Sechs Krimis: Ferienkiller. Alfred Bekker

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Sechs Krimis: Ferienkiller - Alfred Bekker


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phantastischen Panoramablick über Berlin Mitte lieferten.

      Ein Geräusch ließ uns zusammenzucken und zur Waffe greifen. Innerhalb eines Augenaufschlags hatte ich die SIG in der Faust.

      Die Tür zum Nebenraum – wahrscheinlich dem Schlafzimmer – stand halb offen.

      Kein Laut war jetzt zu hören.

      Ich bedeutete den Security Guards, die ebenso wie wir ihre Waffe gezogen hatten, ein Stück zurück zu bleiben.

      Rudi und ich pirschten uns an die halboffene Tür heran.

      Wir wechselten einen kurzen Blick. In solchen Situationen verstehen wir uns ohne Worte. Dann weiß jeder, was der andere denkt. Eine besondere Art von Telepathie, wie sie wohl nur bei langjährigen Partnern im Dienst vorkommt.

      Rudi nickte mir zu.

      Ich trat die Tür zur Seite und stürmte mit der Pistole in der Hand in Raum. Innerhalb von Sekundenbruchteilen sondierte ich die Lage. Ein großes Wasserbett, ein ultramoderner Kleiderschrank in Metalloptik, ein Airbrush-Gemälde, das eine nackte Frau zeigte, die auf einem Drachen ritt und das in leicht abgewandelter Form auf den Tanks von ungezählten Harley-Bikern zu finden war.

      Auf dem Wasserbett befand sich eine Reisetasche.

      Eine weitere Tür führte zum Bad.

      Ich schnellte vor, hatte die Badezimmertür im nächsten Moment erreicht und traf dort eine junge Frau mit langen blonden Haaren an.

      Ich senkte die Waffe und zog stattdessen meine ID-Card.

      „Kommissar Harry Kubinke, BKA!“, stellte ich mich vor. „Wer sind Sie?“

      Sie schluckte und brauchte wohl erst ein paar Sekunden, um sich vor dem Schrecken zu erholen. Der Beschreibung nach war sie jene Frau, die sich in Talabanis Begleitung befunden hatte, als auf den Captain in der Organisation von Abdullah Al-Khalili geschossen worden war. Sie trug Jeans, T-Shirt und darüber einen Blouson, der eindeutig für den Outdoor-Bereich gedacht war. Zusammen mit der Reisetasche auf dem Bett legte das den Schluss nahe, dass sie ihre Sachen gepackt hatte und nun gehen wollte. Latexhandschuhe, wie sie in Erste-Hilfe-Sets üblich waren, bedeckten ihre feingliedrigen Hände.

      Ich bemerkte einen Eimer mit schaumigem Wasser, auf dessen Oberkante hing ein Lappen.

      Offenbar hatte die junge Frau noch einmal alles gründlich saubermachen wollen, bevor sie dieses Penthouse auf Nimmerwiedersehen verließ.

      „Mein Name ist Jacqueline Berentzen“, sagte sie. „Und was tun Sie hier?“, fragte sie. Ihre Haltung entspannte sich etwas. Sie stemmte eine ihrer Hände in die Hüften.

      „Jimmy Talabani, der Eigentümer dieser Wohnung ist vor wenigen Stunden erschossen worden“ erklärte ich. „Aber ich glaube, das wissen Sie schon.“

      „Jimmy?“, fragte sie. „Er ist tot?“ Ihre Stimme klang belegt. Sie schluckte. Aber ich hatte allenfalls das Gefühl, es mit einer drittklassigen Schauspielerin zu tun zu haben. Gesamturteil: Nicht gefühlsecht. Sie machte denselben Fehler wie viele Anfänger. Sie trug einfach viel zu dick auf, als das man ihr hätte glauben können.

      Ich sah ihr ins Gesicht.

      Sie wich meinem Blick aus.

      „Sie waren am Tatort, als es geschah, dafür gibt es mehrere Zeugen“, erklärte ich sachlich und kühl. „Also können Sie mir vermutlich mehr über den Tatverlauf sagen als ich Ihnen.“

      Sie erwiderte jetzt meine Blick für einen kurzen Moment und schluckte.

      Tränen glitzerten in ihren Augen.

      Sie begann zu schluchzen.

      Ich forderte sie auf, das Bad zu verlassen, was sie auch tat.

      Dann sank sie auf das Bett und saß dort wie zur Salzsäule erstarrt. Ihr Blick schien ins Leere zu gehen. Sie wirkte apathisch.

      Ein leichtes Zittern durchlief ihren Körper.

