Die Gejagte. Grace Goodwin

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Die Gejagte - Grace Goodwin


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Mir bedeutete es überhaupt nichts. Ich hatte die Hoffnung auf einen markierten Partner offensichtlich aufgegeben, schließlich war ich soeben getestet worden. Und erfolgreich zugeordnet. “Ich wusste nicht einmal, dass ich halb Everianerin war, bis mich mit vierzehn diese Jäger auf der Erde gefunden hatten. Für mich wäre es Hokuspokus, sollte meine Markierung zum Leben erwachen. Ich glaube nicht an solche Sachen. Ich bin … realistisch.”

      Rachel neigte den Kopf zur Seite und warf mir einen milden Blick zu: “Realistisch? Das würde ich so sagen. Ich habe dich in der Kampfgrube gesehen.”

      Ich war mitgekommen, um mit ihnen zusammen die Spiele anzuschauen, allerdings hatte ich mich freiwillig gemeldet und selber mitgemacht. Es kam nicht oft vor, dass Jäger an den Kämpfen teilnahmen. Und schon gar keine Frau.

      “Komm schon, ich kann mir vorstellen, was die Leute in der Schule alles über dich erzählt haben. Du warst im Leichtathletikteam, oder?”

      Damals war ich mir wirklich nicht bewusst gewesen, dass ich nicht ganz menschlich war. Ich hatte einfach geglaubt, ich wäre eigenartig. Genau wie alle anderen, mit denen ich in Minnesota aufgewachsen war, besonders nachdem meine Mutter gestorben und ich bei einer Pflegefamilie gelandet war. Das Waisenmädchen, das die unmöglichsten Sachen vollbrachte. Als ich klein war, konnte ich Gespräche hören, von denen ich eigentlich nichts hätte mitbekommen sollen, und das hatte mir eine Menge Ärger eingebrockt. Ich dachte zurück an die wenig rosige Zeit in meinem Leben, als ich gelernt hatte mitzuhören aber Stillschweigen zu bewahren, als ich lächerlich schnell und athletisch wurde und nicht verstehen konnte, warum.

      Plötzlich kam alles wieder hoch. Das Gefühl nicht dazu zu passen, die Unsicherheit, der Zorn. Ich war eine Außenseiterin gewesen, genau wie das Gothic-Girl, das tonnenweise schwarzen Eyeliner auftrug, nur um die Leute anzupissen. Ich hatte nie Eyeliner getragen, aber ich wusste genau, wie sie sich fühlte. Ich war damals die Vorzeigeathletin einer riesigen Schule, denn ich hatte sämtliche Leichtathletik- und Langlaufrekorde des Bundesstaats gebrochen und war zu einer Art Heldin geworden. Ich hätte mühelos die nationalen Wettbewerbe gewinnen können, aber ich hatte mich zurückgehalten, weil ich mich beim Sport kaum verausgabt hatte. Mein Puls war selbst nach einem acht-Kilometerlauf kaum angestiegen. Ich wollte den Ruhm damals nicht. Ich wollte keine College-Stipendien, wo ich mir dann hätte den Kopf zerbrechen müssen, wie viel genau ich von meinen Fähigkeiten zeigen konnte, ohne zu viel Aufmerksamkeit zu erwecken. Die Eliteunis der Ivy League oder die Olympischen Spiele waren mir egal. Damals hatte ich nur meine Mutter vermisst. Ich erinnerte mich an nicht viel, ihr Lächeln, ihren Duft, ihre Stimme, aber mir fehlte das Gefühl von ihr. Gott, wie es war von ihr in den Arm genommen zu werden. Ich war allein in der Welt und die einzige Person, die mich je akzeptiert hatte, war tot.

      Ich wollte keine Aufmerksamkeit. Ich wollte Antworten. Damals wollte ich herausfinden, warum ich ein Freak war.

      Jetzt wusste ich es. Ich hatte Everianisches Blut in meinen Adern. Ich hatte keine Ahnung, wie meine Mutter in Minnesota mit einem Everianer angebandelt hatte, aber das hatte sie. War mein Samenspender nach einem kurzen Fick auf der Erde wieder nach Everis zurückgekehrt? War er getötet worden? Ich würde es nie erfahren. Verdammt, wären diese Everianer nicht zur Jagd auf die Erde gekommen und hätten sie dabei nicht zufällig von meinem Sieg bei der Laufmeisterschaft gelesen, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich noch auf der Erde. Sie hatten mir nicht wirklich die Wahl gelassen zu bleiben, nachdem sie meine Markierung entdeckt und mein Tempo gesehen hatten. Ich war gezwungenermaßen mit ihnen nach Everis zurückgekehrt, um als Everianerin zu leben. Was, obwohl es mir in den Genen lag, nicht wirklich einfach gewesen war. Thema Kulturschock.

