Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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Bli­cke vol­ler Verzweif­lung oder ge­täusch­ter Hoff­nung, drin­gen­de Win­ke von bei­den Sei­ten, im Ein­ver­ständ­nis aus­ge­tausch­te Fra­gen und Ant­wor­ten, Licht­bli­cke von See­le zu See­le. Vor sei­ner Frau stell­te sich Bi­rot­teau hei­ter und un­be­küm­mert. Wenn Kon­stan­ze eine Fra­ge stell­te: oh, al­les ging gut! Po­pi­not, um den sich Cäsar gar nicht küm­mer­te, hat Er­folg! Das Öl kommt in Auf­schwung! Cla­parons Wech­sel wür­den ein­ge­löst wer­den, es sei nichts zu be­fürch­ten. Die­se ge­spiel­te Fröh­lich­keit war fürch­ter­lich. Wenn sei­ne Frau in dem präch­ti­gen Bett ein­ge­schla­fen war, dann rich­te­te sich Bi­rot­teau auf und ver­sank in Grü­beln über sein Un­glück. Manch­mal kam Cäsa­ri­ne im Hem­de, mit ei­nem Schal über ih­ren wei­ßen Schul­tern, bar­fuß her­ein.

      »Papa, ich höre ja, wie du weinst«, sag­te sie, sel­ber in Trä­nen.

      Bi­rot­teau be­fand sich nach Ab­sen­dung des Brie­fes, in dem er den großen Franz Kel­ler um eine Un­ter­re­dung ge­be­ten hat­te, in ei­nem Zu­stan­de der­ar­ti­ger Be­täu­bung, daß sei­ne Toch­ter ihn aus­füh­ren muß­te. In den Stra­ßen fie­len ihm nur rie­si­ge rote An­schlä­ge auf und sein Blick wur­de von den Wor­ten ge­fes­selt: »Hui­le Cé­pha­li­que«.

      Wäh­rend des ka­ta­stro­pha­len Nie­der­gangs der Ro­sen­kö­ni­gin er­hob sich die Fir­ma A. Po­pi­not strah­lend im Mor­gen­lich­te des Er­fol­ges. Von Gau­diss­art und Fi­not be­ra­ten, hat­te An­selm für sein Öl eine wag­hal­si­ge Re­kla­me ge­macht. Zwei­tau­send An­schlä­ge wa­ren in­ner­halb von drei Ta­gen an den ins Auge fallends­ten Stel­len von Pa­ris an­ge­bracht wor­den. Nie­mand konn­te es ver­mei­den, sich dem Hui­le Cé­pha­li­que ge­gen­über­zu­se­hen und einen von Fi­not ver­faß­ten prä­zi­sen Satz über die Un­mög­lich­keit, das Haar wie­der wach­sen zu ma­chen, und die Ge­fah­ren des Fär­bens zu le­sen, wor­an sich noch ein Zi­tat aus dem Vor­trag Vau­quel­ins in der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten schloß, eine rich­ti­ge Beur­kun­dung über die Le­bens­fä­hig­keit der to­ten Haa­re, die al­len de­nen zu­ge­si­chert wur­de, die das Hui­le Cé­pha­li­que ge­brau­chen wür­den. Alle Fri­seu­re von Pa­ris, alle Perücken­ma­cher und Par­füm­händ­ler hat­ten an ih­rer La­den­tür eine An­zei­ge auf Ve­lin­pa­pier in ver­gol­de­tem Rah­men an­ge­bracht, de­ren Kopf eine ver­klei­ner­te Wie­der­ga­be des Sti­ches »Hero und Le­an­der« schmück­te mit der Un­ter­schrift: »Die al­ten Völ­ker der An­ti­ke er­hiel­ten sich ihr Haar durch den Ge­brauch des Hui­le Cé­pha­li­que.«

      »Mit die­sen blei­ben­den Bil­dern hat er ja eine im­mer­wäh­ren­de An­non­ce er­fun­den«, sag­te sich Bi­rot­teau, der er­staunt ste­hen­ge­blie­ben war und das Schau­fens­ter der Sil­ber­nen Glo­cke be­trach­te­te.

      »Hast du das denn nicht bei uns ge­se­hen,« sag­te sei­ne Toch­ter zu ihm, »das Bild, das Herr An­selm selbst ge­bracht hat, als er Cöles­tin drei­hun­dert Fla­schen Öl übergab?«

      »Nein«, sag­te er.

      »Cöles­tin hat schon fünf­zig da­von an Passan­ten und sech­zig an Kun­den ver­kauft.«

      »Ah«, sag­te Cäsar.

      Der Par­füm­händ­ler, be­täubt von den tau­send Glock­en­tö­nen, die das Elend in den Ohren sei­ner Op­fer er­klin­gen läßt, be­weg­te sich in ei­nem schwin­del­er­re­gen­den Zu­stan­de um­her; am Abend vor­her hat­te Po­pi­not eine Stun­de lang auf ihn ge­war­tet und hat­te dann mit Kon­stan­ze und Cäsa­ri­ne ge­plau­dert, die ihm sag­ten, daß Cäsar in sei­ne große Sa­che ver­gra­ben sei.

