Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Post und Blumen des Abwesenden, der kaum vor den Semesterferien zurückkäme.

      Unverrichteter Dinge fuhren Walter und Ingrid Rössner wieder nach Hause und begannen sich wirklich sorgen zu machen.

      »Himmel, das ist doch sonst net seine Art«, schimpfte der Hausherr und ging aufgeregt im Salon der Villa auf und ab.

      Seine Frau drückte ihn schließlich in einen Sessel.

      »So kommen wir nicht weiter«, sagte sie. »Es hat keinen Sinn, herumzuschimpfen. Wir müssen uns überlegen, wo Stephan sein könnte. Als erstes rufe ich nacheinander alle seine Freunde an. Vielleicht finden wir so heraus, wo Stephan steckt.«

      Einen ganzen Nachmittag saß Ingrid Rössner am Telefon und rief alle die Freunde ihres Sohnes an, die sie selbst kannte, oder, von denen sie zumindest die Telefonnummern wußte. Allerdings waren ihre Bemühungen vergeblich. Von insgesamt zehn Bekannten hatten acht überhaupt keine Ahnung, wo Stephan abgeblieben sein könnte, bei den zwei anderen lief nur der Anrufbeantworter. Ingrid sprach eine Nachricht darauf und bat darum, zurückgerufen zu werden.

      Walter Rössner hingegen saß nachdenklich in seinem Arbeitszimmer. Der Gedanke an seinen verschwundenen Sohn zerrte an ihm. Es hatte schon öfter Auseinandersetzungen zwischen ihnen gegeben, doch war es immer wieder gelungen, sich zu versöhnen. Daß Stephan diesmal so konsequent gegangen war, ließ den Fabrikanten das Verhältnis zu seinem Sohn in einem anderen Licht sehen.

      Walter Rössner hatte das Unternehmen mit seinen eigenen Händen, praktisch aus dem Nichts, aufgebaut. Dank seiner Spürnase für Trends und fortschrittliche Erfindungen, hatte er den Boom mit den mobilen Telefonen vorhergesehen und alles auf diese Karte gesetzt. Nach und nach waren andere Sparten, insbesondere der Unterhaltungselektronik hinzugekommen, und heute, da der Handyboom im Abflauen begriffen war, stand sein Unternehmen, im Gegensatz zu manchem seiner Mitbewerber, bestens da. Die Rössner KG tätigte Umsätze in Millionenhöhe, und für das nächste Jahr war der Gang an die Börse geplant.

      Da war es nur zu verständlich, daß der Vater seinen einzigen Sohn als seinen Nachfolger in der Firma sehen und aufbauen wollte. Walter Rössner mußte sich eingestehen, daß er da wohl zu konsequent gefordert hatte. Stephan war aus einem anderen Holz, das der kühl agierende Geschäftsmann, der sein Vater geworden war. Er hatte ein beachtliches, handwerkliches Geschick und liebte das Leben draußen, in der freuen Natur. Solch einen Menschen konnte man nicht an einen Bürojob fesseln. Immer mehr sah Walter Rössner dies ein, und er fragte sich, wie er selbst wohl gehandelt hätte, wenn sein Vater ihn gezwungen hätte, etwas zu werden, das ihm so verhaßt gewesen wäre wie für Stephan das Studium.

      Nein, es hatte wohl keinen Sinn, darauf zu bestehen. Der Sohn würde seinen eigenen Weg gehen, und der Vater mußte sehen, wie er das Nachfolgeproblem löste.

      Als er zu diesem Entschluß gekommen war, stand er auf und ging hinüber in das Zimmer seiner Frau, die müde und abgespannt an ihrem Schreibtisch saß. Er wollte ihr von seinen Überlegungen erzählen.

      »Und?« fragte er. »Hast du etwas in Erfahrung gebracht?«

      Ingrid Rössner schüttelte den Kopf. Sie berichtete von den ergebnislosen Telefonaten.

      »Jetzt können wir nur noch hoffen, daß die beiden letzten zurückrufen.«

      Sie schaute auf die Liste, die vor ihr lag.

      »Die eine ist Bettina Holzinger«, sagte sie. »Und der letzte ist Markus. Du weißt schon, Markus Reinders. Bei beiden war niemand zu Hause. Aber es sind ja auch Ferien. Bei Markus hab’ ich die größte Hoffnung, daß sich jemald meldet, er wohnt ja noch bei seinen Eltern.«

      Ihr Mann setzte sich und erzählte, was er sich überlegt hatte. Ingrid war froh zu erfahren, daß er so einsichtig war. Die Firma war ihr egal, wenn es um den einzigen Sohn ging.

      Sie setzte sich zu Walter und legte ihren Arm um ihn.

      »Ich glaub’ ganz fest daran, daß alles wieder gut wird«, meinte sie zuversichtlich.

