Geld und Leben. Ewald Nowotny

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Geld und Leben - Ewald Nowotny


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      Gewidmet ist dieses Buch meinen drei Enkelkindern, denen ich in jeder Hinsicht stets Priorität einräume. Möge dieses Buch für sie eine Verbindung darstellen zwischen den vielfältigen Erfahrungen der Vergangenheit und einem hoffentlich friedvollen und erfüllten Leben in zukünftigen Jahren!

      Wien, im September 2020

      Ewald Nowotny

       1.Geld und Leben – Eine Vorbemerkung

      Geld oder Leben – muss man sich, kann man sich entscheiden? Die Frage löst sich einfach in einer Situation, die uns aus Kinderbüchern bekannt ist: Der wohlhabende Kaufmann fährt durch einen dunklen Wald – plötzlich bricht eine Räuberbande hervor: „Geld oder Leben!“ Hier ist also zu wählen zwischen zwei Gütern, wobei das arme Opfer sein Leben klugerweise als das höhere einschätzen wird. In allgemeiner Perspektive gibt es vielfach eine philosophische wie auch eine religiöse Sicht auf den Gegensatz von „Geld“ – hier als Ausdruck wirtschaftlicher Tätigkeit – und „Leben“ – hier als Bezug auf eine an nicht-materiellen Werten orientierte Lebensführung. In vielen Religionen ist das ein zentrales Spannungsverhältnis. Man denke nur an die dramatische Schilderung in den Evangelien, wo der sonst so friedfertige Jesus vor dem Tempel zu Jerusalem die Geldwechsler aus dem Tempel vertreibt und ihre Tische umstößt.

      Für die meisten Menschen – und so auch für mich – geht es freilich meist nicht um die elementare Entscheidung „Geld oder Leben“, sondern um Abwägungen, um Entscheidungen unter Unsicherheit im Laufe eines Lebens. Dem entspricht der Titel dieses Buches „Geld und Leben“. Hier geht es um die Verbindung der Bereiche „Geld“ (und damit Wirtschaft) und „Leben“ im Sinne des individuellen und gesellschaftlichen Daseins. Diese Verbindung wird hier bezogen auf meine persönliche Entwicklung als Wissenschafter, Politiker und Banker. Dahinter stehen aber grundlegende Zusammenhänge des Phänomens „Geld“, die in ihrer Abstraktheit im täglichen Leben nicht bewusst und sichtbar sind. Auf einige dieser Zusammenhänge sei im Folgenden kurz eingegangen.

      Es beginnt mit der banalen Frage: „Was ist Geld?“ Die Antwort der Wirtschaftswissenschaft ist – zunächst – sehr einfach: Alles was anerkannt wird, um die Geldfunktionen zu erfüllen. Diese Geldfunktionen sind zuerst die Funktion als Recheneinheit, das heißt, als Voraussetzung dafür, dass für ein Gut ein Preis genannt werden kann, hinter dem ja eine Fülle von Einzelinformationen steht. Zum Zweiten die Transaktionsfunktion, das heißt: Geld als Grundlage für wirtschaftliches Handeln zwischen den Wirtschaftssubjekten. Schließlich die Wertaufbewahrungsfunktion, die Möglichkeit, ökonomische Transaktionen über längere Zeiträume hinweg zu verschieben und damit Kreditbeziehungen aufzubauen. „Vollwertiges“ Geld muss alle diese volkswirtschaftlichen Funktionen erfüllen. Ist dies nicht der Fall, entstehen volkswirtschaftliche Fehlsteuerungen. Bei einer Hyperinflation verliert etwa Notenbankgeld seine Transaktionsfunktion – niemand ist mehr bereit, dieses „Geld“ für die Abgabe von Gütern anzunehmen, und es kommt zu einer Regression in ein System des Naturaltausches. Unter aktuellen Aspekten betrachten Notenbanken zum Beispiel Bitcoins nicht als Geld, sondern als „Spekulationsgut“. Sie sind zu unsicher, um eine Transaktionsfunktion zu erfüllen, und weisen zu große Wertschwankungen auf, um der Wertaufbewahrungsfunktion zu genügen.

