Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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einen Schluck Mineralwasser.

      »Hören Sie, Frau Anwander, wie alt sind Sie?«, setzte Juliana Forster nach.

      »Einunddreißig!«

      »Ich bin sechzig Jahre, aber das wissen Sie ja. Also könnte ich Ihre Mutter sein! Sie wissen, wir sind ein Familienbetrieb. Dazu gehört auch, dass man sich mehr, als es in anderen Betrieben heute wohl üblich ist, sich um die Mitarbeiter kümmert. Jetzt sehen Sie in mir bitte für einen Augenblick nicht die Frau des Chefs und die Miteigentümerin, sondern eine ältere Freundin, auch wenn das für Sie vielleicht schwierig ist.«

      Nicole schaute Frau Forster völlig überrascht an.

      »Nun schau nicht so, Kindchen! Machen wir es anders!«

      Sie streckte Nicole die Hand hin.

      »Ich bin Juliane oder Jule, wie die meisten sagen.

      Sie haben es bestimmt schon im Hause gehört, wenn mich jemand so angesprochen hat.«

      »Ich kann Sie doch nicht …«

      »Du kannst! Hand darauf, Ni­cole!«

      Nicole nahm zögernd die Hand.

      »Gut, das ist ein Anfang!«

      »Warum tun Sie …«

      »Oh, oh, oh! Ich bin Jule!«

      »Gut, warum tust du das, Jule?«

      »Das werde ich dir später sagen! Jetzt erzählst du mir, was dir vorhin durch den Kopf gegangen ist. Ich will alles wissen!«

      »Nichts von Bedeutung! Jeder hat mal einen schlechten Tag!«

      »Jeder bestimmt, Nicole. Aber du hattest in zehn Jahren keinen schlechten Tag! Rede dich nicht he­raus!«

      »Frau Forster – ich meine Jule – das möchte ich nicht. Ich trenne sehr zwischen meiner Arbeit und meinem Leben.«

      »Das ist mir bekannt! Aber jetzt sitzt du einer älteren Freundin gegenüber, und deren Instinkt sagt ihr, dass sie sich um dich kümmern sollte, weil es sonst niemanden gibt. Also, ich höre!«

      »Du bist ganz schön hartnäckig!«

      »Sicher, das ist das Geheimnis des Erfolgs – und ein wenig Instinkt, dieses gewisse Bauchgefühl, gehört auch dazu.«

      Nicole war sehr verlegen.

      »Eigentlich habe ich keinen Grund zum Klagen. Ich habe mein Leben im Griff, bis auf Kleinigkeiten.«

      »Oh, die berühmten Kleinigkeiten!«

      Nicole trank einen Schluck Kaffee. Sie sah Juliane Forster prüfend an. Konnte sie ihr vertrauen?

      »Ich habe mir zwei Tage Urlaub genommen. Ich muss zur Geburtstagsfeier meines Vaters, er wird siebzig.«

      »Das macht dir Kopfzerbrechen?«

      »Ja, ich habe vor Besuchen daheim immer Bauchschmerzen. Ich habe mir hier in Berlin mein Leben aufgebaut und komme gut damit klar. Meine Eltern, mein Bruder und meine ganze Verwandtschaft, die leben in einer völlig anderen Welt. Meine Mutter hat nie irgendwo gearbeitet, ich meine, als Angestellte oder so. Für sie ist ein Leben, wie ich es führe, völlig unvorstellbar.«

      »Ah, du bist im Konflikt. Auf der einen Seite möchtest du dein selbstgewähltes Leben leben. Auf der anderen Seite bist du immer noch die Tochter, die es ihnen recht machen will. Du passt nicht in ihr Schema, willst aber quasi die liebe Tochter sein.«

      »Genau, ich passe nicht in das Bild, und deshalb ist so ein Besuch belas­tend. Ich bin über dreißig Jahre und ledig.«

      »Aber so viel ich weiß, hast du eine Tochter! Das habe ich in deiner Personalakte gesehen, die ich mir neulich angeschaut habe. Du erzählst nie etwas von deiner Tochter. Mein Mann sagte mir, ich solle dich nicht auf sie ansprechen. Du hast auch kein Bild von deinem Kind auf dem Schreibtisch. Fast auf jedem Schreibtisch stehen Fotos, wenn man durch die Räume geht. Warum versteckst du deine Tochter?«

      Nicole schwieg. Juliane griff über den Tisch und tätschelte Nicoles Hand.

      »Leidest du unter dem Fehltritt, wie man früher sagte?«

      Nicole errötete.

