Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac


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Man­nes ein güns­ti­ges Vor­zei­chen. Er be­dau­er­te, daß ein Feind der Bour­bo­nen ein so lie­bens­wür­di­ger und be­gab­ter Mann und ein so be­deu­ten­der Red­ner war.

      Er­füllt von sol­chen Il­lu­sio­nen be­trat er ein kah­les, kal­tes, mit zwei Zy­lin­der­bu­re­aus und ei­ni­gen schlech­ten Ses­seln mö­blier­tes und mit sehr schad­haf­ten Vor­hän­gen und ei­nem dürf­ti­gen Tep­pich ver­se­he­nes Ar­beits­zim­mer. Die­ses Zim­mer ver­hielt sich zu je­nem an­dern wie die Kü­che zum Spei­se­zim­mer, die Fa­brik zu dem Ver­kaufs­la­den. Hier wur­den die Bank- und Han­dels­ge­schäf­te bis ins In­ners­te ge­prüft, die Un­ter­neh­mun­gen ge­nau stu­diert und die Pro­vi­sio­nen der Bank bei al­len Er­trä­gen von In­dus­trie­un­ter­neh­men, die als ein­bring­lich an­ge­se­hen wur­den, fest­ge­legt. Hier wur­den die ge­wag­ten Coups er­dacht, durch die man sich in we­ni­gen Ta­gen ein schnell aus­zu­beu­ten­des Mo­no­pol ver­schaf­fen konn­te; hier die Lücken der Ge­setz­ge­bung her­aus­ge­fun­den und ohne Scheu das aus­be­dun­gen, was die Bör­se einen »Lö­wen­an­teil« nennt, Kom­mis­si­ons­ge­büh­ren für die ge­rings­ten Diens­te, wie die Un­ter­stüt­zung ei­nes Un­ter­neh­mens nur durch ih­ren Na­men und die Ge­wäh­rung ei­nes Kre­dits. Hier wur­den die ge­setz­lich nicht an­fecht­ba­ren Schwin­de­lei­en aus­ge­heckt, die dar­in be­stan­den, sich an zwei­fel­haf­ten Un­ter­neh­mun­gen in der Wei­se zu be­tei­li­gen, daß man erst den Er­folg ab­war­te­te, um sie dann zu ver­nich­ten und sich ih­rer zu be­mäch­ti­gen, in­dem man im kri­ti­schen Mo­ment sein Ka­pi­tal zu­rück­for­der­te; ein schreck­li­ches Ma­nö­ver, durch das un­zäh­li­ge Ak­tio­näre hin­ein­ge­legt wur­den.

      Die bei­den Brü­der hat­ten die Rol­len un­ter sich ver­teilt. Oben spiel­te sich Franz, der vor­neh­me Mann und Po­li­ti­ker, als ein Kö­nig auf, der Gunst­be­wei­se und Ver­spre­chun­gen aus­teil­te und sich bei al­len an­ge­nehm ma­chen. Bei ihm mach­te sich al­les leicht; er be­han­del­te die Ge­schäf­te nicht klein­lich und be­rausch­te die neu­en An­kömm­lin­ge und die noch un­er­fah­re­nen Spe­ku­lan­ten mit dem Wein sei­ner Gunst und sei­ner ein­neh­men­den Rede, in­dem er ih­nen ihre ei­ge­nen Ide­en ent­wi­ckel­te. Un­ten ent­schul­dig­te Adolph sei­nen Bru­der mit sei­ner po­li­ti­schen Über­las­tung und ver­stand es, ge­schickt auf den Busch zu klop­fen; er war da­her der un­be­lieb­te Bru­der, der schwie­ri­ge Mann. Man muß­te also von bei­den Sei­ten die Zu­sa­ge ha­ben, wenn man mit die­ser hin­ter­lis­ti­gen Fir­ma zu ei­nem Ge­schäfts­ab­schluß ge­lan­gen woll­te. Häu­fig ver­wan­del­te sich das lie­bens­wür­di­ge Ja des Staats­zim­mers in ein tro­ckenes Nein in Adol­phs Ar­beits­zim­mer. Die­ses Hin­zie­hen ge­stat­te­te die ge­naue Über­le­gung und war oft der An­laß, sich über we­ni­ger ge­wand­te Kon­kur­ren­ten lus­tig zu ma­chen. Der Bru­der des Ban­kiers sprach ge­ra­de mit dem be­kann­ten Pal­ma, dem ver­trau­ten Rat­ge­ber des Hau­ses Kel­ler, der sich beim Er­schei­nen des Par­füm­händ­lers zu­rück­zog. Als Bi­rot­teau sein An­lie­gen aus­ein­an­der­ge­setzt hat­te, warf Adolph, der schlaue­re der bei­den Brü­der, ein wah­rer Luchs, mit ste­chen­den Au­gen, schma­len Lip­pen und grel­lem Teint, in­dem er den Kopf senk­te, über sei­ne Bril­le hin­weg Bi­rot­teau einen Blick zu, den man den Ban­kier­blick nen­nen muß, und der an den des Gei­ers und des Ad­vo­ka­ten er­in­nert; er war neu­gie­rig und gleich­gül­tig, klar und dun­kel, leuch­tend und fins­ter zu­gleich.

