Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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hat, emp­fin­den, kam bei Cäsar der ech­te Bi­rot­teau zum Vor­schein; er zeig­te, was er konn­te, in­dem er als Ga­ran­tie das Hui­le Cé­pha­li­que und die Fir­ma Po­pi­not, sei­nen letz­ten Ein­satz, an­bot. Sich in falschen Hoff­nun­gen wie­gend, ließ sich der arme Kerl nach al­len Rich­tun­gen hin von Adolph Kel­ler aus­fra­gen, der in dem Par­füm­händ­ler einen roya­lis­ti­schen Flach­kopf er­kann­te, der dicht vor dem Bank­rott stand. Ent­zückt dar­über, einen Bei­ge­ord­ne­ten ih­res Be­zirks, einen frisch de­ko­rier­ten An­hän­ger der herr­schen­den Macht vor dem Zu­sam­men­bruch ste­hen zu se­hen, sag­te Adolph zu Bi­rot­teau mit kla­ren Wor­ten, daß er ihm we­der einen Kre­dit er­öff­nen, noch ir­gend­ein Wort zu sei­nen Guns­ten bei sei­nem Bru­der Franz, dem großen Red­ner, ein­le­gen kön­ne. Wenn Franz eine tö­rich­te Groß­mut ent­wi­ckeln wol­le, in­dem er Leu­te von ent­ge­gen­ge­setz­ten An­schau­un­gen und po­li­ti­sche Fein­de un­ter­stütz­te, so wür­de er, Adolph, sich mit al­ler Macht da­ge­gen auf­leh­nen, daß er sich so zum Nar­ren ma­che, und ihn dar­an hin­dern, dem al­ten Geg­ner Na­po­le­ons, dem Ver­wun­de­ten in dem Stra­ßen­kampf vor Saint-Roch, hilf­rei­che Hand zu leis­ten. Au­ßer sich hier­über woll­te Bi­rot­teau et­was über die Hab­gier der Hoch­fi­nanz, ihre Ge­fühl­lo­sig­keit und ihre ge­heu­chel­te Men­schen­freund­lich­keit sa­gen; aber er emp­fand einen so hef­ti­gen Schmerz, daß er kaum ei­ni­ge Wor­te über die In­sti­tu­ti­on der Bank von Frank­reich stam­meln konn­te, die ja den Kel­lers zur Ver­fü­gung stand.

      »Nie­mals«, sag­te Adolph Kel­ler, »wird die Bank einen Kre­dit ge­wäh­ren, den schon ein ein­fa­cher Ban­kier ab­ge­lehnt hat.«

      »Ich war im­mer der An­sicht,« sag­te Bi­rot­teau, »daß die Bank ih­rer Be­stim­mung nicht ent­spricht, wenn sie glück­lich dar­über ist, beim Jah­res­ab­schluß fest­stel­len zu kön­nen, daß sie am Pa­ri­ser Han­del nicht mehr als ein- bis zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken ver­lo­ren hat; wäh­rend sie doch sei­ne Be­schüt­ze­rin sein soll.«

      Adolph lach­te und er­hob sich mit ge­lang­weil­ter Mie­ne.

      »Wenn die Bank sich da­mit be­fas­sen woll­te, al­len Leu­ten, die hier an die­sem schwin­del­haf­tes­ten und schlüpf­rigs­ten Plat­ze der fi­nan­zi­el­len Welt in Ver­le­gen­heit ge­ra­ten sind, Kre­dit zu ge­wäh­ren, dann wür­de sie nach ei­nem Jah­re Kon­kurs an­mel­den müs­sen. Sie hat schon Mühe ge­nug, sich ge­gen den Wech­sel­ver­kehr und die un­si­che­ren Un­ter­la­gen zu weh­ren; was soll­te aus ihr wer­den, wenn sie sich auch noch auf die Prü­fung der Ge­schäf­te al­ler Leu­te ein­las­sen woll­te, die von ihr Hil­fe ver­lan­gen?«

      »Wo soll ich nur die zehn­tau­send Fran­ken her­neh­men, die mir für mor­gen, Sonn­abend, den drei­ßigs­ten, feh­len?« sag­te sich Bi­rot­teau, als er über den Hof ging.

      Es ist Usance, daß am drei­ßigs­ten ge­zahlt wer­den muß, wenn der ein­und­drei­ßigs­te auf einen Fei­er­tag fällt.

      4

      Als er den Tor­weg er­reich­te, be­merk­te der Par­füm­händ­ler, des­sen Au­gen in Trä­nen schwam­men, kaum ein schö­nes, schweiß­trie­fen­des eng­li­sches Pferd, das mit ei­nem der hüb­sche­s­ten Ka­brio­letts, die zu die­ser Zeit über das Pa­ri­ser Pflas­ter roll­ten, vor der Tür still­hielt. Er hät­te sich am liebs­ten von die­sem Wa­gen über­fah­ren las­sen; er wäre dann durch einen Un­fall um­ge­kom­men, dem man die Un­ord­nung in sei­nen Ge­schäf­ten hät­te zur Last le­gen kön­nen. Er er­kann­te du Til­let gar nicht, der schlank, in ele­gan­tem Mor­ge­n­an­zug, sei­nem Die­ner die Zü­gel zu­warf und eine De­cke über den nas­sen Rücken sei­nes Voll­blut­pfer­des leg­te.

      »Wel­cher Zu­fall führt Sie hier­her?« sag­te du Til­let zu sei­nem frü­he­ren Prin­zi­pal.

