H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

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H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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schi­en, wie Mr. Hux­ter be­haup­tet, vor dem Be­tre­ten des Gast­ho­fes einen schwe­ren in­ne­ren Kampf zu kämp­fen. End­lich stieg er die Stu­fen hin­auf, wen­de­te sich nach links und öff­ne­te die Tür zum Gast­zim­mer. Mr. Hux­ter hör­te Stim­men aus die­sem Raum und aus der Schank­stu­be, die den Mann über sei­nen Irr­tum be­lehr­ten.

      »Das ist ein Pri­vat­zim­mer!«, sag­te Hall, wor­auf der Frem­de ver­dros­sen die Tür schloss und in die Schank­stu­be ging.

      Nach Ver­lauf von we­ni­gen Mi­nu­ten er­schi­en er wie­der, sich mit dem Han­drücken über den Mund fah­rend und mit ei­ner Mie­ne ru­hi­ger Zufrie­den­heit, die Mr. Hux­ter, er wuss­te nicht warum, un­na­tür­lich vor­kam. Er blick­te sich rasch nach al­len Sei­ten um, und dann sah ihn Mr. Hux­ter in son­der­bar ge­heim­nis­vol­ler Wei­se nach dem Tor des Ho­fes schlei­chen, auf den das Fens­ter des Gast­zim­mers hin­aus­ging. Nach kur­z­em Zö­gern lehn­te sich der Frem­de an einen Tor­pfos­ten, zog eine kur­ze Ton­pfei­fe her­aus und be­gann sie zu stop­fen. Die Fin­ger zit­ter­ten ihm da­bei. Er zün­de­te die Pfei­fe un­ge­schickt an und be­gann trä­ge mit ver­schränk­ten Ar­men zu rau­chen – eine Hal­tung, die sei­ne ge­le­gent­li­chen, schnel­len Bli­cke auf den Hof al­ler­dings Lü­gen straf­ten.

      All dies sah Mr. Hux­ter durch das Aus­la­ge­fens­ter; das son­der­ba­re Be­neh­men des Man­nes ver­an­lass­te ihn auch, sei­ne Beo­b­ach­tun­gen fort­zu­set­zen.

      Plötz­lich rich­te­te sich der Frem­de auf und steck­te die Pfei­fe in die Ta­sche. Dann ver­schwand er im Hofe. Auf das hin sprang Mr. Hux­ter, dem es mit ei­nem Male klar wur­de, dass er Zeu­ge ei­nes Dieb­stahls sei, über den La­den­tisch und rann­te auf die Stra­ße, um dem Dieb den Weg ab­zu­schnei­den. Kaum war er dort an­ge­langt, als sich Mr. Mar­vel wie­der zeig­te, den Hut auf der Sei­te, ein großes Bün­del in ei­nem blau­en Tisch­tu­che in der einen und drei, wie sich spä­ter her­aus­stell­te, mit den Ho­sen­trä­gern des Pfar­rers zu­sam­men­ge­bun­de­ne Bü­cher in der an­de­ren Hand. So­bald er Mr. Hux­ter sah, stieß er einen Schrei aus, wen­de­te sich nach links und be­gann zu lau­fen. »Hal­tet den Dieb!«, schrie Mr. Hux­ter und eil­te ihm nach.

      Mr. Hux­ters Beo­b­ach­tun­gen wa­ren deut­lich, aber von kur­z­er Dau­er. Er sah den Mann ge­ra­de vor sich um die Ecke bei der Kir­che bie­gen und ge­gen die Stra­ße nach der Düne zu ren­nen. Er sah die Fah­nen und Lust­bar­kei­ten des Dor­fes, und nur ein oder zwei Leu­te wen­de­ten sich nach ihm um. Noch­mals brüll­te er: »Hal­tet den Dieb!«, und setz­te kühn die Ver­fol­gung fort. Kaum war er aber zehn Schritt wei­ter­ge­kom­men, als sein Schien­bein an ir­gend et­was Ge­heim­nis­vol­les an­s­tieß und er nicht län­ger lief, son­dern mit un­glaub­li­cher Schnel­lig­keit durch die Luft flog. Er sah noch, wie sich sein Kopf un­heim­lich rasch der Erde nä­her­te. Dann schi­en die Welt in eine Mil­li­on wir­beln­der Licht­fle­cke zu zer­stie­ben, und »die fol­gen­den Er­eig­nis­se in­ter­es­sier­ten ihn nicht mehr«.

      11. Kapitel – Im »Fuhrmann«

      Um ge­nau zu ver­ste­hen, was im Gast­hof vor­ge­gan­gen war, muss man auf den Au­gen­blick zu­rück­grei­fen, wo Mr. Mar­vel zu­erst von Mr. Hux­ters Fens­ter aus ge­se­hen wur­de.

