Wenn sie mich finden. Terri Blackstock

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Wenn sie mich finden - Terri Blackstock


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vor fünf Jahren war sie Lehrerin in Shreveport.

      Brent hatte eine heiße Spur. Ich finde ihr Facebook-Profil, das nicht öffentlich ist. Rasch kreiere ich ein Fakeprofil und sende ihr eine Freundschaftsanfrage. Minütlich checke ich, während ich mein Frühstück verzehre. Und da … sie hat angenommen.

      Es verblüfft mich immer aufs Neue, wie leicht die Leute Freundschaftsanfragen in sozialen Netzwerken akzeptieren. Vor allem dann, wenn das eigene Profil nicht öffentlich ist. Woher will sie denn wissen, dass ich keine feindlichen Absichten habe …

      Sehr schnell komme ich auf ihr Profil. Sie ist stolz auf ihr Aussehen und postet jeden Tag mehrere Fotos von sich, meist Selfies. Es könnte hier also eine Menge Material geben. Ich betrachte die Bilder, eins nach dem anderen, bis ich schließlich Dutzende, nein, eher Hunderte gesehen habe. Ich klicke mich viel zu schnell durch, nicht sicher, ob ich auch sehe, was es da vielleicht zu sehen gäbe.

      Dann lässt mich etwas innehalten.

      Mit den Fingern ziehe ich das Bild größer. Da ist er – das Foto wurde vor vier Jahren gepostet –, direkt neben ihr. Die beiden sind bei einem Baseballspiel und grinsen für das Selfie in die Kamera. Gordon Keegan.

      Ich sehe mir die jüngeren Fotos noch einmal an, jetzt langsamer, und studiere alle Gesichter auf den Aufnahmen. Ich finde ihn noch zweimal im Hintergrund. Auf einem Bild tragen beide Blumenkränze und geblümte Shirts. Die Bildunterschrift sagt: „Chillen in Hawaii. Anstrengender Job, aber jemand muss ihn ja machen.“

      Plötzlich weiß ich, was Brent mir gesagt hätte. Candace Price aus Dallas ist Keegans Geliebte.

      Plötzlich ergeben die Einzelteile ein Bild. Ich weiß, wohin ich als Nächstes gehe.

      Ich zahle, nehme meine Reisetasche und bestelle ein weiteres Taxi. Zuerst lasse ich mich zu einer Paketannahmestelle bringen, wo ich mein Päckchen aufgebe, dann bitte ich den Fahrer, mich zum Bahnhof zu fahren.

      Ich gehe zum Fahrkartenschalter. Mein Herz pocht wild – wegen meiner Entscheidung. „Den nächsten Zug nach Dallas, Texas, bitte“, sage ich.

      10

      Keegan

      Casey Cox könnte längst tot sein. Aber stattdessen ist sie eine Klette, die mir auf der Haut juckt und mich in jeder einzelnen Minute meines Lebens daran erinnert, dass sie da ist. Sie ist irgendwo da draußen und tickt und tickt, tickt wie eine Bombe, bereit hochzugehen, wenn ich es am wenigsten erwarte.

      „Wir müssen etwas unternehmen“, erkläre ich Sy, meinem Partner, der in seiner verwohnten Küche herumwirtschaftet wie ein alter Mann. „Die Medien machen gerade eine Heldin aus ihr. Es ist ein Albtraum. Wir müssen dem ein Ende machen, und zwar so schnell wie möglich.“

      Sys Stirn legt sich in Falten wie verwittertes Leder. Der Alkohol macht ihn alt. „Wir sollten ein paar Fotos von Brents Leiche an die Medien geben“, sagt er.

      „Zu riskant“, sage ich. „Wird dem Chef nicht gefallen. Er wird sagen, wir behindern die Ermittlungen.“

      „Wir könnten die Bilder ja lancieren und uns dann aufregen, dass das Material nach draußen gelangt ist. Wenn wir es sind, die darüber in Rage geraten, wird der Chef nicht darauf kommen, dass wir es waren. Wir können es Dylan Roberts in die Schuhe schieben.“

      Ich überlege einen Moment und versuche, die logischen Konsequenzen dieses Vorschlags abzuschätzen. Die Entscheider bei den Fernsehsendern, die gerade so fasziniert sind von einer Mordverdächtigen, die ein junges Mädchen und ihr Baby gerettet hat – und nur allzu gern berichten würden, dass sie eben keine Mörderin ist –, würden eine Vorstellung davon bekommen, wie blutig der Mord war, für den sie gesucht wird. Es könnte die Sympathie der Öffentlichkeit für sie geradezu ins Gegenteil umschlagen lassen.

