Seine unschuldige Partnerin. Grace Goodwin
Читать онлайн книгу.war nicht von meiner Seite gewichen, hatte Zuhause in meinem Bett geschlafen und mir an Vaters Bett Gesellschaft geleistet, als sonst niemand für mich da war.
Ich liebte diesen Hund. Meine Eltern liebte ich auch. Aber sie alle waren jetzt tot. Alles war fort, außer das große Haus, in dem ich es einfach nicht mehr aushielt. Der Hof war riesig, das Haus ein Ungetüm mit vier Schlafzimmern und ich wollte es auf keinen Fall behalten. Die Bilder an den Wänden, die Möbel, die Gerüche …
Es fühlte sich an, wie in einem Schrein für meine toten Eltern zu wohnen und ich konnte das einfach nicht mehr. Also hatte ich es verkauft und das Geld dem Baby meiner Cousine gespendet, dann hatte ich ein Auto gemietet und war nach Miami gefahren. Von Denver aus drei Tage. Ich hatte kaum geschlafen und noch weniger gegessen.
Ich fühlte mich leer. Vollkommen leer. Bis jetzt. Bis zu diesem Traum. Und die Tränen wollten gar nicht mehr versiegen, wie ein leckender Wasserhahn. Dieser Mann hatte meine Gefühle aufleben lassen. Seinetwegen verspürte ich Verlangen. Hunger. Lust. Das Mädchen aus dem Traum war so anders als ich. Sie war voller Liebe und Hoffnung und ihre Lebensfreude sprudelte wie ein Brausebonbon unter ihrer Zunge.
Genau das wollte ich. Ich wollte mich so fühlen wie sie.
“Miss Lopez? Hören Sie mich?”
Ich blinzelte die Aufseherin an und verscheuchte die Spinnenweben aus meinen Gedanken. Diese Gedanken gehörten der Vergangenheit an, jener komplizierten, verworrenen, schmerzhaften Vergangenheit, die ich hinter mir lassen würde. Heute noch. Jetzt gleich.
“Ja, alles in Ordnung. Das ging aber schnell.” Es kam mir vor, als ob ich mich vor einer Minute erst mit dem tristen, mit dem Logo des Bräuteprogramms bedruckten Krankenhauskittel auf den Stuhl gesetzt hatte.
“Ja, in der Tat,” erwiderte sie. Ich hörte die Verwunderung in ihrer Stimme und plötzlich wurde mir ganz flau im Magen.
Kein Typ in der Welt hatte auch nur ein Zehntel von dem bewirkt, was mir in diesem Traum widerfahren war. Für keinen Mann auf der Erde war ich je heiß geworden. Niemals. Vor ungefähr einem Jahr war ich sogar zur Ärztin gegangen und hatte meinen Hormonspiegel testen lassen, aber sie hatte nur lächelnd auf meinen Bluttest geschaut und mir versichert, dass alles normal war. Sie hatte gesagt, dass alles in Ordnung war. Ich war kerngesund.
Sie hatte mir sogar achselzuckend empfohlen, dass ich stattdessen besser zum Psychologen gehen sollte. Dann wollte sie mich über meinen Vater und meine Verwandten ausfragen und ich hatte sie abgewimmelt und war sofort abgehauen.
In meinem Leben gab es solche Geheimnisse nicht. Und selbst wenn; ich hatte Freundinnen, die Missbrauch und Vergewaltigung erlebt hatten, aber ihnen erging es nicht wie mir. Sie hatten ihre Vergangenheit aufgearbeitet und einen Weg gefunden, um Beziehungen zu führen. Sie wollten es zumindest versuchen.
Ich aber? Auf keinen Fall. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Letztes Jahr hatte Hank mich als frigide bezeichnet, nachdem ich seine Annäherungsversuche zurückgewiesen hatte. Klar, er war zudringlich geworden und hatte nach Knoblauch gestunken. Robert hatte mich als prüde beschimpft, nachdem ich ihm nach unserem zweiten Date keinen blasen wollte; als Gegenleistung, wie er gesagt hatte, weil er mich zum Abendessen eingeladen hatte. Zweimal.
Ich hatte ihn vor meiner Wohnung mit dem Schwanz auf seinem Schoß in seinem Auto sitzen lassen. Nachdem ich die gewölbte, aderige Eichel erblickt hatte, musste ich mich fragen, warum irgendeine Frau sich das Ding in den Mund stecken würde. Selbst jetzt erschauderte ich bei dem Gedanken.
Mit jedem kühlen, feuchten Kuss, den ich je empfangen hatte, von Will Travers Schmatzer auf die Wange in der fünften Klasse bis zum ersten Zungenkuss hinter der Tribüne in der Zehnten, hatte ich mich nur schlampig gefühlt.
