Die Gejagte. Grace Goodwin

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Die Gejagte - Grace Goodwin


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ich preschte vorwärts und nahm ihr die Pistole aus der Hand.

      “Was ist hier los? Ich dachte, das ist ein Koalitionsstützpunkt.”

      “Das war es auch, bis vor einer Woche. Die Hive sind reintransportiert und haben uns überrannt. Ohne Vorwarnung. Wir dachten, hier unten wären wir sicher.”

      “Gibt es noch mehr Krieger? Andere Gefangene?” wollte sie wissen. Allerdings schaute sie mich nicht an. Sie blickte auf den Flur, wo in etwa fünf Sekunden drei weitere Hive auftauchen würden. Größer dieses Mal. Stärker.

      “Es wurden viele hereintransportiert. Ich habe jeden einzelnen von ihnen gesehen. Keine Ahnung, wie viele davon noch leben.”

      Ich lauschte wieder. Ein Atlane und zwei Prillonen, hätte ich raten sollen. Mist. Die würden nicht mit einem einzelnen Schuss niedergehen. Nein, sie wären sehr viel schwieriger totzukriegen.

      Irgendetwas in meiner Stimme ließ sie aufhorchen, denn dieser dunkle Blick wanderte zu mir zurück und ich erblickte so etwas wie Trauer oder Mitleid in ihren Augen. Ich konnte nicht ausmachen, was genau von beiden es war und ich wollte weder das eine noch das andere.

      “Geh in Deckung. Ich erledige sie.” Ich brauchte keine Mitleidsorgie. Jetzt, als ich befreit war und mit einer Waffe an der Hand, konnte die schwirrende Hilflosigkeit in meinem Kopf sich gefälligst zum Teufel scheren.

      “Drei von ihnen werden gleich da sein. Und einer davon ist … war ein Atlane.”

      “Ich weiß.”

      Sie wusste es? Woher? Konnte sie ihn etwa auch hören?

      Sie schaute mich nicht länger an, sondern war hinter der Ecke in Deckung gegangen, genau, wie ich es vorgeschlagen hatte, sodass nur ihre Schulter und ihre Ionenwaffe den Hive als Zielscheibe dienten.

      Sie kniff die Augen zusammen und zielte.

      Die Götter mochten mir helfen, sie war umwerfend. Wie zum Teufel hatte sie den feinen Unterschied in den schweren Schritten des integrierten Atlanen herausgehört? Mir war es klar gewesen, aber ich hatte Jägersinne. Sie war kein Elitejäger. Ich wusste nicht, was sie war, abgesehen davon, dass sie hübsch war—ich blickte kurz rüber auf die drei toten Viken auf dem Boden hinter ihr—und tödlich. Effizient. Skrupellos.

      “Wer bist du?” Ich konnte mir die Frage einfach nicht verkneifen, auch wenn wir gerade auf den Feind warteten. Sie war ein Rätsel. Ein komplettes, totales Rätsel, das ich sehnlichst lösen wollte. “Und wie bist du hierhergekommen?”

      Sie war offensichtlich hereintransportiert. Aber wo hatte sie die Koordinaten her? Woher wusste sie über das geheime Integrationszentrum der Hive Bescheid?

      Natürlich ignorierte die vertrackte Frau die Fragen.

      Mit dunklen, scharfen Augen blickte sie zu mir auf. “Wirst du wie eine Zielscheibe hier rumstehen oder wirst du mir helfen uns hier rauszuschaffen?”

      Ich erkannte ihre Sprache als eine verbreitete Erdensprache wieder. War sie etwa ein Mensch? Und wenn ja, wie konnte sie die nahenden Soldaten hören? Wie hatte sie einen davon als Atlanen identifiziert? Menschen waren für ihre Hartnäckigkeit und ihren Mut bekannt, nicht für ihre überragenden Sinne.

      “In Deckung, Krieger. Sofort.”

      Diesen Tonfall—der eines Kommandanten, der es gewohnt war, dass man ihm gehorchte—hatte ich nur selten von einer Frau gehört, und ganz bestimmt nicht von einer, die so zierlich und hübsch war wie sie. Es war egal, von welchem Planeten sie kam. Hier, inmitten eines verfluchten Integrationszentrums, wurde ich hart. Mein Schwanz schien sich nicht darum zu kümmern, dass der Feind uns gleich einheizen würde. Ich wollte sie. Und ihre dominante Art. Oh ja, sie hatte Wirkung auf mich. Mein verborgener Jäger wollte ihr zeigen, wer wirklich das Sagen hatte. Vielleicht nicht präzise in diesem Moment, aber sobald ich erstmal diesen reizenden Körper seiner Uniform entledigt hatte, würde sie einsehen, dass ich der Boss war.

