Der Raum, in dem alles geschah. John Bolton
Читать онлайн книгу.USA auszunutzen, was Merkel bestritt (auf Englisch, wie das gesamte Treffen). Sie bat auch um einen drei- bis viermonatigen Aufschub bei der Einführung weltweiter Zölle auf Stahl und Aluminium, die Trump in Erwägung zog, damit die EU mit den USA verhandeln konnte. Trump antwortete, dass er nicht mit der EU verhandeln wolle. Schade, dass er gegenüber Nordkorea nicht so empfand, dachte ich im Stillen.74
Trump hatte sich bereits dem nächsten Thema zugewandt, dem Scheitern Deutschlands bei der Erfüllung seiner NATO-Verpflichtung, die Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des BIP zu erhöhen, und bezeichnete Merkel als eine der großen Stepptänzerinnen in Bezug auf die NATO, was sie nun auch im Handel tue.75 Merkel drängte weiterhin auf einen Aufschub der Zölle, wenn auch nur um zwei Monate, aber Trump sagte, es wäre eine Zeitverschwendung, genau wie die NATO. Er fragte, wann Deutschland 2 Prozent erreichen würde, und Merkel antwortete ganz unschuldig: 2030, was sogar die Deutschen zum Lächeln brachte, und Trump meinte, sie sage das nun schon seit sechzehn Monaten. Zu den Zöllen sagte Merkel schließlich, er könne tun und lassen, was er wolle, weil er ein freier Mann sei.
Der Iran wurde nur flüchtig angesprochen. Merkel bat uns, am Abkommen festzuhalten, und Trump reagierte gleichgültig. Auf der Pressekonferenz sagte Trump über den Iran: »Sie werden keine Atomwaffen machen«, und das war es auch schon. Mehr Abwechslung brachte da ein weiterer mutmaßlicher Angriff Israels auf iranische Stellungen in Syrien am darauffolgenden Tag,76 von dem Mattis und andere im Pentagon befürchteten, er könne iranische Vergeltungsmaßnahmen (wahrscheinlich stellvertretend durch schiitische Milizen im Irak) gegen US-Streitkräfte auslösen. Nichts davon trat ein, und Trump schien jedenfalls nicht beunruhigt. Trump informierte Netanjahu von seinen Iran-Plänen und sagte, dass das ganze Abkommen auf Lügen basiere, dass der Iran die Vereinigten Staaten zum Narren gehalten habe und dass es Israel freistehe, das Abkommen öffentlich in der Luft zu zerreißen, was Netanjahu natürlich bereits eifrig tat.
Im Laufe der Tage kam ich im Stillen mit Mnuchin, Haley, Coats, Haspel und anderen überein, dass alles auf einen Rückzug aus dem Iran-Abkommen Anfang Mai hindeutete und dass wir alle über eine angemessene Umsetzung des Beschlusses und die Folgemaßnahmen in unseren jeweiligen Bereichen nachdenken müssten. Mnuchin beharrte, er benötige sechs Monate, um die Sanktionen wieder in Kraft zu setzen, was ich nicht verstehen konnte. Warum sollten die neuen Sanktionen nicht mit sofortiger Wirkung verhängt werden, mit einer kurzen Schonfrist von, sagen wir, drei Monaten, damit Unternehmen bestehende Verträge und Ähnliches anpassen konnten? Das war ein andauerndes Problem mit Mnuchins Leitung des Finanzministeriums. Die Auswirkungen der Sanktionen abzuschwächen schien ihm ebenso wichtig zu sein, wie sie überhaupt zu verhängen. Kein Wunder, dass Iran, Nordkorea und andere so gut darin waren, sich Sanktionen zu entziehen: Dank Mnuchins Ansatz (der im Wesentlichen dem Obamas entsprach) hatten sie viel Zeit, sich vorzubereiten. Pompeo stimmte mir zu, dass die Sanktionen sofort in Kraft treten sollten. Wir konnten zumindest als kleinen Sieg verbuchen, dass Mnuchin die »Abwicklungsfrist« für die meisten Waren und Dienstleistungen von 180 Tagen auf 90 Tage reduzierte, mit Ausnahme von Öl und Versicherungen, für die er die Frist bei 180 Tagen beließ. Natürlich war die Ölfrage hier die mit Abstand wichtigste wirtschaftliche Frage, so dass Mnuchins Zugeständnis kaum von Bedeutung war. Und wir sprachen nicht nur über die »Abwicklung« bestehender Verträge, sondern über eine Schonfrist, innerhalb derer neue Verträge ohne jegliches Verbot abgeschlossen und ausgeführt werden konnten. Das war unnötig selbstzerstörerisch.
Pompeo, Mattis und ich hatten unser erstes wöchentliches Frühstück im Pentagon am 2. Mai um sechs Uhr morgens, und Mattis führte seine Argumente gegen den Ausstieg weiter aus. Es war klar, dass Trump zu einem Entschluss gekommen war. Im Laufe des restlichen Tages und der Woche sowie während des Wochenendes verdichteten sich die Vorbereitungen zur Ankündigung des Rückzugs, insbesondere die Ausarbeitung des offiziellen Entscheidungsdokuments des Präsidenten, um sicherzustellen, dass es keine Schlupflöcher gab, durch die Anhänger des Abkommens zurückkriechen konnten. Stephen Miller und seine Redenschreiber arbeiteten auch bereits an Trumps Rede, mit der es gut voranging. Trump hatte noch viel hinzuzufügen, so dass der Entwurf so lange verändert wurde, bis der Text für die Teleprompter vorbereitet werden musste. Ich hatte Trumps Ankündigung für den 7. Mai angestrebt, erfuhr jedoch von Sanders, dass die First Lady an diesem Tag eine Veranstaltung geplant hatte, so dass wir den Ausstieg auf den 8. Mai verschoben. So wird mit gewichtigen Staatsangelegenheiten umgesprungen. Und in der Tat war Trump auch hier unschlüssig, zog erst das eine, dann das andere Datum in Erwägung, buchstäblich bis fast zur letzten Minute.