      Zur sel­ben Zeit wa­ren Mr. Cuss und Mr. Bun­ting im Gast­zim­mer. Sie be­spra­chen ernst­haft die selt­sa­men Er­eig­nis­se des Mor­gens und un­ter­such­ten mit Mr. Halls Er­laub­nis die Hab­se­lig­kei­ten des Un­sicht­ba­ren aufs gründ­lichs­te. Jaf­fers hat­te sich von sei­nem Sturz teil­wei­se er­holt und war un­ter der Ob­hut teil­neh­men­der Freun­de nach Hau­se ge­schafft wor­den. Mrs. Hall hat­te die ver­streu­ten Klei­dungs­stücke des Frem­den weg­ge­räumt und die Stu­be in Ord­nung ge­bracht. Und bei dem Ti­sche am Fens­ter, wo der Frem­de ge­wöhn­lich ge­ar­bei­tet hat­te, war Mr. Cuss so­fort auf drei di­cke, hand­ge­schrie­be­ne Bü­cher mit der Auf­schrift »Ta­ge­buch« ge­sto­ßen.

      »Ta­ge­buch!«, sag­te Mr. Cuss, die drei Bü­cher auf den Tisch le­gend. »Nun, et­was wer­den wir je­den­falls dar­aus er­fah­ren.« Der Pfar­rer hat­te die Hän­de auf den Tisch ge­stützt.

      »Ta­ge­buch«, wie­der­hol­te Mr. Cuss und setz­te sich nie­der. Hier­auf leg­te er zwei Bü­cher über­ein­an­der, um das drit­te dar­auf zu stüt­zen und öff­ne­te die­ses. »Hm! – Kein Name auf dem ers­ten Blatt. Teu­fel! Nichts als Chif­fren und Zah­len.«

      Der Pfar­rer trat zu ihm und blick­te über sei­ne Schul­tern ins Buch.

      Sehr ent­täuscht wen­de­te Mr. Cuss die Sei­ten um. »Da soll gleich …! Es ist al­les in Ge­heim­schrift ab­ge­fasst, Bun­ting.«

      »Kei­ne Fi­gu­ren?«, frag­te Mr. Bun­ting. »Kei­ne Zeich­nung, die ir­gend­ein Licht –«

      »Se­hen Sie selbst«, er­wi­der­te Mr. Cuss. »Ma­the­ma­ti­sche For­meln, dann, nach den Buch­sta­ben zu schlie­ßen, Rus­sisch oder eine ähn­li­che an­de­re Spra­che und da wie­der Grie­chisch. Nun das Grie­chi­sche könn­ten Sie –«

      »Na­tür­lich«, ent­geg­ne­te Mr. Bun­ting, nahm sei­ne Bril­le her­aus, rei­nig­te sie sorg­fäl­tig und fühl­te sich plötz­lich sehr un­be­hag­lich – denn, was er von die­ser Spra­che ver­stand, war wirk­lich nicht der Rede wert. »Ja, das Grie­chi­sche kann uns na­tür­lich einen Schlüs­sel ge­ben.«

      »Ich will Ih­nen eine Stel­le su­chen.«

      »Ich möch­te doch lie­ber die ein­zel­nen Bän­de erst durch­se­hen«, mein­te Mr. Bun­ting, noch im­mer sei­ne Au­genglä­ser rei­bend. »Erst müs­sen wir einen all­ge­mei­nen Ein­druck ge­win­nen, wis­sen Sie, und dann kön­nen wir ja einen Schlüs­sel su­chen.«

      Er hus­te­te, setz­te die Bril­le auf, rück­te sie um­ständ­lich zu­recht, hus­te­te wie­der und wünsch­te im stil­len, dass sich et­was er­eig­nen möch­te, um die un­ver­meid­lich schei­nen­de Bla­ma­ge von ihm ab­zu­wen­den. Dann nahm er nach­läs­sig den Band auf, den ihm Mr. Cuss voll Un­ge­duld hin­reich­te. Und dann er­eig­ne­te sich wirk­lich et­was.

      Die Tür öff­ne­te sich plötz­lich.

      Bei­de Män­ner fuh­ren em­por, schau­ten sich um und wa­ren sicht­lich er­leich­tert, als sie ein rot­fle­cki­ges Ge­sicht un­ter ei­nem schä­bi­gen Zy­lin­der ge­wahr­ten. »Schank­zim­mer?«, frag­te das Ge­sicht, sie anglot­zend.

      »Nein«, sag­ten die bei­den Her­ren zu­gleich.

      »Drü­ben auf der an­de­ren Sei­te, mein Lie­ber«, fuhr Mr. Bun­ting fort. »Und schlie­ßen Sie ge­fäl­ligst die Tür«, setz­te Mr. Cuss ge­reizt hin­zu.

      »Schon recht«, sag­te der Ein­dring­ling mit tiefer Stim­me, die von der Hei­ser­keit der ers­ten Fra­ge selt­sam ab­stach. »Schon gut«, wie­der­hol­te er dann mit der frü­he­ren Stim­me. »Aus dem Weg!«, und er ver­schwand und schloss die Tür hin­ter sich.

      »Wahr­schein­lich ein Ma­tro­se«, sag­te Mr. Bun­ting. »Das sind ko­mi­sche Bur­schen. ›Aus dem Weg!‹ sag­te er. Ver­mut­lich ein see­män­ni­scher Aus­druck, der sich auf sein Fort­ge­hen be­zog.«

      »Wohl mög­lich«, er­wi­der­te Mr. Cuss. »Mei­ne Ner­ven sind heu­te in ei­nem schreck­li­chen Zu­stand. Ich fuhr förm­lich zu­sam­men, als sich die Tür so öff­ne­te.«

      Mr. Bun­ting lä­chel­te, als ob er selbst nicht auch zu­sam­men­ge­fah­ren


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