Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.nun ununterbrochen im Auto gesessen, und er spürte, wie verspannt er war. Bestimmt auch eine Folge seiner inneren Anspannung.
Der Wirt selber stand am Empfang und begrüßte den Gast.
»Wie lange möchten S’ denn bleiben?« fragte er.
Christian hatte keine Ahnung, wie lange die Suche nach Veronika dauern würde.
»Erst mal drei Tage«, sagte er. »Eventuell verlängere ich dann noch mal.«
»Ist recht«, nickte Sepp Reisinger und händigte die Schlüssel aus. »Der kleine ist für den Nebeneingang des Hotels, falls wir schon mal geschlossen haben. Der größere ist der Zimmerschlüssel. Es ist im ersten Stock.«
Christian nahm die Schlüssel entgegen und holte seine Reisetasche aus dem Auto. Dann ging er die Treppe hinauf. Das Zimmer lag am Ende eines langen Flurs, von dem noch weitere abgingen. Der junge Mann schloß auf und trat ein.
Auch hier wurde er angenehm überrascht. Das Zimmer war hell und freundlich, es roch nach Frische und Sauberkeit. Das Bett machte einen verlockenden Eindruck, und auf dem Tisch am Fenster stand eine Vase mit frischen Blumen.
Christian ging in das angrenzende Bad und wusch sich Gesicht und Hände. Derart erfrischt wäre er am liebsten sofort losgezogen, um Veronika zu suchen, doch er wußte, daß es keinen Zweck haben würde, einfach blindlings loszurennen. Er hatte ja überhaupt noch keine Ahnung, wo er nach ihr suchen sollte. Außer den Namen des Mannes, in dem das Madel seinen Großvater vermutete, hatte er ja gar keinen Anhaltspunkt.
Zudem forderte der Körper sein Recht. Vor lauter Angst und Sorge um Veronika hatte Christian seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen und gegessen. Hinzu kam die anstrengende Autofahrt. Das beste würde sein, zunächst etwas im Restaurant zu essen und sich dann auszuruhen. Inzwischen war es beinahe neun Uhr abends geworden. Der Verkehr war enorm gewesen, außerdem hatte es auf der Autobahn zwei Baustellen gegeben, so daß er für die Fahrt doch länger gebraucht hatte, als er zunächst dachte.
Es waren nur wenige Gäste anwesend, als Christian Wiltinger das Restaurant betrat. Eine freundliche Bedienung brachte ihm gleich die Speisekarte und nahm seine Getränkebestellung auf.
Der junge Mann entschied sich für eine kalte Platte, die heimische Wurst- und Käsesorten versprach. Dazu gab es deftiges Bauernbrot und süßen Senf. Erst jetzt bemerkte Christian, wie hungrig er eigentlich war. Trotzdem ließ er sich Zeit beim Essen und dachte über seine weiteren Schritte nach.
Wohin wendete man sich am besten, wenn man jemanden suchte, von dem man wußte, daß er existierte, aber nicht genau, wo?
Am besten in der Kirche, dachte er. Wenn die Polizei nicht helfen konnte – in der Kirche gab es Bücher, in denen alles verzeichnet war. Geburten, Hochzeiten, Beerdigungen.
Diese Idee schien ihm am besten. Gleich morgen früh wollte er den Pfarrer aufsuchen und nach einem Mann namens Urban Brandner fragen. Wenn er wirklich hier geboren war und noch immer lebte, würde der Geistliche wissen, wo Christian ihn finden konnte.
Zufrieden suchte Veronikas Verlobter sein Zimmer auf. Einen Moment stand er am offenen Fenster und schaute hinaus in die Nacht. Die Sterne standen wie gesät am nächtlichen Himmel, und der Mond breitete sein Licht über den Bergen aus. Christian hätte alles darum gegeben, Veronika jetzt in seinen Armen zu halten, und als er sich schlafen legte, da war er in Gedanken immer noch bei ihr.
*
An der Westseite der Kirche St. Johann wuchs ein herrlicher Rosenstrauch. Er reichte von der Kirchenmauer bis an den schmiedeeisernen Zaun, der den Friedhof begrenzte.
Sebastian Trenker war gerade damit beschäftigt, die Rosen zu beschneiden, als ein junger Mann über den Kiesweg ging und auf ihn zukam. Sebastian kannte ihn nicht.