      “Ich werde unmöglich jetzt nach Everis zurückgehen und bis ans Ende meiner Tage glücklich und zufrieden mit meinem Partner zusammenleben,” verkündete ich und funkelte dabei den Doktor an, damit er ja verstand, wie ernst ich es meinte. “Ich bin der Akademie verpflichtet und ich habe nicht die Absicht, mich zur Ruhe zu setzen.”

      “Das müssen Sie auch nicht, aber Sie sollten zu ihm gehen,” entgegnete er darauf. “Die Details können Sie später gemeinsam klären …”

      Ich zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich sollte zu ihm gehen? Morgen kehre ich zur Akademie zurück. Er kann selber transportieren und mich dort treffen.”

      “So ist die Tradition. Ich bedaure. Die Braut wird immer zum Mann transportiert. Sollten Sie sich weigern, dann würden sie seine Ehre verletzen.”

      Ich runzelte die Stirn. “Ich werde jetzt nicht auf Gründe eingehen, warum diese Tradition geändert werden sollte.”

      “Wollen Sie das Match ablehnen? Ihn entehren?”

      Zum Teufel verdammt. Das war das Allerletzte, was ich einem edlen Krieger antun wollte. “Nein. Will ich nicht.”

      “Ausgezeichnet.” Der Doktor hielt die Hände hoch, als wolle er meinen verbalen Angriff abwiegeln: “Sie transportieren zu ihm. Wie Sie sich dann entscheiden, wo Sie leben werden, bleibt allein Ihnen beiden überlassen.”

      “Du kannst die Hosen anbehalten,” sprach Kira und zwinkerte mir zu. “Geh einfach zu ihm.”

      Ich verdrehte nur die Augen. Dann knurrte ich sogar. Denn ehrlich gesagt liebte ich diesen Testtraum. Jeden einzelnen Moment davon. Ich wollte überhaupt keine Hose anhaben. Ich wollte heiß, feucht und nackig sein, mit seiner Zunge—oder seinem Schwanz—tief in mir drin.

      “Du wirst ganz rot, Frau Vizeadmiralin.” Kira grinste wie die närrische Deppin, die sie auch war. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Kriegsfürst Anghar war ein imposanter Krieger. Und ehrlich gesagt wäre niemand in der Lage gewesen, mich in den Teststuhl zu zwingen. Ich hatte mich bewusst von Kira und Rachel überreden lassen. Denn ich war es leid, länger allein zu sein.

      “Gut.” Ich warf die Hände in die Luft und wiederholte es nochmal: “Na gut!”

      Alle drei atmeten aus und entspannten sich sichtlich, was mich nur noch wütender auf mich machte, weil ich mir überhaupt erlaubt hatte, Schwäche und Unsicherheit zu zeigen. “Ich werde zu ihm transportieren.”

      Der Doktor stand umgehend auf und Kira und Rachel waren schnurstracks dabei, mich aus der Tür und Richtung Transportzentrum zu drängeln, damit ich es mir bloß nicht anders überlegte. Ich stand auf der Transportplattform und der Doktor war dabei, dem Techniker die Koordinaten mitzuteilen. Ich blickte an mir herunter und stellte sicher, dass meine Vizeadmiraluniform der Koalitionsflotte tadellos saß und ich meine Waffe an den Schenkel geschnallt hatte. Wenn ich schon die Kolonie verlassen würde, dann in voller Montur.

      Doktor Surnen räusperte sich: “Es ist üblich, dass die Bräute in einer etwas feminineren Aufmachung eintreffen …”

      Ich warf ihm einen bösen Blick zu: “Treiben Sie es nicht zu weit, Doktor. Mein potenzieller Partner soll genau wissen, mit wem er es zu tun hat.”

      Der Doktor grinste tatsächlich, was für einen Prillonen äußerst selten war, ganz besonders in der Kolonie. “Wie Sie wünschen, meine Dame.”

      “Ich bin keine Dame.”

      Noch mehr Grinsen, aber er sagte nichts darauf. Ein verdammt smarter Prillone.

      “Gib’s ihm, Niobe! Dann sorg dafür, dass er um mehr bettelt.” Kira hatte die Hände auf die Hüften gestemmt und lachte. Der Doktor warf ihr für den unangebrachten Ratschlag einen finsteren Blick zu, ich aber ignorierte ihn und erwiderte ihr Lächeln.

      “Das werde ich.” Betteln. Pushen. Verführen. Mich quer durch den Wald jagen.

      Meine Pussy zog sich zusammen, als die Erinnerungen wieder aufkamen. Gott, ich konnte es kaum erwarten.

      “Mach bloß nichts, was wir nicht auch tun würden,” sprach Rachel vom unteren Ende der kleinen Treppe.

      “Ihr habt drei Tage, dann komme ich nach und will Einzelheiten hören. Alle Einzelheiten.” Kira wackelte mit den Augenbrauen und ich funkelte sie an.

      “Abgemacht.” Hoffentlich würde ich auch ein paar Einzelheiten


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