Türchen öffne dich. Tobias Bachmann

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Türchen öffne dich - Tobias Bachmann


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und den Takt, um sich tiefer und tiefer in die selbstversunkene Hingabe fallen zu lassen, bis sie eins wurde mit der Musik, der spielerischen Hingabe und der vollkommenen Selbstauflösung in den allumfassenden Noten.

      »Du bist verrückt!«, behauptete Nina, als Iris ihren besten Freundinnen beim wöchentlichen Kaffeeklatsch von ihren Fantasien erzählte. Dann lauschten sie der verlockenden Musik, die an diesem Sonntagnachmittag das Haus erfüllte.

      Als die Töne abrupt verstummten, maulte Judith: »Und deswegen haben wir uns hier getroffen, statt die halbe Stunde im Café Belagios zu nutzen, um Jorge zu bewundern?«

      »Jorge, immer nur Jorge…«, murmelte Iris. Träume von ihm hatte sie schon vor Monaten aufgegeben. Doch erst seit es den neuen Nachbarn gab, fiel es ihr nicht mehr schwer, den gut aussehenden Mittvierziger zu verdrängen. Schließlich hatte er sie nie beachtetet, kannte nach all den Jahren nicht einmal ihren Namen, obwohl sie jeden Sonntag um 16 Uhr mit ihren Freundinnen in sein Café kam. Und jeden Sonntag eine Waffel mit Eis und Kirschen und einen Latte Macchiato bestellte.

      Der schöne Jorge … Iris’ Gedanken schweiften ab. Plötzlich waren es Jorges Finger, die sich auf ihrer Haut bewegten, seine Elegien, die sie verzauberten, seine Musik, die sie verführte und sein Rhythmus, der sie zum Schreien brachte.

      Entschlossen schüttelte Iris den Kopf und den Tagtraum von Jorge, seinem perfekten Körper, dem perfekten Mund und dem perfekten Sex ab. Schließlich flirtete er mit jeder Frau, nur sie ignorierte er. Wahrscheinlich war Iris ihm nicht schlank genug oder zu durchschnittlich.

      »Lade deinen Nachbarn doch zum Kaffee ein«, schlug Nina vor und riss Iris aus ihren Gedanken.

      »Jetzt?« Iris sah an sich hinab und musste lachen. Ihr gemütlicher Hausanzug lud wahrlich zu vielem ein – flirten zählte nicht dazu. Auch wusste sie, dass sie ohne Makeup, mit nachlässig zurückgebundenen Haaren eher kuschelig als hübsch aussah.

      Für ihren ehrlichen Blick erntete sie einen Ratschlag: »Wenn ein Mann dich mag, dann immer und auch so wie jetzt!«

      Gut gelaunt brachte Iris ihre Freundinnen zur Tür, wünschte ihnen Glück mit Jorge und sah ihnen nach. Als plötzlich die Tür der Nachbarwohnung aufgerissen wurde, erschrak sie und drehte sich zur Flucht.

      »Ist heute nicht Sonntag?« Die angenehme Stimme und die Frage, die sie nicht in einen Zusammenhang bringen konnte, irritierte Iris genug, um dem Mann einen Blick zu gönnen.

      Jorge! Gut aussehend wie immer.

      Als er ihre Verwirrung erkannte, ergänzte er: »Du wirst mir untreu kleine Blume?!«

      Iris wurde rot, begriff aber nicht, wovon Jorge sprach.

      »Ihr seid doch heute immer im Café…«, er musterte sie eingehend, »…oder bist du krank, Blume?«

      Die merkwürdige Enttäuschung darüber, dass ausgerechnet Jorge ihr traumhaft-verführerischer Klavierspieler sein sollte und sie nun auch noch abwertend musterte, ließ Iris fauchen: »Wenn du mich so nicht magst, ist das dein Problem!« Sie drehte sich um und stapfte zu ihrer Wohnungstür zurück. »Außerdem habe ich einen Namen!«

      »Iris!« Jorges entschuldigende Stimmlage und die Tatsache, dass er ihren Namen kannte, ließen Iris zurückblicken.

      Verunsichert fragte er: »Du kommst heute gar nicht?« Er sah an sich hinab und machte eine hilflose Geste, mit der er ihr zu verstehen gab, dass er sich nur wegen ihr so schick machte.

      Iris blinzelte und ihre verführerischen Gedanken kamen zurück. – Alle.

