Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

Читать онлайн книгу.

Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


Скачать книгу
sich mit einem Kopfnicken.

      Richard Anzinger war ihr auch beim Gepäck behilflich. Er trug den Koffer, der im Gepäcknetz über dem Platz der Sängerin gelegen hatte, bis zum Ausgang. Dort stellte er ihn auf den Boden.

      »Das ist wirklich sehr freundlich«, sagte Maria Devei, und es schien, als wische ein leises Lächeln die Traurigkeit aus ihrem Gesicht fort.

      Richard Anzinger eilte zurück ins Abteil, um sein eigenes Gepäck zu holen. Dabei hoffte er, die Frau, die ihn so faszinierte, noch anzutreffen, wenn er gleich aus dem Zug stieg.

      Enttäuschung machte sich auf seinem Gesicht breit, als er auf dem Bahnsteig stand, weit und breit war nichts von ihr zu sehen. Seine Augen suchten umher, glitten über das Treiben, das auf dem Bahnhof herrschte, die Züge, die Menschen und die bunten Plakate mit den Reklamen darauf.

      Dort! Drüben auf dem Nachbargleis, war sie es nicht?

      Richard stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Er erhaschte einen winzigen Blick auf den Mantel aus dunkelblauem Stoff, das schimmernde Rot ihrer Haare.

      Ja, kein Zweifel, dort drüben stieg die Frau in einen anderen Zug ein.

      Richard Anzinger ließ sein Gepäck stehen und hastete die Treppe hoch. Auf der anderen Seite mußte er wieder hinunter. Menschen standen und gingen vor ihm, Richard spürte die Ungeduld und die Angst, der Zug könne abfahren bevor er…

      Auf halber Höhe der Treppe hörte er das Signal des Zugführers, gleichzeitig schlossen die Türen, und der Zug rollte langsam an.

      Richard sprang die letzten Stufen hinunter, als der Zug an Geschwindigkeit gewann und aus dem Bahnhof fuhr. Enttäuscht und erschöpft blieb er stehen. Die Anzeige über ihm, auf der eben noch gestanden hatte, wohin der Zug fährt, war nun leer.

      Langsam ging Richard Anzinger zurück auf den Bahnsteig, auf dem er ausgestiegen war. Einsam und verloren stand sein eigenes Gepäck noch dort. Auch der ICE war inzwischen wieder abgefahren.

      Schade, dachte er, es hat nicht sollen sein. Natürlich hätte er sich erkundigen können, wohin der Regionalexpress, in den die unbekannte Frau gestiegen war, fuhr. Doch viel weiter hätte es ihn auch nicht gebracht. Wer konnte sagen, an welchem der vielen kleinen Bahnhöfe, die der Zug passierte, die Frau ausstieg?

      Er nahm die Reisetasche und den Koffer auf und ging hinüber zum Ausgang. Draußen stieg er in ein Taxi und ließ sich nach Hause fahren.

      Der Münchner Kaufmann, Chef einer alteingesessenen Im- und Exportfirma, war völlig durcheinander.

      War das Liebe auf den ersten Blick?

      Richard Anzinger hatte sie bisher noch nicht erlebt. Gewiß, ein Mann in seiner Position litt keinen Mangel an Verehrerinnen. Doch all diese Frauen verblaßten vor dem Bild dieser einen!

      *

      »Irma, ich glaub’ sie kommt«, rief Sepp Reisinger seiner Frau zu.

      Eben hatte ein Taxi vor dem Hotel gehalten. Der Wirt sah durch das Fenster, eine Frau aussteigen. Eiligst trommelte er die Haustöchter und die Kellner zusammen.

      Draußen öffnete der Fahrer die Heckklappe und nahm einen Koffer heraus. Irma und Sepp Reisinger gingen hinaus, um den prominenten Gast zu begrüßen.

      »Herzlich willkommen«, sagte der Löwenwirt, und nahm dem Taxifahrer den Koffer ab.

      Das Personal stand im Foyer des Hotels Spalier, der Hausdiener übernahm den Koffer und folgte dem Gast und Sepp Reisinger, der es sich nicht nehmen ließ, die Sängerin persönlich auf das Zimmer zu führen.

      »Wir hoffen, Sie fühlen sich wohl in unserem Haus.«

      Maria Devei nickte ihm lächelnd zu.

      »Es ist sehr schön«, sagte sie, nachdem sie sich im Edelweißzimmer umgesehen hatte.

      Sepp Reisinger erkärte ihr die Telefonanlage.

