Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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mit. Er, mit sei­nem ewig ras­seln­den Kehl­kopf hat­te zu viel Brust­klem­mung, um wäh­rend des Es­sens re­den zu kön­nen; aber sei­ne Frau mach­te dies reich­lich wie­der gut. Sie schil­der­te alle ihre Ein­drücke bei der An­kunft der Preus­sen, was sie trie­ben, was sie sag­ten; sie ver­wünsch­te die­sel­ben ein­mal, weil sie ihr viel Geld kos­te­ten, so­dann, weil sie zwei Söh­ne bei der Ar­mee hat­te. Ihre An­re­de galt vor al­lem der Grä­fin, weil es ihr sehr schmei­chel­te mit ei­ner vor­neh­men Dame sich zu un­ter­hal­ten.

      Dann senk­te sie et­was die Stim­me, um von de­li­ka­te­ren Sa­chen zu spre­chen, wäh­rend ihr Mann sie zu­wei­len mit den Wor­ten un­ter­brach; »Sprich lie­ber nicht da­von, Ma­da­me Fol­len­vie.« Aber sie ach­te­te nicht auf ihn und fuhr fort:

      »Ja, Ma­da­me, die­se Leu­te es­sen nichts, wie Kar­tof­feln mit Schwei­ne­bra­ten und dann wie­der Schwei­ne­bra­ten mit Kar­tof­feln. Man muss nur nicht den­ken, dass sie rein­lich sei­en. Oh nein. Über­all ma­chen sie ih­ren Schmutz hin, mit Er­laub­nis zu sa­gen. Und wenn Sie erst mal ihre Übung an­se­hen wür­den den gan­zen lie­ben Tag lang; sie sind da in ei­nem La­ger – vor­wärts, rück­wärts mar­schie­ren, rechts – um, links – um! Wenn sie we­nigs­tens noch das Land be­bau­ten, oder die Stras­sen ver­bes­ser­ten. Aber nein, Ma­da­me; die­se Sol­da­ten nüt­zen zu gar nichts. Das arme Volk muss sie nur er­näh­ren, da­mit sie das Ab­schlach­ten rich­tig ler­nen. – Ich bin nur eine alte ein­fa­che Frau, das muss ich sa­gen; aber wenn ich sie so an­se­he, wie sie so den gan­zen Tag mit den Bei­nen stram­peln, so spre­che ich oft zu mir selbst: Wie es Leu­te gibt, die so vie­le Er­fin­dun­gen ma­chen zum Woh­le der Mensch­heit, so gibt es auch sol­che die zum Scha­den der­sel­ben auf Bö­ses sin­nen. Ist es denn wirk­lich nicht ein Gräu­el, dass sich die Leu­te ge­gen­sei­tig um­brin­gen, bloß weil sie Preus­sen, Eng­län­der, Po­len oder Fran­zo­sen sind? Wenn man sich an Je­man­dem für ein Un­recht zu rä­chen sucht, so ist das böse und wird ver­dammt; aber wenn man uns­re jun­gen Bur­schen wie die Ha­sen nie­der­knallt, so ist das gut und man zeich­net den aus, der das Meis­te dar­in leis­tet. Nein, se­hen Sie, das wer­de ich nie ver­ste­hen.«

      »Der Krieg« warf Cor­nu­det laut ein »ist eine Bar­ba­rei, so­bald man den fried­li­chen Nach­bar an­greift; aber er ist eine hei­li­ge Pf­licht, so­bald es sich um die Ver­tei­di­gung des Va­ter­lan­des han­delt.«

      Die alte Frau senk­te den Kopf.

      »Ja­wohl, wenn man sich ver­tei­digt, das ist et­was an­de­res. Aber müss­te man dann nicht alle Kö­ni­ge um­brin­gen, die so et­was nur zum Ver­gnü­gen trei­ben?«

      »Bra­vo, Bür­ge­rin!« rief Cor­nu­det flam­men­den Au­ges. Herr Carré-La­ma­don war in tie­fes Nach­den­ken ver­sun­ken. Ob­schon er für den Kriegs­ruhm schwärm­te, so stell­te er sich doch nach den Wor­ten die­ser ein­fa­chen Frau den Wohl­stand vor, den so vie­le tau­sen­de, jetzt ar­beits­lo­se und des­halb kost­spie­li­ge Hän­de dem Lan­de brin­gen müss­ten; wie vie­le Kraft, die man jetzt un­ge­nützt er­hal­ten müss­te lies­se sich da zu in­dus­tri­el­len Zwe­cken ver­wen­den, de­ren Be­wäl­ti­gung jetzt Jahr­zehn­te er­for­der­te.

      Loi­seau hat­te un­ter­des­sen sei­nen Platz ver­las­sen und sich zu dem Wirt ge­setzt. Der di­cke Mann lach­te, hus­te­te und spuck­te ab­wech­selnd; sein di­cker Bauch wa­ckel­te vor Ver­gnü­gen bei den Wit­zen sei­nes Nach­barn. Er kauf­te ihm sechs Fass Bor­deaux ab zum nächs­ten Früh­jahr, wenn die Preus­sen wie­der ab­ge­zo­gen wä­ren.

      Das Sou­per war kaum zu Ende, als alle, von Mü­dig­keit über­wäl­tigt, ihre Zim­mer auf­such­ten.

      Loi­seau, der auf al­les ein Auge hat­te, ließ in­des­sen sei­ne Frau zu Bett ge­hen, wäh­rend er selbst bald sein Auge bald sein Ohr an’s Schlüs­sel­loch brach­te, um »die Ge­heim­nis­se des Gan­ges,« wie er sie nann­te, zu er­for­schen.