»Grüß Gott, Herr Pfarrer«, sagte er freundlich. »Mein Name ist Christian Wiltinger. Ich komme mit einer Bitte zu Ihnen.»
Er deutete zum Pfarrhaus hinüber.
»Ihre Haushälterin sagte mir, daß ich Sie hier finde.«
Der Geistliche wischte sich die Hand an der grünen Schürze ab, die er zum Schutz seiner Kleidung trug, und reichte dem Mann die Hand.
»Pfarrer Trenker. Was kann ich für Sie tun, Herr Wiltinger?«
»Ich bin auf der Suche nach einem Mann…«
Er brach lächelnd ab.
»Nein, eigentlich bin ich auf der Suche nach meiner Verlobten.«
Christian hob die Hand.
»Also, denken Sie jetzt bitte nicht, sie wäre mir fortgelaufen. Das ist wirklich nicht der Fall. Aber ich suche auch noch einen Mann…«
Jetzt schmunzelte auch der Pfarrer.
»Am besten ist es, wir gehen hinüber in mein Arbeitszimmer, und Sie erzählen mir alles in Ruhe«, schlug er vor.
Christian nickte und folgte dem Geistlichen.
»Möchten Sie etwas trinken?« fragte er Sebastian, als sie im Arbeitszimmer saßen. »Einen Kaffee vielleicht?«
»Gerne«, nickte Christian.
Er hatte zwar im Hotel ein ausgezeichnetes und ausgiebiges Frühstück genossen, aber Kaffee konnte er zu jeder Tageszeit trinken. Wahrscheinlich brachte das sein Beruf so mit sich. In der Bank stand die Kaffeemaschine jedenfalls nie still, wenn dort Privatkunden empfangen wurden.
Pfarrer Trenker bat Sophie Tappert um eine Kanne Kaffee und etwas Gebäck und widmete sich dann seinem Besucher.
Veronikas Verlobter hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht, der zu der kleinen Sitzgruppe am Fenster gehörte. Der Geistliche setzte sich ihm gegenüber.
Und dann berichtete Christian Wiltinger, was ihn nach Sankt Johann gebracht hatte. Sebastian Trenker hörte ihm aufmerksam zu. Als der Name Urban Brandner fiel, nickte er.
»Ich kenne den alten Urban«, sagte er. »Er wohnt oben in den Bergen in einer Sennerei, die er bewirtschaftet.«
Inzwischen hatte die Haushälterin Kaffee und Kekse gebracht, und der Pfarrer schenkte seinem Besucher ein.
»Ich hab’ net gewußt, daß Urban noch Familie hat«, erklärte er dann. »Wobei ich sagen muß, daß der Kontakt net so besonders gut ist. Der Alte ist net immer leicht zu nehmen. Er kann ein ziemlicher Querkopf sein. Er wirft schon mal jemanden hinaus, wenn ihm dessen Nase net paßt.«
»Na, dann kann ich mich ja vielleicht auf etwas gefaßt machen.«
Christian verzog das Gesicht.
»Wie komme ich denn zu der Alm? Ist es weit von hier?«
»Wenn Sie es möchten, dann begleite ich Sie gerne«, bot Sebastian an.
Sein Besucher nickte erfreut.
»Ich nehme Ihr Angebot herzlich gerne an. Allein würd’ ich mich wahrscheinlich verlaufen.«
*
»Dort drüben liegt der Himmelsspitz, und der Zwilling daneben ist die Wintermaid«, deutete Sebastian Trenker auf zwei imposante, schneebedeckte Berggipfel, die auf der anderen Seite in die Höhe ragten.
Sie selber standen auf einem Felsplateau und schauten sich um. Über ihnen ragte eine bewaldete Anhöhe. Sebastian drehte sich um und zeigte in die Höhe.
»Dort ist der Höllenbruch, und dahinter führt ein schmaler Weg zur Alm hinauf. Für einen Fremden wäre es gewiß net leicht, sie zu finden. Der große Wirtschaftsweg führt von der anderen Seite heran. Da ist es schon leichter.«
»Nie und nimmer hätt’ ich’s gefunden«, sagte Christian und japste nach Luft. »Aber schön habt ihr’s hier droben!«
»Ich schlage vor, wir machen erstmal eine Pause«, meinte der Pfarrer mit Rücksicht auf Veronikas Verlobten.
»Ja, ja«, nickte Christian. »Ich weiß schon, was Sie jetzt denken: Der