Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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öffnete schmunzelnd seinen Rucksack und entnahm zwei Getränkeflaschen, von denen er eine Christian reichte. Es war nicht das erste Mal, daß er einen Menschen, der ihn nicht näher kannte, mit seiner sportlichen Art verblüffte.

      Sie rasteten eine Viertelstunde, dann machten sie sich wieder auf den Weg. Es würde noch eine gute halbe Stunde brauchen, bis sie die Sennerhütte sehen konnten. Je höher sie kamen, um so mehr rang Christian nach Luft. Er nahm sich vor, wirklich mehr für seine körperliche Ertüchtigung zu tun, wenn das hier alles überstanden war. Er konnte nur staunen über den Geistlichen, der beinahe leichtfüßig vor ihm herlief und offenbar jeden Stein, Baum und Strauch kannte.

      Nachdem sie den Höllenbruch passiert hatten, gingen sie über einen schmalen, nicht befestigten Weg, der weiter in die Höhe führte. Kurze Zeit später führte dieser Weg aus dem Dickicht heraus, und vor ihnen tat sich eine grüne Wiese auf.

      »Dort oben«, zeigte Sebastian hinauf zu der Hütte. »Das ist die Sennerei vom alten Urban.«

      Christian spürte sein Herz schneller klopfen, und das kam nicht allein von der Anstrengung. Würde er dort oben endlich seine Veronika wieder in die Arme schließen können?

      *

      Urban Brandner hatte in all den Jahren, die er hier oben verbracht hatte, einen sechsten Sinn entwickelt. Er wußte nicht wie es geschah, aber manchmal hatte er eine Eingebung, und dann bereitete er ein Mittagessen für mehr als zehn Leute zu, und dann kam mittags wirklich eine große Wandergruppe! Genauso konnte es umgekehrt der Fall sein – nämlich daß er gar nichts vorbereitete und auch niemand die Sennerei besuchte. Mit der Zeit hatte Urban ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, ob Besuch zu erwarten war oder nicht.

      Und heute war Besuch unterwegs, spürte er.

      Urban saß mit einem Fernglas bewaffnet vor der Hütte und schaute in die Landschaft. Veronika war in der Käserei und bürstete die gelagerten Laibe mit Salzwasser ab. Mit irgend etwas mußte sie sich ja beschäftigen, hatte sie gedacht, und die Arbeit machte ihr sogar Spaß. Dabei sann sie immer noch über einen Ausweg nach. Liebend gerne wäre sie einfach davongelaufen, doch die Furcht, sich zu verirren, war zu groß. Längst hatte sie es aufgegeben, auf den Großvater einzureden und ihn doch noch umzustimmen. Er schien gar nicht mehr zu hören, was sie sagte, und Veronika gewann immer mehr den Eindruck, daß der alte Mann geistig verwirrt war. Manchmal kam es vor, daß er sie mit Maria anredete und dann völlig erstaunt guckte, wenn Veronika darauf bestand, mit ihrem Namen angesprochen zu werden.

      Ihre einzige Hoffnung, von hier fortzukommen, blieb eine Wandergruppe, der sie sich anschlie­ßen konnte. Doch seit Tagen blieben die Touristen aus, was wohl auch damit zusammenhing, daß die Ferien inzwischen beendet waren. Die andere Möglichkeit, auf die das Madel gehofft hatte, hatte sich zerschlagen. Am Abend nach ihrer Ankunft auf der Alm, hatte Großvater davon erzählt, daß alle paar Wochen die Bauern kamen und Butter und Käse abholten. Das war auch vorgestern der Fall gewesen. Allerdings hatte Urban sie vorsorglich wieder in den Verschlag gesperrt, und ihre Hilferufe waren ungehört geblieben. Denn wenn es auch nur eine Holzhütte war – die Wände waren dick und schluckten jedes Gespräch.

      Seufzend legte sie den schweren Käselaib zurück in das Regal, wo er noch ein paar Wochen lagern mußte, bis er die nötige Reife hatte.

      Da trat der Großvater ein.

      »Komm«, sagte er nur und zog sie mit sich.

      Veronika versuchte, sich zur Wehr zu setzen, doch der Alte war stärker als sie. Ohne ein Wort sperrte er sie wieder in den Verschlag hinter seiner Kammer und ging dann hinaus.

      Veronika trommelte wütend gegen die verschlossene Tür und rutschte dann in die Hocke, wo sie ihr Gesicht in den Händen vergrub. Es war ja sinnlos. Von draußen hörte sie nur dumpfes Gemurmel. Offenbar sprach der Großvater mit jemandem.