      »Ja, wahrscheinlich! Dabei bin ich dem Himmel dankbar, dass ich Sabine habe. Sie ist so ein wunderbares Kind.«

      Nicole trank wieder einen Schluck Wasser.

      »Meine Eltern und die Verwandtschaft wissen nichts von Bine, so rufe ich sie. Mein damaliger Freund … Es ist kompliziert. Wir waren erst ein halbes Jahr zusammen. Wir arbeiteten zusammen in der gleichen Firma. Nach der Trennung kam er einige Tage später bei einem Unfall ums Leben. Dann stellte ich fest, ich war schwanger. Ich raffte meine Ersparnisse zusammen, es war nicht viel, und fuhr nach Berlin. Ich jobbte in Kneipen und machte eine zusätzliche Ausbildung. Ich brachte meine Tochter zur Welt und kam dann zu Ihrem Mann in den Verlag, zuerst als Vertretung in sein Vorzimmer und dann fest angestellt.«

      Juliane hörte aufmerksam zu und lauschte nach Zwischentönen. Nicole erzählte weiter:

      »Bei meinem letzten Besuch stichelten meine Eltern sehr, so von wegen, ich würde eine alte Jungfer und sollte zusehen, endlich zu heiraten, ob es in dem großen Berlin keine Männer gäbe. Ich habe mich ziemlich geärgert. In meiner Not habe ich einen Mann erfunden. Sie waren beruhigt. Jetzt soll ich ihn zum Geburtstagsfest mitbringen. Es ist der Geburtstagswunsch meines Vaters. Meine Freundin Tamara ist Schauspielerin an einer kleinen Kunstbühne. Sie kam auf die Idee, ich könnte einen ihrer Kollegen mitnehmen. Aktion Mietmann, nannte sie den Plan. Es hörte sich praktisch an. Er sollte ein totales Ekel spielen und sich völlig daneben benehmen. Wir würden zurückfahren, und dann würden wir uns trennen, das würde ich meinen Eltern und Verwandten sagen. Dann hätte ich Ruhe, zumindest eine Zeitlang. Jedenfalls so lange, bis ich sie im nächsten Jahr wieder besuche. So dachte sich das Tamara. Aber der Schauspieler sagte ab. In dem Augenblick nach dem Telefongespräch bist du mit deinem Mann hereingekommen. Ich stöhnte über mich. Im Beruf komme ich gut klar, aber mein Privatleben ist etwas kompliziert.«

      »Du hast es dir selbst kompliziert gemacht! Warum nur, Nicole?«

      »Ich bin aus einem kleinen Dorf in den Bergen. Meine Eltern sind

      sehr … altmodisch …, auch heute noch. Dass ich ein uneheliches Kind habe, das würden sie nicht verstehen und mit mir brechen. Da bin ich mir sicher. Frauen, die ein uneheliches Kind haben, die gelten als Schlampen. Mein Vater ist im Kirchenvorstand und sehr korrekt, was die Moral betrifft.«

      »Wussten sie nicht, dass du damals einen Freund hattest?«

      »Nein! Ich hatte ihnen nichts von Guido erzählt. Das wollte ich mir noch etwas aufheben. Guido stand kurz vor seiner Abschlussprüfung als Betriebswirt. Wir planten, uns nach seiner Prüfung zu verloben. Ich wollte ihn meinen Eltern nicht als Student vorstellen. Mein Vater hat Vorurteile gegen Studenten.«

      Nicole seufzte.

      »Guido hatte etwas mit der Tochter des Professors. Es kam zu einem Streit, und wir trennten uns. Und dann passierte der schreckliche Unfall, den er nicht überlebte. Es war ihr Auto, sie fuhr.«

      »Welch eine Tragödie!«

      »Sie hat nichts von ihm! Ich habe eine wunderbare Tochter. Sie ähnelt ihrem Vater sehr. Sie ist die beste Schülerin in der Klasse. Jedenfalls ist das Thema Mann für mich tabu.«

      »Und wenn dir noch einmal die Liebe begegnet?«

      »Sie wird mir nicht begegnen.«

      »Wenn doch, Nicole?«

      »Dann mache ich die Tür zu. Für einen Mann habe ich keinen Platz in meinem Leben.«

      »Fährst du oft heim?«

      »Nein! Vielleicht einmal im Jahr, für ein oder zwei Tage. Sabine bleibt dann bei meiner Freundin Tamara.«

      Nicole seufzte tief.

      »So, jetzt weißt du alles,


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