H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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Mes­ser durch­sucht. Auch glau­ben sie nicht, dass er her­ein­ge­kom­men ist. Sie ha­ben nichts be­merkt –«

      »Ha­ben Sie das Tor ge­schlos­sen?«, frag­te der ers­te Kut­scher.

      »Ich habe wirk­lich die Kin­der­schu­he schon aus­ge­tre­ten«, ver­setz­te der Wirt.

      Der Mann mit dem Bart steck­te sei­nen Re­vol­ver ein. Im sel­ben Au­gen­blick wur­de die Klap­pe der Schank­tür zu­ge­schla­gen, die Rie­gel klirr­ten, dann schnapp­te das Schloss mit fürch­ter­li­chem Ge­tö­se ein und die Gast­zim­mer­tür wur­de auf­ge­ris­sen. Sie hör­ten Mar­vel wie ein ge­fan­ge­nes Tier quiet­schen und spran­gen über den Schank­tisch, um ihm zu Hil­fe zu kom­men. Der Re­vol­ver des Bär­ti­gen knack­te und der Spie­gel am an­de­ren Ende des Schank­zim­mers fiel in tau­send Sp­lit­tern zu Bo­den.

      Als der Wirt das Zim­mer be­trat, sah er Mar­vel in ei­ner sehr son­der­ba­ren Stel­lung zu­sam­men­ge­krümmt an der Tür, die in den Hof und in die Kü­che führ­te, her­um­ar­bei­ten. Wäh­rend der Wirt noch zö­ger­te, flog die Tür auf und Mar­vel wur­de in die Kü­che ge­zerrt. Man hör­te einen Auf­schrei und das Klir­ren von Schüs­seln. Mar­vel, der sich mit al­ler Kraft ge­gen die un­sicht­ba­re Ge­walt sträub­te, wur­de kopf­über in die Kü­che ge­sto­ßen und die Tür hin­ter ihm ver­rie­gelt.

      Der Schutz­mann, der ver­sucht hat­te, am Wirt vor­bei­zu­kom­men, stürz­te nach; ei­ner der Kut­scher folg­te. Er um­klam­mer­te das Ge­lenk der un­sicht­ba­ren Hand, wel­che Mar­vel am Kra­gen fest­hielt, be­kam einen Schlag ins Ge­sicht und fiel tau­melnd zu­rück. Die Tür öff­ne­te sich wie­der, und Mar­vel mach­te ver­zwei­fel­te An­stren­gun­gen, da­hin­ter Schutz zu fin­den. Dann pack­te der Kut­scher et­was Fes­tes …

      »Ich habe ihn!«, rief er.

      Die ro­ten Hän­de des Schank­wirts um­klam­mer­ten et­was Un­sicht­ba­res.

      »Da ist er!«, schrie er.

      Mr. Mar­vel sah sich be­freit, glitt rasch zu Bo­den und ver­such­te, hin­ter den Bei­nen der Kämp­fen­den weg­zu­krie­chen. Der Kampf zog sich um die Tür­kan­te her­um. Zum ers­ten Male hör­te man die Stim­me des Un­sicht­ba­ren, der laut auf­schrie, als ihm der Po­li­zist auf den Fuß trat. Dann stieß er wil­de Rufe aus und sei­ne Fäus­te flo­gen her­um wie Dresch­fle­gel. Der Kut­scher stöhn­te plötz­lich auf und wand sich un­ter ei­nem Stoß, der ihn in den Ma­gen ge­trof­fen hat­te. Die Tür, die aus der Kü­che ins Gast­zim­mer führ­te, wur­de zu­ge­schla­gen und deck­te Mr. Mar­vels Rück­zug. Die Män­ner in der Kü­che sa­hen plötz­lich, dass sie im Lee­ren her­um­grif­fen und ge­gen lee­re Luft an­kämpf­ten.

      »Wo ist er hin­ge­kom­men?«, schrie der Mann mit dem Bart. »Hin­aus?«

      »Hier­her«, ant­wor­te­te der Po­li­zist, in den Hof hin­austre­tend und dann ste­hen­blei­bend.

      Ein hal­ber Dach­zie­gel wir­bel­te an sei­nem Kopf vor­bei und zer­schmet­ter­te das Ge­schirr und die Töp­fe auf dem Kü­chen­tisch.

      »Ich wer­de es ihm schon zei­gen!«, schrie der Mann mit dem schwar­zen Bart, ein ei­ser­ner Lauf glänz­te über der Schul­ter des Po­li­zis­ten und fünf Schüs­se wur­den in ra­scher Auf­ein­an­der­fol­ge in der Rich­tung ab­ge­ge­ben, aus wel­cher der Zie­gel ge­flo­gen war. Wäh­rend er feu­er­te, hat­te der Bär­ti­ge die Hand in ho­ri­zon­ta­ler Li­nie be­wegt, so­dass die Schüs­se in dem en­gen Hof wie die Spei­chen ei­nes Ra­des ne­ben­ein­an­der la­gen.

