Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.er.
»Nein, noch net. Sie liegen in der Kiste hinter dem Schuppen.
»Dank’ schön«, nickte der Bergpfarrer und ging hinaus.
Hinten im Garten stand der Geräteschuppen, in dem das Gartenwerkzeug eine Schubkarre und Holz für den Kamin lagerte. Gleich daneben gab es eine gezimmerte Kiste, in der die Zeitungen und Zeitschriften aufbewahrt wurden, bis sie im Altpapier landeten. Sebastian suchte den Stapel durch. Besonders auf die Nummern der letzten vier Wochen kam es ihm an. Erleichtert atmete er auf, als er sie wohl sortiert in der Kiste fand. Er nahm die Zeitungen heraus und ging ins Arbeitszimmer zurück. Dort suchte er die Artikel zusammen, die sich mit dem Betrugsskandal in der Anlagefirma befaßten. Schließlich sah er, was er zu finden gehofft hatte – das Foto des gesuchten Mitinhabers Thomas Neumayr.
Der Seelsorger brauchte nicht lange um festzustellen, daß es sich bei dem Abgebildeten um den Mann handelte, mit dem er gestern nachmittag gesprochen hatte.
*
»Das machst’ schon recht gut«, lobte der Brandtnerbauer seinen neuen Knecht.
Gleich nach dem Frühstück waren sie noch einmal in den Bergwald hinaufgefahren. Heute sollten die geschlagenen Baumstämme von einem Fuhrunternehmer abgeholt werden, der sie zur Sägemühle brachte. Thomas war gerade damit fertig geworden, die Stämme von den Ästen zu befreien.
Der Bursche war ebenfalls zufrieden mit seiner Arbeit. Dafür, daß es das erste Mal war, daß er eine Motorsäge in der Hand hielt, hatte er sich recht geschickt angestellt, fand er.
Das Brummen des Lastwagens durchschnitt die Stille des Waldes. Kurze Zeit später hielt der Fahrer auf der Lichtung an. Der Bauer begrüßte ihn, die beiden kannten sich schon von anderen Fahrten, die das Unternehmen für das Sägewerk getätigt hatte.
»Früher war’s eine Heidenarbeit«, erzählte der Brandtner seinem Knecht, während sie zuschauten, wie die Stämme mit dem großen Greifarm aufgenommen und auf den Hänger geladen wurden. »Da mußte das alles noch von Hand erledigt werden.«
Thomas konnte sich gut vorstellen, was für eine Plackerei das gewesen sein mußte. Der Fahrer verabschiedete sich, und die beiden Männer machten sich daran, die abgesägten Äste zu verladen. Als sie auf den Hof zurückkehrten, war es gerade Mittagszeit. Andrea briet Fleischpflanzerl, als Thomas hereinkam.
»Hm, das riecht aber lecker«, sagte er und lächelte sie an. »Was gibt’s denn dazu?«
»Bay’risch Kraut«, antwortete das Madel und senkte den Blick wieder.
Seit ihrer ersten Begegnung geschah es immer wieder, daß die Bauerntochter in Gegenwart des Knechtes verlegen wurde. Zuerst hatte sie es gar nicht wahrhaben wollen, doch inzwischen mußte Andrea sich eingestehen, daß Thomas Korber ein sehr attraktiver Mann war. Auch wenn er seine Arbeitskleidung trug, wirkte er irgendwie elegant auf sie, und ihr erster Eindruck, er gehöre eher in ein Büro, verstärkte sich immer mehr.
Und wie er mit ihr sprach!
Nichts von dieser ungehobelten Ausdrucksweise, die so mancher Bursche aus dem Tal an den Tag legte. Thomas’ Stimme hatte einen angenehmen Klang, und die Worte schienen stets sorgfältig gewählt. Immer mehr war Andrea der Überzeugung, daß dieser Mann aus einer gänzlich anderen Welt stammte. Einer Welt, die sie nur aus dem Fernsehen und Zeitschriften kannte.
Nur, was wollte er hier bei den einfachen Leuten?
Wollte er einfach nur mal ausprobieren, wie das Leben auf einem Bergbauernhof war? Hatte er vielleicht genug von der eintönigen Arbeit, die ein Bürojob mit sich brachte und nutzte seinen Urlaub dazu, einmal etwas ganz anderes zu machen?
Oder versteckte er sich gar? War er möglicherweise auf der Flucht und hatte hier einen Unterschlupf gesucht?
