Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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machte ein nachdenkliches Gesicht.

      »Was die bloß bei uns will?«

      »Urlaub wird’s machen wollen, die Frau Devei«, erwiderte ihr Mann. »Allmählich zahlt’s sich aus, was ich alles an Geld in die Werbung gesteckt hab’. Die Leut’ kommen endlich d’rauf, wie schön es hier bei uns in den Bergen ist.«

      »Du meine Güte«, meinte Irma. »Was koch’ ich denn da bloß? So eine Künstlerin, die überall in der Welt herumkommt, ist doch bestimmt sehr verwöhnt.«

      »Ja, mei«, wischte Sepp die Bedenken seiner Frau fort. »Da brauchst’ bei deinen Kochkünsten keine Bedenken zu haben. Du hörst doch immer wieder, daß sogar Sternköche noch etwas bei dir lernen können. Glaubst’, die Gäste sagen so ’was nur zum Spaß? Da wird’s auch eine verwöhnte Künstlerin zufrieden stellen. Und überhaupt, woanders wird auch nur mit Wasser gekocht. Darum brauchst dir wirklich keine Gedanken net machen.«

      Irma bedachte ihren Sepp mit einem liebevollen Blick für dieses Kompliment.

      »Dann wird’s aber höchste Zeit, das Edelweißzimmer herzurichten«, sagte sie. »Da müssen unbedingt neue Vorhänge an die Fenster. Ich frag’ nachher gleich die Traudel Burger. Bis zur nächsten Woch’ schafft sie es bestimmt, welche zu nähen.«

      »Muß das sein?« fragte ihr Mann brummig. »Die alten tun’s doch auch noch.«

      Eben hatte Sepp noch das tolle Geschäft gesehen, das er mit dem Besuch der Sängerin, und der damit verbundenen Reklame machen würde. Doch daraus würde ja nun nichts, – im Brief stand ausdrücklich, daß der Aufenthalt geheimgehalten werden müsse – und nun sollte er auch noch Geld investieren, bevor er etwas verdiente!

      »Nix da!« bestimmte Irma Reisinger. »Wir wollen uns doch net blamieren.«

      Grummelnd stimmte der Lö­wenwirt schließlich zu.

      »Es werden aber net die teuresten genommen«, rief er seiner Frau noch hinterher.

      Aber da war Irma schon wieder in der Küche.

      *

      Hubert Ratinger, der Wirt vom Hotel ›Goldene Traube‹ in Engelsbach, hatte andere Sorgen. Nervös bis unter den Hemdkragen lief er am Empfang hin und her. Dabei wischte er sich ständig die dicken Schweißperlen ab, die auf seiner Stirn standen. Er atmete erst erleichtert auf, als er den Wagen des Arztes aus St. Johann auf den Parkplatz fahren sah. Eilig lief er Dr. Wiesinger entgegen.

      »Gott sei Dank, daß Sie kommen, Herr Doktor«, sagte er.

      Toni Wiesinger nickte grüßend.

      »Wie geht’s dem Mann?«

      »Er ist auf seinem Zimmer«, erwiderte der Wirt, während sie in das Hotel gingen. »Ich hoff’ bloß, daß es net an unserem Essen liegt. Eine Schadensersatzklage können wir uns net leisten. Das wär’ unser Ruin!«

      »Was hat er denn zu sich genommen?«

      Hubert Ratinger zählte auf, was der Gast am Vorabend alles bestellt und gegessen hatte. Toni Wiesinger staunte nur. Kein Wunder, daß der Mann heute morgen nicht aus dem Bett kam und

      über fürchterliche Magenschmerzen klagte. Sie standen vor dem Zimmer, das der Kranke bewohnte. Der Wirt klopfte an die Tür.

      »Herein«, klang es jämmerlich von innen.

      Der Arzt betrat das Zimmer. Auf dem Bett lag, mit einem seidenen Morgenmantel bekleidet, ein nicht gerade schlanker Mann.

      »Sind Sie der Arzt?« fragte er, nach Luft japsend. »Helfen Sie mir, ich sterbe!«

      Toni Wiesinger schüttelte den Kopf.

      »So schnell stirbt’s sich net«, sagte er und begann mit der Untersuchung.

      Dabei ließ er sich von dem Gast erzählen, was dieser gegessen hatte. Der Mann bestätigte nur, was auch schon Hubert Ratinger berichtet hatte. Der Arzt nickte verstehend, obwohl er über soviel Unverstand beinahe eher den Kopf geschüttelt hätte.

      Nach einer Vorspeise, einer Suppe, einem Fisch- und Fleischgang, waren es noch ein Käsegericht und eine Süßspeise gewesen. Dazu hatte der Mann eine Flasche Wein, drei Schnäpse und zwei Tassen Espresso getrunken!