      »Vielleicht kannst du mir bei mir meinen Sonntagskaffee servieren?«, schlug sie vor und fügte schelmisch hinzu: »Und Klavierspielen?!«

       6. Backe, Backe … Weihnachtsüberraschung

       (Eine Geschichte aus dem »Männerbacken«-Universum)

       Katinka Uhlenbrock

      Marios-Super war weihnachtlich geschmückt und sah aus wie eine Märchenwelt. Weißer Kunstschnee bedeckte jede Fläche, die nicht Tisch oder Sitzplatz war, weiß-silbrige Schneeflocken hingen in verschiedenen Größen und in unterschiedlichen Höhen und Abständen von der Decke, die Beleuchtung war in grün-rot gehalten und auf jedem der Tische standen kleine, geschmückte Tannen, die jeweils mit einer beleuchteten Lichterkette versehen waren. Sie waren die kleinen Geschwister der mächtigen Tanne, die im Eingangsbereich stand und unter der verpackte Geschenke schmückend ins Gesamtkonzept passten.

      Selbst der Lärmpegel und die vielen Gäste in der Bar kamen nicht gegen die festliche Atmosphäre an, die auch vor den Toiletten nicht haltgemacht hatte. Wochen vor dem ersten Advent war der Chef, Mario, auf die Idee gekommen, Jeannine um Dekorationshilfe zu bitten. Etwas, was seine beste Freundin immer sehr ernst nahm und innerhalb weniger Stunden hatte sie die beiden Räume komplett umgestylt und sogar dem Zigarettenautomaten ein Weihnachtsoutfit verpasst und ihn in Santas Schlitten verwandelt.

      Aber auch Geburtstage nahm Jeannine sehr ernst und so hatten die gemeinsamen Freunde ganz harmlos in der Bar Stellung bezogen. An ihrem Stammtisch sitzend, hatten sie eine Weile lang so getan, als wüssten sie von nichts, hatten sich flüsternd mit anderen Gästen unterhalten und als Mario endlich die bestellten Cocktails brachte, sprangen so gut wie alle Besucher der Gaststätte auf und stimmten in Jeannines »Happy Birthday« ein.

      Mario guckte überrascht und irritiert, ließ sich hochleben und drücken und ließ sich sogar einen Moment lang auf den leeren Stuhl ziehen. Erst dann schien ihm aufzufallen, dass der ganze Jubel und Trubel ihm galt. Lachend wehrte er das erste Geschenk ab. »Mädels, ich habe heute keine Zeit für einen Geburtstag.«

      »Das ändert aber nichts daran, dass du heute Geburtstag hast!«, protestierte Jeannine.

      Mario verdrehte die Augen, erkannte aber eine Zwangslage, wenn er eine fand. Seine Freunde würden ihn nicht entkommen lassen, wenn er nicht mitspielte. Und je schneller er mitspielte, desto schneller würde er entkommen. Simple as that.

      Mit gespielter Begeisterung, die rasch in echte umschlug, riss Mario das Geschenkpapier auseinander und betrachtete den Inhalt. Einen Karton, auf dem Teig, ein Backförmchen in Frauenform, ein Rezeptbuch und magisches glitzer-rosafarbenes Papier abgebildet war.

      »Was ist das?«, erkundigte er sich misstrauisch.

      »Eine Traumfrau«, erklärte Jeannine, als seien diese zwei Worte Erklärung genug. Waren sie auch, denn alle am Tisch, einschließlich Mario, hatten mitbekommen, wie Jeannine an ihrem Geburtstag das Glück gefunden hatte. Durch einen selbstgebackenen Traummann, der auch heute neben ihr saß und mit dem sie Händchen hielt, als seien die zwei miteinander verwachsen.

      »Hasi«, meinte Mario mitleidig und legte seine Hand auf Jeannines, »ich brauche gar keine Traumfrau, ich brauche eine neue Kellnerin!«

      »Wir könnten einspringen«, schlug Jeannine vor, erntete aber einen bösen Blick von ihrem Freund und ein energisches Kopfschütteln.

      »Du würdest dem ersten Kerl, der dir auf den Hintern starrt, eine reinhauen und Lucy hier«, Mario zeigte auf Jeannines beste Freundin, aka Schwester des selbstgebackenen Traummannes, »sie würde mit genau demselben Kerl ins Hinterzimmer gehen.«

      »Hei!«, machte Lucy, wirkte aber nicht wirklich empört. Seit sie sich von Javier getrennt hatte, war sie chronisch untervögelt und gab zu allem und jedem ihren sexistischen Senf dazu. Sie war wie eine Diva auf Sexentzug.

      »Und Anja würde jeden Gast zu einer unserer Veranstaltungen nötigen«, erklärte Mario weiter und zeigte einen weiteren Schwachpunkt in Jeannines Vorschlag auf. Anja grummelte nur leise vor sich hin, widersprach aber nicht.

      »Ich könnte einspringen!«, schlug Damon vor.

      Mario überlegte einen Augenblick, doch dann schüttelte er den Kopf.


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