      Nach Ver­lauf ei­ner Stun­de hör­te er ein Geräusch, blick­te schnell hin­durch und ge­wahr­te Fett-Kloss, die in ei­nem spit­zen­be­setz­ten Schlaf­rock aus blau­em Kasch­mir noch un­förm­li­cher aus­sah. Sie trug ein Nacht­licht und ging auf die Tür mit der be­kann­ten Num­mer am Ende des Gan­ges zu. Als sie nach ei­ni­gen Mi­nu­ten von dort zu­rück kam, öff­ne­te sich seit­wärts eine an­de­re Türe. Cor­nu­det nur im Hemd und Bein­kleid kam hin­ter ihr her. Sie spra­chen lei­se mit­ein­an­der und blie­ben end­lich ste­hen. Fett-Kloss schi­en ihm ener­gisch den Ein­tritt in ihr Zim­mer zu ver­weh­ren. Lei­der konn­te Loi­seau nicht al­les ver­ste­hen; er fing nur ei­ni­ge Wor­te auf, als sie schliess­lich doch lau­ter wur­de. Cor­nu­det dräng­te leb­haft.

      »Ge­hen Sie doch!« sag­te er, »sei­en sie nicht när­risch; was macht das Ih­nen denn?«

      »Nein, nein, Wer­tes­ter«, sag­te sie mit ent­rüs­te­ter Mie­ne, »es gibt Au­gen­bli­cke, wo man so was nicht macht. Und dann, hier an die­sem Orte wäre es ge­ra­de­zu eine Schmach.«

      Er ver­stand sie ent­schie­den nicht und frag­te um den Grund.

      »Wa­rum?« sag­te sie, mit noch er­ho­be­ne­rer Stim­me. »Sie be­grei­fen nicht, warum? Weil Preus­sen hier im Hau­se sind, viel­leicht gleich im Zim­mer ne­ben­an.«

      Er schwieg. Die­se pa­trio­ti­sche Scham ei­ner Pro­sti­tu­ier­ten, die un­ter den Au­gen des Fein­des so­zu­sa­gen, sich nicht preis­ge­ben woll­te, moch­te doch in sei­nem Her­zen noch einen Rest von Scham­ge­fühl er­we­cken; denn er küss­te sie nur und ging dann mit Kat­zen­trit­ten wie­der auf sein Zim­mer.

      Loi­seau war sehr er­regt. Er ver­liess das Schlüs­sel­loch, rann­te im Zim­mer hin und her, zog sein Nacht­hemd an, und lüf­te­te die De­cke, un­ter der sei­ne Ehe­hälf­te ruh­te. »Hast Du mich lieb, Schatz?« frag­te er sie mit ei­nem Kus­se we­ckend.

      Dann wur­de es still in gan­zem Hau­se. Aber bald er­hob sich ir­gend­wo, aus ei­ner un­be­stimm­ten Rich­tung, ent­we­der aus dem Kel­ler oder aus dem Söl­ler kom­mend, ein mäch­ti­ges ein­för­mi­ges gleich­mäs­si­ges Schnar­chen. Es wech­sel­te mit kur­z­en und lan­gen Tö­nen ab, wie ein un­ter Druck er­zit­tern­der Dampf­kes­sel. Herr Fol­len­vie schlief.

      Da man be­schlos­sen hat­te, am an­de­ren Mor­gen um 8 Uhr ab­zu­rei­sen, so fand sich früh al­les pünkt­lich im Gast­zim­mer ein; aber der Wa­gen, des­sen Dach mit Schnee be­deckt war, stand ein­sam, ohne Kut­scher und Pfer­de im Hofe. Ver­geb­lich such­te man ers­te­ren in den Stäl­len, im Fut­ter­raum, in den Re­mi­sen. Da be­schloss man et­was spa­zie­ren zu ge­hen, um sich den Ort an­zu­se­hen. Sie be­fan­den sich auf dem Plat­ze, in des­sen Hin­ter­grun­de die Kir­che lag mit nied­ri­gen Häu­sern auf bei­den Sei­ten, in de­nen man preus­si­sche Sol­da­ten be­merk­te. Der ers­te, den sie sa­hen, klaub­te Kar­tof­feln aus; der zwei­te rei­nig­te den La­den ei­nes Bar­biers. Ein drit­ter, bär­tig bis un­ter die Au­gen, küss­te ein wei­nen­des Baby und schau­kel­te es auf den Kni­en, um es zu be­ru­hi­gen. Di­cke Bäue­rin­nen, de­ren Män­ner bei der »mo­bi­len Ar­mee« wa­ren, zeig­ten den gut­wil­li­gen Sie­gern durch Ge­bär­den, was sie zu tun hät­ten. Da gab es Holz zu spal­ten, Sup­pe zu ko­chen, Kaf­fee zu mah­len; ja ei­ner wusch so­gar das Lei­nen­zeug sei­ner Haus­wir­tin, ei­ner ganz hilflo­sen Al­ten.

      Er­staunt frag­te der Graf den Küs­ter, der ge­ra­de aus der Sa­kris­tei kam. »Ja, die­se da,« sag­te die alte Kir­chen­rat­te, »sind wa­cke­re Ker­le. Es sind kei­ne Preus­sen was man so sagt. Sie sind von wei­ter her, ich weiß nicht wo. Sie ha­ben


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