H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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dar­auf, dass Hall schwei­gen sol­le, wäh­rend Hen­frey ihr die Ge­schich­te er­zähl­te. Sie war ge­neigt, das Gan­ze für Un­sinn zu hal­ten – viel­leicht hät­ten sie bloß mit dem Tisch und den Ses­seln ge­rückt.

      »Ich hör­te ihn ganz be­stimmt ›schänd­lich‹ sa­gen«, ver­si­cher­te Hall.

      »Das habe ich auch ge­hört, Mrs. Hall«, be­stä­tig­te Hen­frey.

      »Was ist Be­son­de­res da­bei?«, be­gann Mrs. Hall.

      »Pst!«, sag­te Mr. Ted­dy Hen­frey. »Hör­te ich nicht das Fens­ter ge­hen?«

      »Wel­ches Fens­ter?«, frag­te Mrs. Hall.

      »Das im Gast­zim­mer«, er­wi­der­te Hen­frey.

      Alle lausch­ten ge­spannt. Mrs. Halls Blick war ge­ra­de­aus ge­rich­tet, und ohne et­was zu se­hen, blick­te sie auf die glän­zen­den Holz­strei­fen der Tor­ein­fas­sung, die wei­ße, be­leb­te Stra­ße und auf Hux­ters Aus­la­ge­fens­ter, in dem sich die Ju­ni­son­ne spie­gel­te. Plötz­lich öff­ne­te sich die Tür von Hux­ters La­den, und Hux­ter selbst er­schi­en, leb­haft ges­ti­ku­lie­rend, mit er­regt fun­keln­den Au­gen.

      »Hal­lo!«, schrie er. »Hal­tet den Dieb!« Er lief quer über die Stra­ße auf das Hof­tor zu, hin­ter dem er ver­schwand.

      Zu­gleich er­tön­te im Wohn­zim­mer ein Geräusch, als ob ein Fens­ter ge­schlos­sen wür­de.

      Hall, Hen­frey und alle üb­ri­gen in der Schank­stu­be stürz­ten in bun­tem Durchein­an­der auf die Stra­ße. Sie sa­hen je­mand schnell um die Ecke nach der Düne zu ab­bie­gen und Mr. Hux­ter einen kom­pli­zier­ten Luft­sprung aus­füh­ren, wel­cher da­mit en­de­te, dass sei­ne Schul­tern und sein Ge­sicht den Erd­bo­den be­rühr­ten. Ver­wun­dert blie­ben die Leu­te auf der Stra­ße ste­hen, dann eil­ten sie vor.

      Mr. Hux­ter hat­te die Be­sin­nung ver­lo­ren, Hen­frey blieb ste­hen, um die Tat­sa­che fest­zu­stel­len, wäh­rend Hall und zwei Ar­bei­ter aus der Schank­stu­be gleich­zei­tig vor­wärts stürz­ten, wo­bei sie un­ver­ständ­li­che Rufe aus­stie­ßen. Sie sa­hen Mr. Mar­vel bei der Kir­che um die Ecke ver­schwin­den. Hier­auf schie­nen sie zu der un­mög­li­chen Schluss­fol­ge­rung ge­langt zu sein, dass der Un­sicht­ba­re plötz­lich sicht­bar ge­wor­den sei, und be­gan­nen ihn so­fort zu ver­fol­gen. Aber Hall war kaum ein Dut­zend Schritt weit ge­kom­men, als er einen lau­ten Ruf des Er­stau­nens aus­stieß und kopf­über zur Sei­te flog, wo­bei er sich an einen der Ar­bei­ter klam­mer­te und die­sen mit sich zu Bo­den riss. Der zwei­te Ar­bei­ter kam auf ei­nem Um­we­ge nä­her, blick­te die bei­den ver­wun­dert an und setz­te, als er be­merk­te, dass Hall ohne äu­ße­re Ur­sa­che nie­der­ge­stürzt sei, sei­nen Weg fort, um so­fort einen Fuß­tritt zu er­hal­ten, der ihn, wie vor­her Hux­ter, zu ei­ner wei­te­ren Ver­fol­gung un­fä­hig mach­te. Als dann der ers­te Ar­bei­ter einen Ver­such mach­te, sich auf die Füße zu stel­len, wur­de er durch einen Schlag, der kräf­tig ge­nug ge­we­sen wäre, einen Och­sen zu fäl­len, bei­sei­te ge­schleu­dert.

      Im sel­ben Au­gen­blick bo­gen die Leu­te, die von der Dorf­wie­se her­bei­ge­eilt wa­ren, um die Ecke. Als ers­ter er­schi­en der Ei­gen­tü­mer der Ko­kos­nuss­bu­de, ein kräf­ti­ger Mann in ei­ner blau­en Jer­sey­ja­cke. Er war nicht we­nig ver­wun­dert, die Stra­ße bis auf drei Men­schen, die sich mit selt­sa­men Be­we­gun­gen am Bo­den wälz­ten, leer zu fin­den. Und dann ge­sch­ah et­was mit ei­nem sei­ner Bei­ne, er stürz­te nie­der und ku­gel­te ge­ra­de zur rech­ten Zeit auf die Sei­te, um sich in den Bei­nen sei­nes Bru­ders und Ge­schäfts­teil­ha­bers zu ver­fan­gen, der ihm kopf­über folg­te. Und dann kam eine gan­ze Men­ge über­eif­ri­ger Men­schen her­an, die auf sie trat, über sie fiel und hef­tig fluch­te.

