„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“. Richard A. Huthmacher

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„So lasset uns ... den Staub von den Schuhen schütteln und sagen: Wir sind unschludig an Eurem Blut“ - Richard A. Huthmacher


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der Historiker Leopold von Ranke 1839, kennzeichne der ´Sieg des Fürstentums über das Rittertum, des Geschützes über die Burgen, insofern der neuen Zeit über die alte´ …“

      Luther hatte – wie bei all seinen politisch-strategischen Überlegungen – ein feines Gespür für die Machtverhältnisse im Land: Der Papst war weit weg, ein Stellvertreter Christi auf Erden nach dem anderen wurde vergiftet, auch die Macht des Kaisers schwand in Deutschland zunehmend, nicht zuletzt, weil er anderen, vermeintlich wichtigeren (Kriegs-)Schauplätzen als dem der so genannten Reformation seine Aufmerksamkeit schenkte; mit der Macht des Kaisers sank auch die der Ritter, die zunehmend zwischen dem Einfluss, den die aufblühende Geldwirtschaft den Städten sicherte, und den Machtinteressen der immer mehr erstarkenden Territorialherren (will meinen: der Deutschen Fürsten) aufgerieben wurden:

      „Das Mittelalter war um 1500 vorbei. Nur die Ritter hatten das noch nicht begriffen. Sie waren Modernisierungsverlierer und versuchten weiter, dem Gewaltmonopol der Landesherren zu trotzen und missachteten deren Anspruch auf Steuer- und Gerichtshoheit. Der Wormser Reichstag hatte 1495 einen ´ewigen´ Landfrieden beschlossen und das Fehderecht abgeschafft. Weil Sickingen sich nicht daran hielt, wurde im Oktober 1522 die Reichsacht gegen ihn verhängt. Damit war er vogelfrei. Als er ein halbes Jahr später starb, war mit der Zerstörung der Burg Nanstein auch die Kraft des Rittertums gebrochen.“

      Politisch klug stellte sich Luther auf die Seite seines Landesfürsten, Friedrichs des Weisen, des „Kaisermachers“. Und hatte offensichtlich „aufs richtige Pferd“ gesetzt, denn der Sachse hielt schützend seine Hand über Luther.

      Zur gleichen Zeit wie Franz von Sickingen gegen Trier rüsteten fränkische Ritter gegen die (bischöflichen) Fürstentümer Würzburg und Bamberg; deren (kirchliche) Territorialherrschaft sollte mit Gewalt zerschlagen werden. Summa summarum war der Ritterkrieg der „großangelegte Versuch, mit der Säkularisation geistlicher Fürstentümer gewaltsam die Reichsreform zu beginnen“.

      Die Reichsritter scheiterten, die fränkischen Ritter mussten sich den Heeren des Schwäbischen Bundes unter Führung Georgs von Truchseß, des berühmt-berüchtigten Bauern-Jörg geschlagen geben (der u.a. durch die Reichsstädte Augsburg, Nürnberg und Ulm finanzierte wurde und sich, namentlich in den Bauernkriegen, durch besondere Grausamkeit hervortat).

      Wie kurze Zeit später die blutige Niederwerfung des Bauernaufstandes stärkte auch die Niederschlagung der Ritteraufstände die Reichsfürsten erheblich und drängte die Reichsritterschaft für den weiteren Verlauf der Reformation in die Defensive, mehr noch: mehr oder weniger in die Bedeutungslosigkeit: „So zeichnete sich hier erstmals die Richtung ab, in der die Bändigung und Kanalisierung der reformatorischen Bewegung vor sich gehen sollte“ – zunächst waren die Reichsritter, dann die Volksmassen (durch die Niederschlagung des Bauernaufstandes) zu befrieden.

      Ideologisch-propagandistisch stand das gesellschaftliche Wagnis, durch das die Ritter gegen die real existierenden Machverhältnisse aufbegehrten, unter den Schlagworten: Freiheit, Gerechtigkeit und Gottes Wort (will meinen: Anwendung des Evangeliums auf Gesellschaftspraxis und Lebenswirklichkeit); es war Ulrich von Hutten, der diese Begriffe zum Motto machte.

      Hutten hatte – bei aller Friedfertigkeit in seiner Art (auch wenn er bei einem Raufhandel einen Franzos erstach) – gleichwohl das Ziel, „den inaugurierten heiligen Krieg gegen das Pfaffentum zu einer allgemeinen Sache der evangelischen Kräfte im deutschen Rittertum, Fürstentum und Städtetum zu machen“. An Luther schrieb er, Hutten (1520): „Verfechten wir die gemeinsame Freiheit: Befreien wir das unterdrückte Vaterland!“

      CUI BONO? VON DEN WITTENBERGER UNRUHEN BIS ZUM BAUERNKRIEG. 2. ZWINGLI, LUTHER UND DIE ANABAPTISTEN. ODER: DER KAMPF UM DIE „FULL SPECTRUM DOMINANCE“

      Lieber!

      Luther schlug (angeblich) 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche zu Wittenberg. Zwingli indes änderte mit einem Wurstessen den Lauf der Geschichte.