      Rudi bedachte mich mit einem tadelnden Blick. „Fass sie nicht so hart an“, schien dieser Blick zu sagen.

      Für mich war die Situation im ersten Moment ziemlich eindeutig gewesen. Die junge Frau hatte das Chaos nach Jimmy Talabanis Ermordung genutzt, um sich möglichst schnell davon zu machen und sämtliche Spuren zu tilgen, die hätten beweisen können, dass sie jemals mit Talabani in Beziehung gestanden, geschweige denn, seine Wohnung betreten hatte.

      Sie hatte etwas zu verbergen.

      Etwas, das sie davon abhielt, sich bei der Polizei oder dem BKA zu melden und von sich aus auszusagen, was sie gesehen hatte.

      Möglicherweise war sie eine Prostituierte und ihr Gewerbe wurde zwar als das Älteste der Welt bezeichnet und war in Deutschland legal, aber es war illegal, seine Steuern nicht zu zahlen und viele Call-Girls hatten dazu wenig Lust. Kann ich verstehen. Aber als abhängig Beschäftigter hat man ja ohnehin keine Chance, dem wachsamen Auge des Finanzamtes zu entkommen. Und alle anderen bekamen die auch irgendwann in die Fänge. Es konnte also sein, dass die Frau vielleicht ein paar Schwierigkeiten befürchtete.

      Ich holte tief Luft. Rudi bedeutete mir mit einem Handzeichen zu schweigen. Er wollte diese Vernehmung ganz offensichtlich in die Hand nehmen.

      Ich zuckte mit den Schultern.

      Vielleicht erwies sich mein Kollege ja als sensiblerer Vernehmungsspezialist.

      „Hören Sie, wir sind vom BKA und nicht vom Finanzamt - wenn Sie verstehen, was ich meine.“

      Ein Ruck ging durch ihren sehr weiblichen und nahezu formvollendeten Körper.

      Sie hob trotzig den Kopf.

      „Natürlich weiß ich, was sie damit sagen wollen“, gab sie spitz zurück. „Gnädigerweise würden Sie von einer Überprüfung oder dergleichen absehen, wenn ich zu ihrer Zufriedenheit mit Ihnen kooperiere. Das ist es doch, worauf dieses miese Spiel hinausläuft, oder?“

      „Nein, ich wollte Ihnen damit eigentlich nur deutlich machen, dass wir an Informationen über Jimmy Talabani interessiert sind – und an sonst gar nichts“, erklärte Rudi leicht gereizt.

      „Ich bin – ich war – Jimmys Lebensgefährtin“, erklärte Jacqueline. „Keine Bordsteinschwalbe oder Eros-Center-Tussi. Und wenn Sie mir das nicht glauben, dann sehen Sie sich das hier an!“ Sie griff in ihre Jackentasche und holte eine Magnetkarte für das Türschloss hervor. Ich nahm sie an mich. „Jimmy hätte mir wohl kaum eine Karte für sein Penthouse gegeben, wenn er mich nur für ein paar Euro von der Straße aufgelesen hätte!“

      „Sie waren dabei, als Talabani starb“, sagte ich, diesmal etwas ruhiger. Es war eine Feststellung – keine Frage. „Oder müssen wir Sie erst mitnehmen und eine Gegenüberstellung mit dem Betreiber einer Geisterbahn organisieren?“

      Sie atmete tief durch. Ihre vollen Brüste hoben und senkten sich dabei.

      „Sie haben Recht, Kommissar...“, flüsterte sie schließlich.

      „...Kubinke.“

      „Ich bin mit Jimmy durch die Gegend gekreuzt und dann kam er irgendwie auf die Idee, zum neuen Fun Park zu fahren.“

      „Sie fuhren einfach nur durch die Gegend?“, fragte ich verwundert.

      „Ja.“

      „Ohne Ziel?“

      „Mit Jimmys gelben Ferrari macht das einfach Spaß.“

      „Dieser Ferrari wurde am Tatort nicht gefunden.“

      „Ich bin damit zurück nach Berlin Mitte gefahren, nachdem...“ Sie zögerte, ehe sie weiter sprach. „...es passiert ist. Ich war völlig fertig und stand unter Schock. In gewisser Weise trifft das immer noch zu. Ich kann das einfach noch nicht wirklich glauben. Plötzlich gehen Jimmy und seine Leibwächter einer nach dem anderen zu Boden. Es ging so verdammt schnell! Selbst seine Männer konnten überhaupt nichts tun, obwohl er immer nur Spitzen-Bodyguards engagiert hat.“ Sie atmete


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