      Als Hall mit Hen­frey und den bei­den Ar­bei­tern aus dem Hau­se ge­eilt war, war Mrs. Hall, die durch lang­jäh­ri­ge Er­fah­rung Selbst­be­herr­schung ge­lernt hat­te, in der Schank­stu­be bei der Geld­la­de zu­rück­ge­blie­ben. Plötz­lich öff­ne­te sich die Wohn­zim­mer­tür und Mr. Cuss er­schi­en. Er lief, ohne sie an­zu­bli­cken, die Stu­fen hin­un­ter, der Stra­ßen­bie­gung zu. »Hal­tet ihn!«, schrie er, »gebt acht, dass er das Bün­del nicht weg­wirft! So lan­ge er das Bün­del trägt, kann man ihn se­hen!«

      Er wuss­te nichts von der Exis­tenz Mar­vels, denn der Un­sicht­ba­re hat­te die­sem die Bü­cher und das Bün­del im Hof über­ge­ben. Das Ant­litz Mr. Cuss’ war zor­nig und ent­schlos­sen, aber sein An­zug war sehr man­gel­haft – eine Art lo­sen, wei­ßen Kit­tels, der nur im al­ten Grie­chen­land ei­ner Mus­te­rung stand­ge­hal­ten hät­te. »Hal­tet ihn!«, brüll­te er. »Er hat mei­ne Ho­sen! – und die Klei­der des Pfar­rers, Stück für Stück!«

      »Gleich will ich ihm nach!«, rief er Hen­frey zu, als er an dem am Bo­den lie­gen­den Hux­ter vor­bei­kam; aber als er um die Ecke bog, um sich der Men­ge an­zu­schlie­ßen, sah man ihn plötz­lich in sehr un­äs­the­ti­scher Wei­se auf der Erde lie­gen. Je­mand kam in vol­ler Hast vor­bei und trat ihm schwer auf die Fin­ger. Er schrie auf und ver­such­te auf die Füße zu kom­men. Da wur­de er noch­mals ge­sto­ßen und nie­der­ge­wor­fen und be­merk­te end­lich, dass die Ver­fol­gung des Un­sicht­ba­ren sich in eine Flucht ver­wan­delt hat­te. Al­les eil­te nach dem Dor­fe zu­rück. Wäh­rend er sich aber­mals er­hob, be­kam er eine schal­len­de Ohr­fei­ge, die ihn zum Wan­ken brach­te. Dann trat er den Rück­weg nach dem »Fuhr­mann« an und sprang da­bei über den von al­ler Welt ver­las­se­nen Hux­ter, der sich jetzt auf­ge­setzt hat­te, hin­weg.

      Als er die Stu­fen zum Gast­hof halb er­stie­gen hat­te, ver­nahm er hin­ter sich einen plötz­li­chen Wut­schrei, der sich von dem Stim­men­ge­wirr deut­lich un­ter­schied, und einen weit­hin tö­nen­den Schlag in je­man­des Ge­sicht. Er er­kann­te die Stim­me als die­je­ni­ge des Un­sicht­ba­ren, und sie klang wie die ei­nes Men­schen, der durch einen hef­ti­gen Schmerz in Wut ver­setzt wird.

      Im nächs­ten Au­gen­blick war Cuss wie­der im Gast­zim­mer.

      »Er kommt zu­rück, Bun­ting!«, rief er, hin­ein­stür­zend. »Ret­ten Sie sich!«

      Mr. Bun­ting stand am Fens­ter und war eif­rig da­mit be­schäf­tigt, sich so gut als mög­lich in einen Tep­pich und die »West-Sur­rey-Zei­tung« ein­zuhül­len.

      »Wer kommt zu­rück?«, rief er, er­schreckt auf­fah­rend, so­dass sein im­pro­vi­sier­ter An­zug nahe dar­an war, ihm zu ent­glei­ten.

      »Der Un­sicht­ba­re!«, er­wi­der­te Cuss und eil­te ans Fens­ter. »Wir soll­ten lie­ber von hier fort! Er kämpft wie wahn­sin­nig! Wie wahn­sin­nig!«

      Im nächs­ten Au­gen­blick war er be­reits im Hof.

      »Gü­ti­ger Him­mel!«, sag­te Mr. Bun­ting, zwi­schen zwei ent­setz­li­chen Al­ter­na­ti­ven schwan­kend. Er hör­te einen furcht­ba­ren Kampf im Vor­hau­se und sein Ent­schluss war ge­fasst. Er klet­ter­te aus dem Fens­ter, brach­te sei­ne Klei­dung so gut wie mög­lich in Ord­nung und floh, so schnell ihn sei­ne kur­z­en, di­cken Bei­ne tra­gen woll­ten.

      Von dem Au­gen­blick an, da der Un­sicht­ba­re vor Wut ge­schri­en, und Mr. Bun­ting sei­ne denk­wür­di­ge Flucht durch das Dorf be­werk­stel­ligt hat­te, wird es un­mög­lich, eine zu­sam­men­hän­gen­de Dar­stel­lung der Er­eig­nis­se in Iping zu ge­ben. Mög­li­cher­wei­se ging des Un­sicht­ba­ren Ab­sicht ur­sprüng­lich


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