      Du Til­let wuß­te es na­tür­lich ganz ge­nau, denn die Kel­lers hat­ten Er­kun­di­gun­gen bei Cla­paron ein­ge­zo­gen, der, im Ein­ver­ständ­nis mit du Til­let, den al­ten gu­ten Ruf des Par­füm­händ­lers un­ter­gra­ben hat­te. Ob­gleich schnell ver­schluckt, spra­chen die Trä­nen des ar­men Kauf­manns doch deut­lich ge­nug.

      »Sind Sie etwa hier­her ge­kom­men, um Hil­fe bei die­sen Wu­che­rern zu su­chen,« sag­te du Til­let, »bei die­sen Wür­ge­en­geln des Han­dels, die sol­che nie­der­träch­ti­gen Bör­sen­ma­nö­ver ge­macht ha­ben wie die Haus­se in In­di­go, nach­dem sie ihn auf­ge­kauft hat­ten, und die Bais­se in Reis, um die, die mit der Ware zu­rück­hiel­ten, zu zwin­gen, bil­lig an sie zu ver­kau­fen, da­mit sie nach­her den Markt­preis dik­tie­ren konn­ten, die­sen blut­gie­ri­gen Pi­ra­ten, die sich we­der um Treu und Glau­ben, noch um Recht, noch um mensch­li­ches Ge­fühl küm­mern! Wis­sen Sie denn nicht, wes­sen die­se Leu­te fä­hig sind? Sie ge­wäh­ren Ih­nen einen Kre­dit, wenn Sie sich auf ein gu­tes Ge­schäft ein­ge­las­sen ha­ben, und so­bald Sie das Rä­der­werk der Sa­che in Be­trieb ge­setzt ha­ben, dann kün­di­gen sie ihn und zwin­gen Sie, ih­nen das Un­ter­neh­men für einen elen­den Preis ab­zu­tre­ten. Ha­vre, Bor­deaux und Mar­seil­le kön­nen Ih­nen schö­ne Din­ge über die­se Leu­te er­zäh­len. Die Po­li­tik dient ih­nen nur als Deck­man­tel für ihre un­sau­be­ren Ge­schäf­te, das kön­nen Sie mir glau­ben! Da­her ma­che ich mir auch kei­ne Skru­pel dar­über, wenn ich sie aus­nut­ze! Ge­hen wir ein biß­chen spa­zie­ren, mein lie­ber Bi­rot­teau! Jo­seph, füh­ren Sie das Pferd auf und ab, es hat sich heiß ge­lau­fen. Teu­fel noch­mal, es re­prä­sen­tiert ein Ka­pi­tal von tau­send Ta­lern.« Da­mit wand­te er sich dem Bou­le­vard zu. – »Nun, mein ver­ehr­ter Prin­zi­pal – Sie sind doch mein Chef ge­we­sen – brau­chen Sie Geld? Die­se elen­de Ge­sell­schaft wird na­tür­lich Ga­ran­ti­en von Ih­nen ver­langt ha­ben. Ich, der ich Sie ken­ne, ich bie­te Ih­nen Geld ge­gen Ihr ein­fa­ches Ak­zept an. Ich habe mein Ver­mö­gen in eh­ren­haf­ter Wei­se mit un­glaub­li­cher Mühe er­wor­ben. Ich bin nach Deutsch­land ge­gan­gen, um es zu er­rin­gen. Heu­te kann ich es Ih­nen sa­gen: ich habe die Emi­gran­ten­quit­tun­gen mit sech­zig Pro­zent Ra­batt auf­ge­kauft; da­bei war mir Ihre Bürg­schaft sehr nütz­lich und ich, ich bin nicht un­dank­bar! Wenn Sie zehn­tau­send Fran­ken brau­chen, so kön­nen Sie sie ha­ben.«

      »Wirk­lich, du Til­let?« rief Cäsar aus, »ist das wirk­lich wahr? Trei­ben Sie kei­nen Spott mit mir? Ja, ich bin et­was in Ver­le­gen­heit, aber nur für den Au­gen­blick.«

      »Ich weiß, die Af­fä­re Ro­guin«, er­wi­der­te du Til­let. »Ach, ich sit­ze auch mit zehn­tau­send Fran­ken drin, die der alte Kerl vor der Flucht von mir ent­lie­hen hat, aber Frau Ro­guin wird sie mir aus ih­ren Ein­gän­gen zu­rück­er­stat­ten. Ich habe der ar­men Frau ge­ra­ten, daß sie nicht so dumm sein soll, ihr Ver­mö­gen zu op­fern, um die Schul­den zu be­zah­len, die für ein Frau­en­zim­mer ge­macht wor­den sind; das wäre ja noch schö­ner, wenn sie al­les be­zah­len woll­te, aber wie soll sie ge­wis­se Gläu­bi­ger vor an­de­ren be­vor­zu­gen? Sie sind kein Ro­guin, Sie ken­ne ich, Sie wür­den sich eher eine Ku­gel vor den Kopf schie­ßen, als daß Sie mich einen Sou ein­bü­ßen lie­ßen. Aber da sind wir ja in der Rue de la Chaus­sée d’An­tin, kom­men Sie zu mir hin­auf.«

      Es mach­te dem Par­ve­nü Ver­gnü­gen, sei­nen ehe­ma­li­gen Prin­zi­pal, an­statt in die Bu­re­aus, durch sei­ne Pri­vat­räu­me zu füh­ren, und er mach­te das lang­sam, um ihm das rei­che Spei­se­zim­mer zu zei­gen, das mit in Deutsch­land ge­kauf­ten Bil­dern


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