      Toni setzte sich an den Tisch und schrieb ein Rezept aus.

      »Was fehlt mir denn?« fragte der Mann im Bett.

      Der Arzt sah auf.

      »Was Ihnen fehlt? Gar nichts«, antwortete er. »Ganz im Gegenteil – Sie haben etwas zuviel. Nämlich Gewicht. Nach solch einem Essen müssen Sie sich net wundern, wenn Sie sich kaum noch rühren können. Sie haben Ihrem Magen einfach zuviel zugemutet. Ich verordne Ihnen eine strenge Diät. Heute sollten Sie nur Mineralwasser oder Kräutertee trinken und überhaupt nichts essen. Außerdem lassen Sie sich dieses Mittel besorgen. Davon nehmen Sie zweimal täglich zwanzig Tropfen. Selbstverständlich sollten Sie mindestens zwei Tage im Bett bleiben. Und jetzt sagen Sie mir bitte Ihren Namen und Ihre Krankenkasse für meine Unterlagen.«

      Der Mann winkte ab.

      »Brauchen wir nicht«, sagte er. »Ich bin selbständig und bezahle gleich bar. Ach ja, mein Name ist Otto Hövermann.«

      »Schön, Herr Hövermann, ich stelle Ihnen dann gleich meine Rechnung aus.«

      Der Kranke richtete sich auf.

      »Sagen S’ mal, Herr Doktor, das mit der Bettruhe – also, das haben S’ doch net ernst gemeint, oder?«

      Toni Wiesinger sah ihn erstaunt an.

      »Doch«, sagte er. »Ziemlich ernst. So, wie Sie Ihren Magen malträtiert haben, braucht er unbedingt Ruhe. Außerdem leidet durch Ihr Übergewicht Ihr gesamter Organismus.«

      »Ach, das ist aber dumm«, meinte Hövermann. »Gerad’ heut’ steh’ ich vor einem wichtigen Geschäftsabschluß. Wissen Sie, ich will drüben, in St. Johann, eine alte Sägemühle kaufen und zu einer Diskothek umbauen. Das ist heutzutage der absolute Knüller, sag’ ich Ihnen. Die jungen Leut’ haben ja die Romantik wieder entdeckt, und was paßt da besser, als ihnen hier etwas zu bieten. Ich mein’, in dieser idyllischen Umgebung. Die werden von nah und fern kommen!«

      Dr. Wiesinger glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Ungläubig sah er Herrn Hövermann an, sagte aber nichts.

      Toni war ein Menschenfreund, der keine Vorurteile kannte, aber dieser Mann war ihm von Kopf bis Fuß unsympathisch, und der Arzt wollte nur noch weg aus diesem Zimmer. Er verabschiedete sich schnell, nachdem die Rechnung beglichen war.

      *

      Die Frau saß am Fenster des Zugabteils und blickte hinaus.

      Die vorbeirauschende Landschaft nahm sie aber gar nicht wahr. Felder, Wiesen, Ortschaften – der Hochgeschwindigkeitszug passierte sie in Sekunden.

      Maria Devei lehnte sich in das Polster zurück und schaute auf den Mann, der ihr gegenüber saß. Er nickte ihr freundlich zu. Maria erwiderte den Gruß. Sie war so mit ihren Gedanken beschäftigt gewesen, daß sie gar nicht bemerkt hatte, wie der Fremde beim letzten Halt zustieg.

      Richard Anzinger konnte den Blick nicht von ihr wenden, so sehr nahm ihn ihr anmutiges Gesicht gefangen. Dunkle Augen, die in einem seltsamen Glanz strahlten, die wohlgeformte Nase, die geschwungenen Lippen, all das wurde von elegant frisierten Haaren umrahmt, die einen leichten rötlichen Schimmer hatten. Dem eleganten Kostüm sah man an, daß es nicht aus einem Kaufhaus stammte, und der wenige Schmuck, den sie trug, zeugte von einem erlesenen Geschmack. Zu gerne hätte Richard die Frau angesprochen, doch etwas hielt ihn davon ab.

      Er überlegte, seit er auf seinem Platz saß, was es war, das ihn daran hinderte. Es mußte dieser unendlich traurige Zug sein, der um ihren Mund lag. So hielt er sich zurück und betrachtete die Mitreisende unauffällig.

      Über den Lautsprecher kam die Durchsage, daß der Zug in wenigen Minuten in München halten werde. Die Sängerin stand auf und griff nach ihrem Mantel. Im selben Moment stand Richard Anzinger


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