      *

      Auf dem Ponyhof wußte man nicht aus noch ein. Die Brandexperten der Kripo hatten herausgefunden, daß die Ursache für das Feuer die alten elektrischen Leitungen waren. Zudem hatte sich herausgestellt, daß für den gesamten Hof kein Versicherungsschutz bestand. Die Gesellschaft hatte die Policen gekündigt, nachdem die monatlichen Prämienzahlungen ausgeblieben waren.

      »Das bedeutet das Ende für den Ponyhof«, verkündete Sandra, als sie das Ergebnis der Branduntersuchung schriftlich in den Händen hielt.

      Gemeinsam saßen sie in der großen Küche und beratschlagten. Am meisten Vorwürfe machte sich Markus. Er hatte ja alles notwendige besorgt, um die alten Leitungen zu erneuern.

      »Warum hab’ ich bloß nicht gleich damit angefangen?« fragte er immer wieder.

      »Ich muß mir Vorwürfe machen, Markus, nicht du«, sagte Sandra. »Schließlich hatte ich dir gesagt, daß du bis zum Anfang der nächsten Woche warten solltest. Mensch, du und Stephan, ihr hattet schon soviel geschuftet. Ich fand es einfach unverschämt von mir, euch so auszunutzen. Außerdem hätte das Feuer auch schon vorher ausbrechen können. Also, warum solltest du Schuld sein?«

      Markus konnte es nur zähneknirschend einsehen. Anja, die neben ihm saß, strich ihm tröstend über den Kopf und gab ihm einen Kuß.

      »Sandra hat recht«, meinte sie. »Das hat doch keiner vorhersehen können.«

      Stephan, der auf der anderen Seite Platz genommen hatte, stieß ihn an.

      »Mensch Alter, jetzt mach’ dir bloß keinen Kopf. Irgendwie kriegen wir die Sache wieder in den Griff.«

      »Fragt sich nur wie!«, mischte sich Nina ein. »Du vergißt, daß uns erhebliche finanzielle Mittel fehlen. Wir können von Glück sagen, daß der Chef vom Reiterhof uns mit dem Futter für die Ponys ausgeholfen hat. Doch auch das reicht keine Ewigkeit.«

      »Aber es muß doch irgend einen Weg geben«, rief Stephan. »Es muß!«

      Sandra nahm seine Hand und schüttelte den Kopf.

      »Es hat keinen Sinn, Stephan, der Zug ist abgefahren. Wir hatten eine kleine Chance, aber es hat nicht sollen sein. Morgen rufe ich den Oberlechner an und sag’ ihm daß er den Ponyhof haben kann.«

      »Ja, aber zu seinen Bedingungen«, entgegnete der Student. »Der zieht dich doch glatt über den Tisch.«

      »Abwarten«, konterte Sandra. »Ich kann auch hart sein, wenn’s darauf ankommt.«

      Dabei sah es in ihr ganz anders aus. Am liebsten hätte sie sich in Stephans Arme geflüchtet. Sie war ihm dankbar für die Hilfe, die er ihr in der Woche nach dem Feuer gegeben hatte. Ohne ihn hätte sie das alles wohl gar nicht durchgestanden.

      Resi Angermeier und Hubert Bachmann waren nicht weniger verzweifelt. So wie es nun aussah, waren auch ihre Tage auf dem Ponyhof gezählt. Die beiden Alten hatten aber auch darüber nachgedacht, wie sie den drei Madeln helfen konnten.

      »Der Hubert und ich haben uns was überlegt«, mischte die Magd sich ins Gespräch. »In all den Jahren, die wir hier auf dem Hof sind, haben wir net viel ausgegeben von dem, was wir verdient haben. Es ist schon ein ganzes Stückerl Geld, das wir gespart haben. Also, wir haben uns überlegt, daß wir es euch geben wollen, als Darlehen, damit’s weitergehen kann.«

      Die drei Madeln waren zu Tränen gerührt. Seit dem letzten Sonntag wurde der Ponyhof von einer wahren Hilfswelle überflutet. Der Appell des Pfarrers während seiner Predigt hatte Erfolg gezeigt. Von überall aus der Nachbarschaft kamen nicht nur Hilfsangebote, sondern auch aktive Hilfe in Form von Würsten und Käse, sowie das Futter für die Ponys. Und jetzt dieses Angebot.

      Sandra nahm ihr Taschentuch und wischte sich über das Gesicht. Dann nahm sie die beiden in die Arme.

      »Ich dank’ euch wirklich von Herzen«, sagte sie. »Aber ich fürchte, es reicht net. Die Scheune allein kostet ja…«

      Sie unterbrach sich, weil es draußen auf dem Hof lärmte. Ein Lastwagen


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