      »Möchten Sie etwas essen?« fragte er. »Wir servieren Ihnen auch gerne Essen und Getränke auf dem Zimmer.«

      Maria Devei zögerte. Nein, richtigen Appetit hatte sie nicht. Schon seit Wochen nicht mehr. Allerdings wußte sie auch, daß sie ihrem Körper schon etwas zuführen mußte. Ganz ohne Essen ging es nun mal nicht.

      »Eine Brühe vielleicht, und ein Mineralwasser«, sagte sie schließlich.

      Sepp nahm die Bestellung dankend entgegen, und ging hinunter in die Küche. Dabei grübelte er. Irgendwie kam die Frau ihm bekannt vor. Nicht als Sängerin aus der Presse oder dem Fernsehen – nein, er wurde das Gefühl nicht los, Maria Devei von irgendwo anders her zu kennen. Sie erinnerte ihn an eine ganz bestimmte Frau, aber er wußte nicht, wohin er sie stecken sollte. So sehr er sich auch bemühte, es wollte ihm nicht einfallen.

      Irma Reisinger machte ein enttäuschtes Gesicht. Im Herd schmorte Rehkeule, Forellen warteten darauf, in würzigem Fischfond gekocht zu werden, frisches Gemüse war vorbereitet worden.

      Und ihr Gast bestellte eine Brühe!

      »Wart’s ab!« meinte Sepp. »Sie ist ja g’rad erst angekommen. Wirst’ schon sehen. In ein paar Tagen wird die Frau Devei deine Kochkünste schon zu schätzen wissen.«

      Die Worte ihres Mannes stimmten die Wirtin wieder versöhnlich, und sie füllte schnell Fleischklöße und Eierstich in eine Suppentasse. Dann die kochend heiße Brühe darauf, frische Kräuter rundeten alles ab.

      »Sag«, wandte Sepp sich an seine Frau, nachdem eine der Haus­töchter die Bestellung aus der Küche geholt hatte.

      »Kommt die Frau Devei dir net auch bekannt vor? Ich mein’, ich kenn’ sie von früher, weiß aber net, woher genau.«

      »Ach geh«, schüttelte Irma den Kopf. »Das bild’st dir ein. Woher solltest du solch eine berühmte Frau kennen?«

      Der Löwenwirt ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um.

      »Vielleicht hast’ recht«, meinte er achselzuckend.

      *

      Richard Anzinger lief unruhig in seinem Büro auf und ab. Es lag im obersten Stockwerk eines Hauses, mit Blick auf die Maximilienstraße. Von hier oben hatte man einen herrlichen Rundblick.

      Der Kaufmann schaute zwar aus einem der großen Fenster seines Büros, etwas wirklich sehen, konnte er allerdings nicht. Dazu war er in Gedanken mit ganz anderen Dingen beschäftigt.

      Seit er gestern von seiner Geschäftsreisen zurückgekehrt war, schien er merkwürdig verändert, wie Ilse Brandner, seine langjährige Sekretärin, feststellte. Sie hatte ja auch keine Ahnung, was in ihrem Chef vorging.

      Der Kaufmann setzte sich endlich wieder an seinen Schreibtisch und sah die Geschäftsbriefe durch, die seit einer Woche liegen geblieben waren. Doch immer wieder wurden seine Gedanken abgelenkt. Das Bild jener unbekannten Frau, die er im Zug gesehen hatte, stand deutlicher in seinem Gedächtnis, als er es bei einer flüchtigen Begegnung für möglich gehalten hätte.

      Nervös legte er die Mappe mit den Briefen wieder aus der Hand. Er überlegte, ob es nicht besser sei, für ein paar Tage Urlaub zu machen. In der Firma würde alles von alleine laufen, er war also durchaus entbehrlich. Da meldete sich Frau Brandner über die Sprechanlage.

      »Herr Anzinger, Sie haben Besuch. Herr Winkler ist eben gekommen.«

      Über die Miene des Kaufmannes ging ein strahlendes Lächeln.

      »Wolfgang?« rief er erfreut. »Herein mit ihm!«

      Im selben Moment öffnete sich die Bürotür, und Wolfgang Winkler trat ein.

      »Mensch, Wewe, bist du auch mal wieder im Lande!« begrüßte Richard den alten Freund, und benutzte dabei dessen Spitzname.

      Die beiden Männer umarmten sich, und Richard Anzinger bestellte Kaffee und Cognac bei seiner Sekretärin. Er und Wolfgang kannten sich schon seit ihrer Schulzeit. Später hatten sich zwar ihre Wege getrennt, doch waren sie immer gute Freunde


Скачать книгу