Irgendein Geheimnis umgab Thomas Korber, da war sich Andrea ganz sicher. Nur zu gern hätte sie es gelüftet, aber gleichzeitig hatte sie auch Angst, etwas zu entdecken, das ihre Illusion zerstörte – die Vorstellung von dem Mann ihrer Träume, die er so trefflich verkörperte.
»Das ist ja eine Köstlichkeit«, meinte Thomas. »So etwas bekommt man ja net einmal in einem Drei-Sterne-Restaurant.«
Das Madel zuckte die Schultern.
»Dazu kann ich nix sagen«, antwortete es. »Ich war noch nie in einem Drei-Sterne-Lokal.«
Dabei sah die Bauerntochter ihn merkwürdig an.
Der Knecht biß sich auf die Lippen. Er würde vorsichtiger sein müssen mit dem, was er sagte. Hatte er sich vielleicht schon durch diese unbedachte Äußerung verraten?
Andrea hatte sich wieder dem Herd zugewandt. Thomas atmete innerlich auf. Was er gesagt hatte, schien sie nicht weiter nachdenklich zu machen.
»Kann ich was helfen?« erkundigte er sich.
»Dank’ schön«, gab sie mit einem Kopfschütteln zurück. »Es ist soweit alles fertig. Ich wart’ nur noch auf die Eltern.«
Thomas hatte sich bereits auf die Eckbank gesetzt, als der Bauer und seine Frau hereinkamen.
»Andrea und ich fahren heut’ nachmittag ins Krankenhaus«, sagte Maria Brandtner beim Essen. »Brauchst’ noch was aus der Stadt, was wir mitbringen können?«
Die Frage war an den Knecht gerichtet.
»Ich hab’ alles, was ich brauch’« erwiderte er. »Aber vielen Dank für das Angebot.«
Er deutete auf die Pfanne mit den Fleischpflanzerln und auf die Schüssel mit dem Kraut.
»Also, das schmeckt wirklich toll.«
»Ja, kochen kann uns’re Andrea«, nickte der Bauer. »Und auch sonst ist sie perfekt in allem, was sie anpackt. Der Mann, der sie einmal bekommt, kann sich glücklich schätzen.«
Berechtigter Stolz war aus seinen Worten zu hören.
»Ach, Vater, laß doch…«, meinte das Madel halb verärgert, halb verlegen.
Thomas schmunzelte.
»Gibt’s denn schon einen, der in Frage kommt?«
Andrea legte mit einer wütenden Bewegung ihre Gabel aus der Hand.
»Ich weiß wirklich net, warum das Thema unser Tischgespräch sein muß«, rief sie wirklich erbost und stand auf.
»Entschuldigung, ich wollt’ net indiskret sein«, sagte der Knecht rasch und hob bittend die Hand.
»Ach, laßt mich doch alle in Ruh’«, gab sie zurück und lief hinaus.
Die Tür knallte hinter ihr zu.
Thomas Korber sah den Bauern und dessen Frau bestürzt an.
»Das tut mir jetzt aber wirklich leid«, versicherte er. »Ich wollt’ sie gewiß net verärgern.«
»Ach was«, schüttelte der Brandtnerbauer den Kopf. »Die beruhigt sich schon wieder. Außerdem versteh’ ich überhaupt net, warum sie da so ein großes Geheimnis d’raus macht. Sie und der Lorenz, das ist der Sohn vom Nachbarn, daß die einmal heiraten werden, steht doch eh fest.«
»Für dich vielleicht«, mischte sich seine Frau zweifelnd ein. »Für Andrea noch lang’ net.«
Der Knecht legte sein Besteck auf den Teller und lehnte sich nachdenklich zurück. Ihm war aufgefallen, daß das Madel ihn immer mit einem besonderen Blick anschaute, wenn es glaubte, daß er es nicht bemerkte. Die Reaktion auf seine Frage nach einem Bräutigam war auch bezeichnend.
Sollte Andrea sich etwa in ihn verliebt haben?
Alle Anzeichen sprachen dafür. Gleichzeitig wurde ihm bewußt, daß es völlig unmöglich war. Unter keinen Umständen durfte er sich auf so etwas einlassen. Nicht in seiner jetzigen Situation.
Zugegeben – ein hübscheres Madel war ihm bisher nicht begegnet und ihre frische, liebenswerte Art war ihm gleich sympathisch gewesen. Da konnte man schon in Versuchung geraten.