      „Wir wissen beide, wir würden damit nichts gefährden“, fügt Sy hinzu. „Das Beweismaterial ist so, wie wir es haben wollten.“

      Ich grinse. „Sie müssten wieder darüber reden, wie gefährlich sie ist.“ Ich atme tief aus und versetze dem Stuhl vor mir einen Tritt. „Er hätte sie in Shady Grove kriegen sollen. Es könnte längst zu Ende sein.“

      „Ich weiß nicht.“ Sy steht auf und geht polternd durch die Küche, dass das ganze Haus unter den Schritten seiner Stiefel zittert. Er schüttet sich drei Fingerbreit Whisky ins Glas, kippt ihn hinunter und verzieht das Gesicht. „Eins muss man ihr lassen, sie hat Mumm. Und clever ist sie auch. Wenn wir Dylan bei Gates anschwärzen, wird er sich nur umso mehr in den Fall reinhängen. Er hat seinen Job durch die Paces bekommen. Wenn sie wollen, dass Dylan weiter an ihr dranbleibt, wird der Chef das unterstützen.“ Er hebt die Flasche und hält sie mir hin. „Auch einen?“

      „Nein“, lehne ich ab. „Muss einen klaren Kopf behalten. Und das solltest du auch. Wir können uns keinen Fehler leisten.“

      Sy stellt die Flasche unsanft ab und die Flüssigkeit spritzt darin hoch.

      „Okay“, sage ich. „Das ist unsere Strategie: Zuerst lancieren wir die Fotos an die Presse und auch eine Liste mit den Beweismitteln – ihre DNA am Tatort, das Messer in ihrem Auto … Dann durchforsten wir die Abteilung und verdächtigen jeden, der Zugang zu dem Material hatte. Es muss überzeugend sein – absolute Empörung à la ‚Glaubt bloß nicht dass der Täter damit davonkommt‘.“

      „Du bringst die Sachen an die Presse?“

      „Ja, mach ich. Aber dann müssen wir dem Chef noch ein paar Geschichten über Dylan stecken. Nichts zu Offensichtliches. Nur hier und da einen Floh in sein Ohr – Dylans Inkompetenz, seine Krankheit … dass wir uns immer wieder bemühen, über seine offensichtlichen PTBS-Episoden hinwegzusehen.“

      „Das hat schon nicht funktioniert, als du es in seinem Büro versucht hast. Dylan gibt sich zu kompetent. Ich fürchte, wir müssen uns etwas Subtileres ausdenken.“

      „Jedenfalls müssen wir Zweifel an ihm säen.“

      „Aber was ist mit der Suche nach ihr?“ Sy greift wieder zur Flasche, sinkt auf einen Sessel und zieht sich den Fußschemel heran. „Wir müssen sie finden. Ich kann nachts nicht mehr schlafen, solange sie frei herumläuft und uns die Hölle heißmachen könnte. Sie kann uns jederzeit auffliegen lassen. Ich bin kein Typ, dem es im Knast gut gehen würde, weißt du.“

      „Halt den Mund. Du gehst nicht in den Knast. Und woher willst du wissen, dass sie was gegen uns in der Hand hat? Sie ist gerade auf der Flucht vor dem Gesetz. Das ist alles. Es bedeutet nicht, dass sie etwas weiß. Bis jetzt haben wir es doch geschafft, oder etwa nicht?“

      Sy trinkt jetzt aus der Flasche. Ich stehe auf und gehe zu ihm rüber. Ich packe ihn am Kinn, gebe ihm einen leichten Klaps auf die Wange, hebe sein Gesicht zu mir hoch. „Hab ich dich vielleicht nicht reich gemacht? He? Sag mir jetzt nicht, das war alles nichts. Wir müssen uns mit so viel Dreck herumschlagen, wir sollten wie die Könige leben. Wir setzen an jedem verdammten Tag unser Leben aufs Spiel und für die meisten von uns reicht es nicht mal für ein neues Auto. Man schuldet uns das – und wir waren Manns genug, es uns zu nehmen. Wir haben nur genommen, was uns zustand.“

      Sy befreit sich aus meinem Griff. „Vielleicht sind wir zu weit gegangen, Gordon. Diese Sache mit Andy Cox – seitdem stecken wir im Schlamassel … und dann erst Brent …“

      „Jedes Mal, wenn du dich betrinkst, fängst du wieder an mit dem Gejammer über Cox. Es ist dreizehn Jahre her. Wir sind damit davongekommen.“ Ich packe ihn erneut am Kinn und blicke ihm mit zusammengepressten Zähnen direkt in die Augen. „Stecken wir gerade im Schlamassel? Hat man uns gefasst? Ist uns je etwas passiert?“

      Sy windet sein Gesicht aus meiner Hand.

      „Nein“, fahre ich fort. „Wir leben noch immer ein komfortables Leben. Und Casey Cox ist nur ein Niemand im Nirgendwo, der versucht, in Deckung zu bleiben. Sie kann mit niemandem reden. Und wir werden sie bald genug finden und der Sache ein Ende machen. Das ist alles. Sie kann ihrem ehrenwerten Kadaver von Vater in dem Grab Gesellschaft leisten,


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