      Hätte sie nur geahnt, wer da draußen stand…

      *

      Urban Brandner sah durch das Fernglas und wußte, daß sein Gefühl ihn wieder einmal nicht getrogen hatte. Über den Höllenbruch sah er zwei Gestalten, die heraufkamen und sich der Alm näherten.

      Eilig lief er in die Hütte und schloß seine Enkelin ein. Dann setzte er sich auf die Bank und stopfte seine Pfeife.

      »Gott zum Gruß, Brandner«, sagte Sebastian, als sie heran waren.

      »Grüß euch«, nickte der Alte.

      Der Pfarrer deutete auf Christian.

      »Das ist Herr Wiltinger. Er ist auf der Suche nach einer jungen Frau.«

      »Und warum sucht er sie hier oben?« gab der Senner gereizt zurück.

      »Die Frau heißt Veronika Seebacher und ist die Verlobte von Herrn Wiltinger«, erklärte Sebastian, ohne auf Urbans Ton einzugehen. »Außerdem soll sie deine Enkeltochter sein. Stimmt das?«

      Der Alte spuckte aus.

      »Wer erzählt denn solchen Schmarr’n?«

      »Veronika hat’s erzählt«, rief Christian. »Sie hat’s aus den Papieren, die sie nach dem Tod ihrer Mutter gefunden hatte.«

      Er war mehr als enttäuscht. Hatte er doch gehofft, das geliebte Madel hier zu finden, und nun stand er vor diesem unzugänglichen Alten, und von Veronika keine Spur.

      »Sie wollte hierher zu Ihnen, Sie kennenzulernen. Wollen Sie etwa behaupten, sie wäre nicht hiergewesen?«

      Urban Brandner schüttelte den Kopf.

      »Das muß ein Irrtum sein«, sagte er beinahe sanft. »Bestimmt verwechseln Sie mich mit einem, der ebenso oder ähnlich heißt.«

      Pfarrer Trenker strich sich nachdenklich über das Kinn.

      Sollte der junge Mann sich so geirrt haben? Dann waren sie wirklich vergeblich hierher gekommen. Dabei schien Christian Wiltinger sich seiner Sache so sicher.

      »Da kann man wohl nichts machen«, sagte er zu Christian und wandte sich wieder Urban zu. »Sag’ Urban, hättest du denn ein Glas Milch für uns? Das wäre eine gute Stärkung für uns, bevor wir uns wieder an den Abstieg machen.«

      »Freilich«, nickte der Alte und deutete auf die Bank. »Hockt’s euch nur her. Ich bring’ gleich die Milch.«

      »Meinen Sie, daß er die Wahrheit sagt?« fragte Veronikas Verlobter, nachem Urban in der Sennerhütte verschwunden war.

      »Was für einen Grund hätte er, zu lügen?« fragte Sebastian zurück. »Wenn’s wirklich die Enkelin wär’, bräuchte er sie nicht zu verleugnen, oder wüßten Sie einen einleuchtenden Grund?«

      Christian zögerte. Immer wieder waren ihm in den letzten Stunden die schlimmsten Gedanken gekommen, doch er wollte ja gar nicht an sie denken.

      Allerdings drängten sie sich immer wieder auf.

      »Höchstens wenn etwas ganz Schreckliches geschehen ist«, sagte er schließlich. »Dann würde er abstreiten, Veronika zu kennen.«

      Er verstummte, denn Urban Brandner trat aus der Tür, zwei Gläser Milch in den Händen. Er setzte sie auf dem Tisch ab.

      »Laßt’s euch schmecken«, sagte er und schaute zu, wie sie die kühle Milch in einem Zug tranken.

      »Das schmeckt, was?« freute er sich.

      Der Pfarrer stand auf und gab Christian ein Zeichen.

      »Dank schön, Urban«, sagte er und reichte dem Alten die Hand. »Auch für die Auskunft. Wir machen uns wieder auf den Heimweg.«

      Der alte Senner winkte ihnen hinterher.

      »Ich habe eine Idee«, meinte Sebastian, nachdem sie außer Hörweite waren. »Die Mutter ihrer Verlobten hieß mit Vornamen Maria, sagten sie. Ich werde einmal in den Kirchenbüchern nachschauen, ob ich da etwas finde. Ich bin zwar schon ein paar Jahre hier als Pfarrer, aber Ereignisse, die mehr als zehn Jahre zurückliegen, kenne ich nur vom Hörensagen. Eine Maria Brandner


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