Am Samstag, dem 5. Mai, fand ein letztes routinemäßiges Telefonat zwischen Trump und May zu Iran und anderen Themen statt,77 und Außenminister Boris Johnson traf am Sonntagabend zu weiteren Gesprächen in Washington ein. Am selben Abend schickte Mattis mir ein geheimes Dokument nach Hause, in dem er sich erneut gegen den Ausstieg aussprach, aber immer noch nicht um ein Treffen auf höchster Ebene bat, um dieses Thema zu erörtern. Mir war danach, zu sagen, dass seine Position nun für die Nachwelt sicher verwahrt und gut vorbereitet sei, aber ich hielt mich zurück. Das Pentagon sagte uns immer noch nicht, was es operativ zu tun gedachte, wenn die USA sich zurückziehen würden, nachdem man dort von unverhohlenem Widerstand zum Guerillakrieg übergegangen war. Es hat uns nicht aufgehalten.
Ich traf Johnson am Montag um neun Uhr morgens in meinem Büro – zum ersten Mal war ich ihm 2017 in London begegnet –, und wir sprachen ausführlich über den Iran und Nordkorea, Trumps jüngste Treffen mit Macron und Merkel sowie Macrons »Vier-Säulen«-Idee. Johnson sagte, sie hätten in Großbritannien in eine ähnliche Richtung gedacht, woraufhin ich erwiderte, ich würde mich freuen, die Idee »Johnsons vier Säulen« zu nennen, und alle lachten zustimmend. Er betonte, wie auch schon Macron, dass Großbritannien die Schwächen des bestehenden Abkommens voll und ganz verstehe, die viele Anhänger, die es immer noch als heilig ansahen, überrascht hätten.78 Ich erklärte, warum die Ankündigung in Kürze bevorstand, obwohl ich, da ich Trump kannte, nicht sagte, dass sie am nächsten Tag erfolgen würde. Wir würden daraufhin nicht einfach in Untätigkeit verfallen, sondern alle US-Sanktionen in Bezug auf das Nuklearprogramm, die das Abkommen auf Eis gelegt hatte, wieder in Kraft setzen. Als wir uns trennten, erinnerte ich Johnson daran, dass ich ihm im Sommer zuvor gesagt hatte, ich wolle beim Brexit helfen, und das sei immer noch der Fall, aber wir hatten kaum Gelegenheit, darüber zu sprechen. Später sprach ich mit Sedwill über diese Unterhaltung, und telefonierte gerade mit Étienne, als dieser ausrief, Trump habe soeben getwittert:
Ich werde meine Entscheidung über den Iran-Deal morgen um 14 Uhr vom Weißen Haus aus bekannt geben.
Da gab es keinen Raum mehr für Spannung. Étienne hatte die Tweets von Trump genauer verfolgt als ich! Es gab kaum Zweifel daran, was kommen würde; dies bestätigte ich auch dem israelischen Botschafter Ron Dermer und einigen anderen, nicht dass ich irgendwem noch viel hätte erklären müssen.
Am »D-Day« selbst rief Trump den chinesischen Präsidenten Xi Jinping um 8.30 Uhr an, um über verschiedene Themen zu sprechen, darunter auch Nordkorea. Trump sagte, er werde in Kürze eine Erklärung zum Iran abgeben, und fragte Xi auf fast kindliche Art, ob er wissen wolle, was er sagen würde. Xi sagte, es klinge ganz so, als wolle Trump es ihm erzählen, womit er ins Schwarze traf. Trump, in einem seiner »Warum nicht?«-Momente, sagte, er fühle sich sicher dabei, Xi ins Vertrauen zu ziehen; er werde den Atomdeal beenden, was schlecht sei, man werde sehen, was passierte. Xi sagte, er werde die Nachricht vertraulich behandeln, und fügte schlicht hinzu, dass die USA die Position Chinas kannten, was bedeutete, dass Xi nicht plane, daraus eine bedeutende bilaterale Angelegenheit zu machen. Macron rief an und fragte, was Trump über den Iran zu sagen gedenke, aber Trump wollte sicher sein, dass Macron sich zurückhalten würde. Er ermahnte Macron, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, und bat ihn um sein Wort. Macron sagte zu und war der Meinung, der Iran solle nicht aus dem Abkommen aussteigen, ebenso wenig wie Frankreich, während man sich um ein umfassendes neues Abkommen bemühte, wie es die beiden Staatschefs zuvor besprochen hatten. Trump glaubte nicht, dass der Iran aussteigen würde, da sie mit dem Deal zu viel Geld verdienten. Trump überlegte, dass er sich irgendwann mit dem iranischen Präsidenten Rohani treffen sollte, schmeichelte Macron, indem er ihn als den besten der Europäer bezeichnete, und sagte, er solle Rohani ausrichten, dass Trump recht habe.
Trump hielt