem Kleide, das mir Giacinta verdorben haben sollte, kein Wort vom Blutfleck, von ins Gefängnis Stecken!“ – Als nun aber Giglio nochmals


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