      Tie­fes Schwei­gen folg­te. »Fünf Pa­tro­nen«, sag­te der Bär­ti­ge, »das ist im­mer das Bes­te. Fünf Schüs­se, dar­un­ter ein Tref­fer. Eine La­ter­ne her! Wir müs­sen nach sei­nem Kör­per tas­ten.«

      17. Kapitel – Dr. Kemps Gast

      Dr. Kemp hat­te in sei­nem Stu­dier­zim­mer wei­ter­ge­schrie­ben, bis die Schüs­se ihn auf­scheuch­ten. Krack, krack, krack, ka­men sie, ei­ner nach dem an­de­ren.

      »Hal­lo!«, sag­te Dr. Kemp, steck­te den Fe­der­hal­ter wie­der in den Mund und horch­te. »Wer schießt denn in Bur­dock Re­vol­ver los? Was ma­chen die­se Esel schon wie­der?«

      Er ging zum Süd­fens­ter, stieß es auf und blick­te, sich weit hin­aus­leh­nend, auf die schim­mern­den Li­ni­en er­leuch­te­ter Fens­ter und Kauf­lä­den und die Gas­la­ter­nen, de­ren Rei­hen durch die dunklen Dä­cher und Höfe un­ter­bro­chen wur­de: das Nacht­bild der Stadt. »Es sieht aus wie ein Zu­sam­men­lauf bei den ›lus­ti­gen Cricke­tern‹ un­ten«, sag­te er. Dann wan­der­te sein Auge weit über die Stadt, bis dort­hin, wo die Schiffs­la­ter­nen glänz­ten und der Lan­dungs­platz in hel­lem Licht er­strahl­te. Über dem west­lich ge­le­ge­nen Hü­gel stand der Mond in sei­nem ers­ten Vier­tel und die Ster­ne schie­nen klar und fun­kel­ten in fast süd­li­chem Glan­ze.

      Nach fünf Mi­nu­ten, wäh­rend wel­cher sein Geist in die Be­trach­tung der so­zia­len Ver­hält­nis­se der Zu­kunft ver­sun­ken war und sich in der Unend­lich­keit der Zeit ver­lo­ren hat­te, er­mann­te sich Dr. Kemp mit ei­nem Seuf­zer, schloss das Fens­ter und kehr­te zu sei­nem Schreib­tisch zu­rück.

      Es muss un­ge­fähr eine Stun­de spä­ter ge­we­sen sein, als die Haus­glo­cke er­tön­te. Seit er die Schüs­se ver­nom­men hat­te, hat­te er ganz zer­streut ge­ar­bei­tet und war nicht recht bei der Sa­che. Er lausch­te, hör­te das Mäd­chen die Haus­tür öff­nen und war­te­te dar­auf, ihre Schrit­te auf der Trep­pe zu hö­ren; aber sie kam nicht. »Was das ge­we­sen sein mag?«, sag­te Dr. Kemp.

      Er ver­such­te, sei­ne Ar­beit wie­der auf­zu­neh­men, doch ge­lang ihm dies nicht; er er­hob sich, ging auf den Flur hin­un­ter, läu­te­te und rief dem Haus­mäd­chen, das in der Vor­hal­le un­ten er­schi­en, über das Trep­pen­ge­län­der zu: »War das ein Brief?«

      »Nur ein blin­des Läu­ten, Herr!«, er­wi­der­te sie.

      »Ich kom­me heu­te Abend nicht zur Ruhe«, sag­te er zu sich selbst. Dann kehr­te er in sein Stu­dier­zim­mer zu­rück und mach­te sich ent­schlos­sen an sei­ne Ar­beit.

      Kur­ze Zeit dar­auf war er wie­der in sein Werk ver­tieft und das ein­zi­ge Geräusch, das man im Zim­mer ver­nahm, war das Ti­cken der Uhr und das lei­se Krat­zen der Fe­der, die er ge­ra­de im Mit­tel­punkt des Licht­krei­ses, den die Lam­pe auf den Schreib­tisch warf, über das Pa­pier ei­len ließ.

      Es wur­de zwei Uhr, be­vor Dr. Kemp sei­ne Ar­beit be­en­det hat­te. Dann er­hob er sich gäh­nend und ging in das obe­re Stock­werk, um sich zu Bet­te zu be­ge­ben. Er hat­te Rock und Wes­te be­reits ab­ge­legt, als er Durst ver­spür­te, So nahm er ein Licht und ging in die Spei­se­kam­mer hin­un­ter, um So­da­was­ser und Whis­ky zu ho­len.

      In­fol­ge sei­ner wis­sen­schaft­li­chen Un­ter­su­chun­gen war Dr. Kemp ge­wöhnt, al­les auf­merk­sam zu be­trach­ten. Als er durch die Vor­hal­le zu­rück­ging, be­merk­te er in der Nähe der Fuß­mat­te einen dunklen Fleck auf dem Lin­ole­um­tep­pich. Er ging wei­ter, emp­fand aber plötz­lich das Ver­lan­gen, den Fleck auf dem Lin­ole­um zu un­ter­su­chen. Au­gen­schein­lich trieb ihn et­was Un­be­wuss­tes. Wie dem auch sei, er kehr­te um und ging noch­mals in die Hal­le. Hier stell­te er So­da­was­ser und Whis­ky nie­der, beug­te sich zur Erde und be­rühr­te den Fleck. Ohne be­son­ders be­trof­fen zu sein, fand er, dass der­sel­be, nach Far­be und Kle­b­rig­keit


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