Ich war anders. Männer fanden mich offensichtlich nicht attraktiv und mein Kitzler musste irgendwie beschädigt sein. Wenn es um Männer ging, spürte ich rein gar nichts. Ich hatte mich sogar gefragt, ob ich nicht lesbisch wäre. Nach dem Zwischenfall mit Roberts Schwanz hatte ich mir einen Monat lang Frauen angeschaut, ich hatte sie studiert und mich gefragt, ob ihre Körper mich irgendwie anmachen könnten. Ich hatte Meg, eine lesbische Bekannte gefragt wie man merkt, ob man tatsächlich anders rum ist. Sie meinte nur, dass wenn ich nicht direkt in die Büsche abtauchen wollte, ich wahrscheinlich auch nicht auf Frauen stand.
Sie hatte mich sogar geküsst, weil ich sie darum gebeten hatte. Und ich hatte nichts gespürt. Nichts.
Da der Gedanke daran eine andere Frau da unten zu küssen sich in etwa so wohlig anfühlte, wie mir auf dem Parkplatz Roberts Schwanz in den Mund zu stecken, war ich also auch keine Lesbe. Was irgendwie scheiße war. Mir war völlig egal, in wen ich mich verlieben würde, ich wollte einfach nur lieben. Ich wollte Verlangen spüren. Ich hatte meine Eltern geliebt, aber das war nicht dasselbe. Ich hatte meinen Hund geliebt. In der Schule hatte ich Freunde gehabt, die mir wirklich am Herzen lagen. Süße Katzenbilder und Hundewelpen und Babys ließen mein Herz höher schlagen. Mein Herz funktionierte also prächtig.
Da ich aber nicht auf Frauen stand und kein Mann mich je antörnen und zum Keuchen bringen konnte, wie ich es im Fernsehen gesehen hatte, hatte ich schließlich aufgegeben. Ich hatte mich einfach zusammengerissen und auf die Arbeit konzentriert. Ich war zur Schule gegangen und hatte eine Ausbildung zur Köchin gemacht, denn Essen war das einzige, was mich begeistern konnte. Die Aromen, die Texturen, die Überraschungen, die über meine Zunge rollten, wenn ich Gewürze oder Zutaten auf unerwartete Weise miteinander kombinierte. Die letzten drei Jahre hatte ich in der Gourmet-Kochschule im Stadtzentrum verbracht und so viel gelernt, wie ich nur konnte.
Ich war ein herausragender Lehrling, hatte aber das Gefühl, das Leben würde in einer verqueren und grausamen Posse an mir vorbeiziehen. Nachdem die Pflege von erst einem und dann dem zweiten kranken Elternteil mich niedergeschlagen hatte, musste ich feststellen, dass ich mich am Ende des Tages nach dem Unterricht doppelt so einsam fühlte wie am Morgen. Die anderen Leute dort arbeiteten in echten Restaurantküchen, sie konnten sich schon beweisen, während ich jede Minute der Ausbildung in meinen straffen Tagesablauf quetschen musste.
Irgendwann schließlich musste ich die Schule aufgeben und mich um meinen Vater kümmern. Eine Krankenschwester oder eine Pflegeeinrichtung konnten wir uns einfach nicht leisten. Und ich konnte es einfach nicht ertragen, dass er in einer solchen Einrichtung dahin vegetieren würde, während ich sautierte Pilze und Cremesoße für reiche Touristen zubereitete.
Also kümmerte ich mich um meinen Vater und dachte mit jedem Tag mehr an die Werbung vom Programm für interstellare Bräute. Sie versicherten, dass ihr Match-Making zu neunundneunzig Prozent erfolgreich war. Das war beachtlich, denn die Scheidungsraten für reguläre Ehen auf der Erde betrugen immerhin fünfzig Prozent.
Neunundneunzig Prozent hörte sich verdammt gut an. Und wenn ich nicht länger mit Typen wie Robert ausgehen musste und garantiert einen Typen abbekommen würde, der perfekt zu mir passte, dann war ich Feuer und Flamme. Zum Teufel, ich hatte nichts zu verlieren.
Selbst, wenn es sich bei diesem Typen um einen Alien handelte.
“Hmm.” Aufseherin Egara ging neben mir auf und ab, ihr dunkelbraunes Haar war zu einem Dutt hochgesteckt und sie war voll und ganz auf das Tablet in ihrer Hand konzentriert. Sie wirkte nicht länger zufrieden. Nein, sie sah beunruhigt aus.
Vielleicht war ich ja tatsächlich hinüber. Vielleicht funktionierte ihr System bei Mädels wie mir nicht; dummen, verängstigten Jungfrauen, die keine Ahnung hatten, was sie mit einem Mann anfangen sollten und schon gar nicht mit einem Alien.
Seltsamerweise trocknete dieser Gedanke sofort meine Tränen. Mit Kummer und Einsamkeit konnte ich leben. Falsche Hoffnung aber schmerzte so viel mehr.
“Es hat nicht geklappt, oder? Sie konnten kein Match für mich finden.” Ich seufzte und versuchte, die Enttäuschung in meiner Stimme zu verschleiern. “Ich wusste es.”
“Sie wussten was?” erkundigte sie sich.
“Dass ich nicht normal bin, dass es bei mir definitiv nicht hinhaut, wenn es um Männer geht.”
Die Aufseherin