      Die Geschichte des Geldes ist elementar mit dem menschlichen Fortschritt verbunden. Es ist dies zuerst der lange Weg vom Tauschhandel zum Münzgeld, im westlichen Kulturraum verfügbar seit etwa 700 vor Christus in Form von Münzen aus Metall, speziell Gold und Silber. In der Antike entstand dann die Funktion der Banken beziehungsweise der Bankiers und damit die Möglichkeit, längerfristige Projekte friedlich – und nicht durch Raubzüge oder Unterdrückung – zu finanzieren. Die „Kulturrevolutionen“ des Christentums und des Islam führten dann zum Verbot, Geld gegen Zinsen zu verleihen, und damit zu einem weitgehenden Ende der Kreditwirtschaft, was wieder Jahrhunderte wirtschaftlicher (nicht notwendigerweise kultureller) Stagnation mit sich brachte. Erst die Renaissance in ihrem wichtigen Aspekt des Geldwesens schaffte wieder die Möglichkeit umfassender Kreditbeziehungen, die zum Aufbau von Handelsflotten genützt werden konnten – aber auch zur Finanzierung großer Heere. Auch diese Systeme beruhen auf Edelmetall-Grundlage, was, je nach Verfügbarkeit, zu Knappheitskrisen oder, nach dem Einströmen von Gold und Silber aus dem neu entdeckten Amerika, zu Inflationsentwicklungen führte. Die Notwendigkeit der Staatsfinanzierung führte 1668 zur Gründung der Schwedischen Riksbank, 1694 zur Gründung der Bank of England, die nun Papiergeld ausgaben, das auf Gold- und Silberdeckung beruhte. Das Ausmaß der Deckung variierte aber bald, und es begann das Zeitalter des Papiergeldes.

      In Anspielung auf die Erfahrungen mit den geldpolitischen Experimenten des Ökonomen und Abenteurers John Law und der Assignatenwirtschaft der Französischen Revolution zeigt Goethe im „Faust II“ die Entstehung des Papiergeldes als ein Werk des Mephisto. Mephisto bringt den unter massiver Geldnot leidenden Kaiser dazu, „Zettel“, das heißt Papiergeld, mit folgender Erklärung zu unterschreiben: „Zu wissen sei es jedem ders begehrt: Der Zettel hier ist tausend Kronen wert. Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand, Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland. Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz, sogleich gehoben, diene zum Ersatz.“

      Auch für die Verwendung von Papiergeld spielte im „Gold“- oder „Silber“-Standard bis zum Ersten Weltkrieg der Edelmetall-Bestand der Notenbank die entscheidende – und begrenzende – Rolle als „Deckung“ einer Währung. Wie Stefan Zweig in seinem schönen und nostalgischen Buch „Die Welt von Gestern“ beschreibt, wurde der Goldstandard als Garant der wirtschaftlichen Freiheit – jedenfalls der besitzenden Klassen – gesehen. Auch heute gibt es ja unter rechts-orientierten und „libertären“ Politikern und Ökonomen die Sehnsucht nach einem „entpolitisierten“, nicht beeinflussbaren Geldsystem auf Goldbasis. Der marktradikale Ökonom Friedrich August Hayek hat sich aus einer ähnlichen Sicht für die Aufhebung des staatlichen Geldmonopols und für den Wettbewerb privat emittierter Währungen ausgesprochen.

      Tatsächlich hat die monetäre Stabilität des Systems der Goldwährungen zu einer massiven Instabilität der realen Wirtschaft geführt. Da das Geld-Angebot von den Zufälligkeiten des Gold-Angebotes bestimmt war, konnten die Notenbanken auf die realwirtschaftliche Entwicklung nicht reagieren, was sich in langen und tiefen Phasen von „Wirtschaftskrisen“ auswirkte. Wie es im Slogan einer amerikanischen Protestbewegung hieß: „Die Wirtschaft war angenagelt an ein Kreuz aus Gold.“

      Der Erste Weltkrieg zeigte, dass nationalistischer Furor im Zweifel stärker ist als die besitzbürgerliche Liebe zum Gold. Dies galt für die Privatpersonen, die – mit allerdings mäßigem Erfolg – mit dem Slogan „Gold gab ich für Eisen“ aufgefordert wurden, sich von ihren Goldbeständen zu trennen. Dies galt mit nachhaltiger Wirkung aber vor allem für den Staat. Eines der ersten „Opfer“ war


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