      Das Zürcher Wurstessen – nach dem Drucker Froschauer, der später die Zürcher Bibel (philologisch exakte, heute bei den Reformierten in der Schweiz gebräuchliche Bibelübersetzung) herausbrachte und bei dem „das Event“ veranstaltet wurde, auch Froschauer Wurstessen genannt –, dieses Zürcher Wurstessen fand am ersten Sonntag der Fastenzeit im Jahre 1522 statt, also exactement an jenem Sonntag Invocavit (auch Invocabit), an dem Luther längst die Seiten gewechselt (wenn er denn je auf Seiten des „gemeinen“ Volkes gestanden) und nur noch im Sinn hatte, (mit seinen Invocavit-Predigten) jedes Aufbegehren gegen die weltliche Obrigkeit möglichst schon im Keim zu ersticken.

      Zwingli verstieß mit dem von ihm inszenierten Wurstessen und Fastenbrechen demonstrativ gegen die Obrigkeit; für die Reformation in der Schweiz spielte dieser Akt „zivilen Ungehorsams“ eine ähnlich bedeutende Rolle wie (der Anschlag von) Luthers 95 Thesen im Jahr 1517. Ein Jahr nach dem legendären Wurstessen – und nach der 1. Zürcher Disputation, anlässlich derer Zwingli, dem Ketzerei vorgeworfen wurde, seine Thesen erfolgreich gegen die klerikale Obrigkeit zu verteidigen wusste – wurden die kirchlichen Fastengebote aufgehoben; eine ähnliche (symbolische) Bedeutung für die Reformation in der Schweiz hatte nur noch das Zürcher Nachtmahl, das – nach dem Verständnis sowie im Geiste von Erasmus – 1525 gefeiert wurde und zum Bruch der zwinglischen mit der lutherischen Bewegung führte.

      Wiewohl es nach Vieler Meinung nur Spitzfindigkeiten waren, „ob nun Christus beim Abendmahl in der Gemeinde persönlich anwesend ist, wie Luther glaubte, oder das Abendmahl eine rein symbolische Bekenntnishandlung ist, wie Zwingli dachte“.

      „Doch an jenen Glaubensfragen scheiterte schließlich Philipps [i.e.: Landgraf Philipps von Hessen] Plan einer Anti-Papst-Allianz von den Schweizer Alpen quer durch Deutschland bis zur Ostsee. Bei einem viertägigen Religionsgespräch im Oktober 1529 in Marburg beharrten sowohl Luther als auch Zwingli auf ihren Positionen, die Reformation war nun gespalten.“

      Anders als Luther ging Zwingli (ähnlich Thomas Münzer) seinen Weg – den des Aufbegehrens, des Widerstands und der offenen Revolte – konsequent zu Ende: In der Schlacht bei Kappel (1531) wurde Zwingli festgenommen, getötet und gevierteilt (oder andersherum in der Reihenfolge, manche Chronisten sprechen auch schlicht davon, man habe ihn in Stücke gehauen), anschließend wurde der Leichnam verbrannt; der Tod des einen, sprich: Zwinglis, gibt dem andern, dice: Luther, Recht. „Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen“ (Matthäus 26,52), erlaubte sich der Wittenberger, sinnigerweise und voll des ihm eigenen Mitgefühls, anzumerken.

      Derart schändlich endet das Leben Zwinglis, das so hoffnungsfroh begann; nie hielt er die menschliche Vernunft für eine „Hure“ (wie Luther dies tat: „Ebenso verderbt wie die menschliche Natur sei der Menschen Verstand; deshalb könne die Vernunft ´keine gerechten Urteile … fällen´. Damit gibt es … bei Luther … keine vernünftige Begründung … für … Norm und Gesetz … [Diese] können reinste Willkür, purer Despotismus sein. Sie brauchen keine innere Begründung in der Vernunft des Menschen … So entmündigt Luther … [diesen, den Mensch], indem er sein edelstes Organ, die Vernunft, verketzert und die Philosophie zur ´Hure´ herabwürdigt. Damit desavouiert er am Ende aber auch seine eigene Lehre … Denn eine vernünftige Begründung … [ebenso] seiner Lehre … [wie] seiner Verdikte gegen andere [Lehren] kann es … nicht … geben, da … die Vernunft … keine Rolle spielen darf. Ist sie doch … bei allem … Erkennen heillos fehl am Platz“).

      [Anmerkung des Herausgebers: Geschieht solches nicht gleichermaßen anno Domini 2020, wenn ein Erkältungs-Virus zur Pestilenz erklärt wird und ein Test, der einschlägigen Viren aufspüren soll, gleichermaßen Papayas, Kamele, Ziegenböcke, Tee oder Wasser, kurzum: alles, was (oder auch nicht) kreucht und fleucht, schlichtweg alle RNA-Nukleinsäure-Partikel nachweist, die nicht bis drei auf einen Baum flüchten können? Hat menschliche Vernunft, mithin, ein halbes Jahrtausend gebraucht, um hinter lutherische Irrationalität zurückzufallen?]

      Im Gegensatz zu Luther bewunderte Zwingli die Humanisten Erasmus von Rotterdam und Pico della Mirandola („Viele nennen ihn nur Pico. Er hat vor mehr als 500 Jahren das humanistische Denken geprägt. Im Vorfeld der Reformation sah Pico


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