      »Schi­cken Sie mir ge­fäl­ligst den Ver­trag über das Ter­rain­ge­schäft an der Ma­de­lei­ne,« sag­te er, »da­mit ich mir über die Un­ter­la­gen für den Kre­dit ein Bild ma­chen kann; das muß zu­erst ge­prüft wer­den, be­vor wir ihn er­öff­nen und über die Zin­sen ver­han­deln kön­nen. Liegt die Sa­che güns­tig, so wür­den wir uns, um Ih­nen ent­ge­gen­zu­kom­men, mit ei­nem An­teil an dem Ge­winn be­gnü­gen an Stel­le ei­nes Skon­tos.«

      »Nun, ich sehe schon, worum es sich han­delt«, sag­te Bi­rot­teau zu sich, als er nach Hau­se ging. »Ich muß, wie der ge­jag­te Bi­ber, ein Stück mei­nes Fells op­fern. Aber bes­ser, man läßt sich sche­ren, als daß man un­ter­geht.«

      An die­sem Tage kehr­te er mit lä­cheln­dem Ge­sicht heim und sein Froh­sinn war echt.

      »Ich bin ge­ret­tet,« sag­te er zu Cäsa­ri­ne, »ich be­kom­me von den Kel­lers einen Kre­dit.«

      Erst am 29. De­zem­ber konn­te sich Bi­rot­teau wie­der im Ar­beits­zim­mer Adolph Kel­lers ein­fin­den. Als der Par­füm­händ­ler das ers­te­mal wie­der­kam, war Adolph we­gen der Be­sich­ti­gung ei­nes Land­gu­tes, sechs Mei­len von Pa­ris ent­fernt, ab­we­send, das der große Red­ner an­kau­fen woll­te. Beim zwei­ten­mal wa­ren bei­de Kel­ler den gan­zen Vor­mit­tag be­schäf­tigt; es han­del­te sich um die Sub­mis­si­on ei­ner An­lei­he, die der Kam­mer vor­ge­legt war, und sie lie­ßen Bi­rot­teau bit­ten, am nächs­ten Frei­tag wie­der­zu­kom­men. Die­ses Hin­aus­schie­ben brach­te den Par­füm­händ­ler bei­na­he um. Aber schließ­lich kam auch die­ser Frei­tag. Bi­rot­teau be­fand sich in dem Ar­beits­zim­mer, an dem einen Ka­min­win­kel am Fens­ter sit­zend, wäh­rend Adolph Kel­ler am an­dern Platz ge­nom­men hat­te.

      »Das ist in Ord­nung, Herr Bi­rot­teau«, sag­te der Ban­kier und wies auf den Ver­trag, »aber wie­viel ha­ben Sie auf den Kauf­preis der Ter­rains an­ge­zahlt?«

      »Hun­dert­vier­zig­tau­send Fran­ken.«

      »In bar?«

      »In Wech­seln.«

      »Sind sie ein­ge­löst?«

      »Sie sind erst in ei­ni­ger Zeit fäl­lig.«

      »Aber wenn Sie, in An­be­tracht ih­res au­gen­blick­li­chen Wer­tes, die Ter­rains zu hoch be­zahlt ha­ben, wel­che Ga­ran­tie ha­ben wir dann? Nur die des Ver­trau­ens, das Sie ein­flö­ßen, und des An­se­hens, das Sie ge­nie­ßen. Aber auf Sen­ti­ments kann man kei­ne Ge­schäf­te ba­sie­ren. Hät­ten Sie zwei­hun­dert­tau­send Fran­ken wirk­lich be­zahlt, so wür­den wir, selbst an­ge­nom­men, daß Sie, um die Ter­rains in die Hand zu be­kom­men, hun­dert­tau­send Fran­ken zu teu­er ge­kauft hät­ten, im­mer noch hun­dert­tau­send Fran­ken Ga­ran­tie für die zu kre­di­tie­ren­den hun­dert­tau­send ha­ben. Wir könn­ten dann schließ­lich, in­dem wir an Ih­rer Stel­le zah­len, Ei­gen­tü­mer Ihres An­teils wer­den, vor­aus­ge­setzt, daß wir das Ge­schäft selbst als ein gu­tes an­se­hen. Wenn man fünf Jah­re war­ten soll, um sein An­la­ge­ka­pi­tal zu ver­dop­peln, dann ist es bes­ser, es im Bank­ge­schäft ar­bei­ten zu las­sen. Es kön­nen so vie­le Zwi­schen­fäl­le ein­tre­ten! Sie wol­len Wech­sel in Um­lauf set­zen, um da­mit fäl­li­ge zu be­zah­len, das ist ein ge­fähr­li­ches Ma­nö­ver! Ei­nen Schritt rück­wärts ma­chen, um dann bes­ser vor­wärts zu kom­men. Das ist kein Ge­schäft für Sie.«

      Die­ses Wort traf Bi­rot­teau, als ob der Hen­ker ihn mit dem Brand­mal auf der Schul­ter ge­zeich­net hät­te, und er ver­lor den Kopf.

      »Nun, wir wol­len se­hen,« sag­te Adolph, »mein Bru­der hat ein leb­haf­tes In­ter­es­se für Sie, er hat mir von Ih­nen ge­spro­chen. Wir wol­len die Sa­che prü­fen.« Da­bei warf er dem Par­füm­händ­ler einen Blick zu wie eine Kur­ti­sa­ne, die ihre Mie­te be­zah­len soll.

      Bi­rot­teau ver­wan­del­te sich jetzt in einen Mo­li­neux, den Mo­li­neux, über den er so er­ha­ben ge­spot­tet hat­te. Zum bes­ten ge­hal­ten


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