      »Ach ja, die Ter­rain­sa­che.«

      Glück­li­cher­wei­se hat­te Po­pi­not, der einen Mo­nat lang aus sei­ner Rue des Cinq-Dia­mants nicht her­aus­ge­kom­men war und jetzt die Näch­te und die Sonn­ta­ge mit Ar­beit in der Fa­brik ver­brach­te, we­der die Ra­g­ons, noch Pil­ler­ault, noch sei­nen On­kel, den Rich­ter, ge­se­hen. Das arme Kind schlief nicht mehr als zwei Stun­den! Er hat­te nur zwei Kom­mis, und bei dem Tem­po, in dem die Din­ge vor­wärts gin­gen, wür­de er bald vier ha­ben müs­sen. Im Ge­schäfts­le­ben hängt al­les von der güns­ti­gen Ge­le­gen­heit ab. Wer das Glück nicht beim Schop­fe zu pa­cken ver­steht, dem schlüpft es aus der Hand. Po­pi­not sag­te sich, daß er freu­dig emp­fan­gen wer­den wür­de, wenn er nach sechs Mo­na­ten zu sei­ner Tan­te und sei­nem On­kel sa­gen könn­te: »Ich bin ge­ret­tet, mein Glück ist ge­macht!« Freu­dig emp­fan­gen auch von Bi­rot­teau, wenn er ihm nach sechs Mo­na­ten zwan­zig- bis drei­ßig­tau­send Fran­ken Ge­winnan­teil über­brin­gen wür­de. Er wuß­te also nichts von Ro­gu­ins Flucht, von dem Un­glück und der pein­li­chen Lage Cäsars, und konn­te da­her vor Frau Bi­rot­teau kein ver­rä­te­risches Wort sa­gen. Po­pi­not hat­te Fi­not fünf­hun­dert Fran­ken für jede große Zei­tung zu­ge­sagt, aber es gab de­ren zehn! – drei­hun­dert Fran­ken für jede Zei­tung zwei­ten Ran­ges, und da­von gab es wie­der­um zehn! –, un­ter der Be­din­gung, daß drei­mal im Mo­nat eine No­tiz über das Hui­le Cé­pha­li­que ge­bracht wür­de. Bei die­sen acht­tau­send Fran­ken ver­dien­te Fi­not drei­tau­send, der ers­te Ein­satz, den er auf dem großen grü­nen Rie­sen­spiel­tisch der Spe­ku­la­ti­on wa­gen woll­te! Er hat­te sich da­her wie ein Löwe auf sei­ne Freun­de und Be­kann­ten ge­stürzt, er wohn­te förm­lich in den Re­dak­ti­ons­bu­re­aus, er er­schi­en früh­mor­gens am Bett bei al­len Re­dak­teu­ren und abends war er in al­len Thea­ter­foy­ers zu se­hen. »Denk an mein Öl, lie­ber Freund, ich selbst habe nichts da­von, es ist ein Freund­schafts­dienst, weißt du, für Gau­diss­art, den Le­be­mann.« Da­mit be­gan­nen und schlos­sen alle sei­ne Un­ter­re­dun­gen. Er stürz­te sich auf das Ende al­ler Schluß­spal­ten der Zei­tun­gen, und setz­te dort Ar­ti­kel hin­ein, de­ren Be­zah­lung er den Re­dak­teu­ren über­ließ. Ver­schla­gen wie ein Sta­tist, der Schau­spie­ler wer­den will, be­weg­lich wie ein Lauf­bur­sche, der sech­zig Fran­ken im Mo­nat ver­dient, schrieb er ver­fäng­li­che Brie­fe, schmei­chel­te je­der Ei­gen­lie­be, leis­te­te den Che­fre­dak­teu­ren un­sau­be­re Diens­te, um sei­ne Ar­ti­kel an­zu­brin­gen. Geld, Di­ne­rein­la­dun­gen, Ge­mein­hei­ten, al­les muß­te sei­nem lei­den­schaft­li­chen Ta­ten­drang die­nen. Mit Thea­ter­bil­letts be­stach er die Ar­bei­ter, die den Satz der Zei­tun­gen ge­gen Mit­ter­nacht be­en­den, da­mit sie noch ei­ni­ge im­mer be­reit ge­hal­te­ne No­ti­zen un­ter »Ver­misch­tes«, dem Not­be­helf der Zei­tung, ein­scho­ben. Fi­not ver­weil­te dann in der Dru­cke­rei, als ob er mit der Kor­rek­tur ei­nes Ar­ti­kels be­schäf­tigt wäre. Mit al­len Leu­ten be­freun­det, er­reich­te er es, daß das Hui­le Cé­pha­li­que über die Pas­te Re­gnauld, die Bra­si­lia­ni­sche Mix­tur, kurz, über alle jene Er­fin­dun­gen tri­um­phier­te, die zu­erst so ge­scheit wa­ren, den jour­na­lis­ti­schen Ein­fluß und die trom­pe­ten­ar­ti­ge Wir­kung zu be­grei­fen, die ein im­mer wie­der­keh­ren­der Ar­ti­kel auf das Pub­li­kum aus­übt. In die­ser harm­lo­sen Zeit wa­ren vie­le Jour­na­lis­ten wie die Och­sen; sie kann­ten ihre Macht nicht, sie be­schäf­tig­ten sich mit Schau­spie­le­rin­nen, mit Flo­ri­ne, Tul­lia, Ma­ri­et­te usw. Sie ver­stan­den al­les und er­war­ben nichts. An­do­che küm­mer­te sich nicht um die Claque für eine Schau­spie­le­rin, noch um die An­brin­gung ei­nes Thea­ter­stücks, noch um die An­nah­me sei­ner ei­ge­nen klei­nen Lust­spie­le, noch um die Be­zah­lung sei­ner Ar­ti­kel; im Ge­gen­teil, er bot im ge­eig­ne­ten Mo­ment noch Geld, oder ge­le­gent­lich ein


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