      Ich grinste. Oh ja. Ich war der Jäger und sie würde schon bald herausfinden, dass sie die Gejagte war.

      Ein Brüllen tönte durch den Korridor, die integrierte Atlanische Bestie gab uns eine Warnung. Bei den Atlanen war ich mir nie sicher, ob sie komplett den Hive-Implantaten erlegen waren oder ob sie immer noch dagegen ankämpften. Manchmal zögerten sie einen tödlichen Schuss hinaus, um einem ReCon-Kämpfer oder einem Krieger auf dem Schlachtfeld die Chance zu geben, sie auszuschalten.

      Ein rascher Tod war in diesem Falle eine Gnade.

      Ich positionierte mich so, damit ich die Stellung der Frau decken konnte und prüfte das Energielevel der Waffe. Sie war vollständig geladen und ich stellte die Ionenpistole auf maximale Feuerkraft. “Ich werde sie aufhalten. Kennst du dich mit der Transportsteuerung aus?”

      Sie blickte über ihre Schulter und warf mir einen gereizten Blick zu, ihre Lippen waren schmal und fest. “Halt sie von uns fern und ich werde uns hier rausschaffen. Für die restlichen Gefangenen werden wir später zurückkehren.”

      “Verstanden.”

      Sie stand auf und drehte sich, sodass sie mit dem Rücken zur Wand war, während ich weiter den Korridor ins Visier nahm. “Wie lautet dein Name?” fragte sie.

      “Quinn.”

      Sie blinzelte langsam, als ob mein Name sie verwunderte und ihr Blick musterte interessiert mein Gesicht. Mit etwas mehr als nur einfachem Kampfinstinkt. “Du bist Everianer? Ein Elitejäger?”

      Ich nickte. “Ja.” Sie schien viel über meine Spezies zu wissen. Ungewöhnlich. Die meisten Aliens von der Erde hatten kaum etwas von meinem Planeten gehört.

      “Gut. Dann solltest du es schaffen, sie mir vom Leib zu halten.”

      Jetzt war ich auf einmal gereizt. “Selbstverständlich.”

      Sie grinste und am liebsten wollte ich sie küssen, als ich das Funkeln in ihren Augen sah. Scheiße. Im Ernst, ich wollte sie gegen die Wand nageln und meinen Schwanz in ihr vergraben. Aber das würde warten müssen, bis wir diesem Felsbrocken entkommen waren. Diese Unverfrorenheit würde ich ihr schon austreiben. Sie in heißes Keuchen verwandeln. In hauchiges, lustvolles Stöhnen.

      Ohne noch ein Wort zu verlieren, stürmte sie zur Steuerung und ich wandte mich wieder dem Korridor zu, als auch schon der erste Angreifer auftauchte. Der integrierte Atlane war vorne in der Mitte. Die Decken in dieser Basis waren drei Meter hoch und trotzdem duckte er sich, als ob er fürchtete, er könnte sich den Kopf einschlagen.

      Das würde er nicht, es sei denn, er würde zum Sprung ansetzen.

      Ich feuerte nonstop, bis die Bestie auf die Knie fiel. Wie Wasser, das einen Felsen umströmte, liefen die anderen beiden um ihn herum und kamen näher. Prillonische Krieger, jedenfalls waren sie das einmal. Um sie machte ich mir kaum Sorgen. Zwei Schüsse für jeden und sie waren außer Gefecht gesetzt; sie krümmten sich auf dem Boden, während sich der Atlane hinter ihnen wieder aufrappelte.

      “Beeil dich,” rief ich. “Die Bestie ist wieder im Anmarsch.”

      “Bin schon dabei.” Die Frau war nach vorne gebeugt, ihre Finger huschten fanatisch über die Steuerung. Die Konzentration auf ihrem Gesicht war eine weitere, faszinierende Bereicherung ihres Repertoires, aber mir blieb keine Zeit, sie anzustarren. Ich speicherte den Anblick für später ab, wenn ich mir ausreichend Zeit nehmen und eventuell mit den Fingerspitzen ihre Lippen nachzeichnen könnte, während ich zusah, wie ihr Gesichtsausdruck sich unter meiner Berührung wandelte.

      “Wir. Töten.” Der integrierte Atlane war voll im Bestienmodus und scheinbar hatte er den Befehl bekommen mich zu töten. Wahrscheinlich würde er sie ebenfalls töten.

      “Aber nicht heute.” Ich feuerte, gründlich, und traf alle empfindlichen Stellen in der Panzerung der Bestie. Seinen Hals. Seine Knie. Sein Gesicht, sobald ich Zeit für einen Extraschuss hatte.

      Ich hörte, wie sein Helm aufbrach und unterdrückte einen Triumphschrei. Vor meinen Augen nahm er den Helm ab und warf ihn gleichgültig beiseite.


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