Faith. Grace Goodwin
Читать онлайн книгу.Moment mal, niemand außer Leo und der Killer, der uns fast umgebracht hätte.
Wenn die Leute wüssten, wer ich wirklich war, dann würde ich in Gefahr schweben, genau wie es Trinity widerfahren war. Mytikas war jedoch eine Großstadt mit Millionen von Leuten. Und ich war ziemlich sicher, dass wer auch immer unsere Mutter hatte und mir und meinen Schwestern die Killer geschickt hatte, nicht ausgerechnet im Palast der Familie Jax nach mir suchen würde. Hinter feindlichen Linien sozusagen.
Wäre ich nicht gerade die Prinzessin Faith Herakles von Alera gewesen, dann hätte die Festnahme mich schon eher beunruhigt. In Wahrheit aber wusste ich, dass ich nur den Namen meiner Schwester fallen lassen musste und ich binnen eines Fingerschnippens wieder auf freiem Fuße wäre.
Die Garden glaubten, sie hielten einen Sträfling fest. Lady Jax glaubte, sie hätte einen Dieb gefasst. Einen Verräter.
Ich hatte keine Ahnung, was Thor dachte, aber ich hätte es wirklich gerne gewusst.
Was immer er glaubte, er lag falsch. So daneben. Und was auch immer das für eine heiße, versaute Sexgeschichte zwischen uns war, sie würde nicht stattfinden. Ich hatte keine Zeit dafür. Meine dumme Muschi würde einfach einen Gang runterfahren und warten müssen.
Trinitys Gluthitze hatte auf der Erde zugeschlagen und Monate gedauert. Monate! Bestimmt würde ich es ein paar Wochen lang aushalten können.
Lord Jax, der Senior, den ich als nette Bekanntschaft betrachtete, wenn nicht sogar als Bruder im Herzen, weil er so gut zu seinen Haustieren war, löste sich von seiner eiskalten Partnerin und kam zu mir herüber. Thor trat respektvoll zurück und ich bemerkte ein einvernehmliches Nicken. Seine Mutter war ein echtes Stück Arbeit, sein Vater aber? Lord Jax erinnerte mich an unseren Vater. Gediegen. Warm. Ungekünstelt und zuverlässig. Lord Jax war zwar nicht so klug wie mein Vater—der brillante Anwalt—, aber er war liebenswürdig und sogar ein bisschen exzentrisch. Ich mochte ihn. Was diesen Moment noch schwieriger machte, als ich es mir vorgestellt hätte.
“Das überrascht mich, Faith. Wirklich. Sogar die Tiere mögen dich und sonst interessieren sie sich nur für mich.”
Darauf hob ich mein Kinn und ich bemerkte, dass ich aus Scham den Kopf gesenkt hatte, genau wie wenn mein Vater mir eine Standpauke hielt. Diese war normalerweise auch verdient, und trotzdem kein Vergnügen. “Tun sie das? Woher wissen sie das?”
“Normalerweise zeigen sie sich nicht vor anderen.”
“Sie hat deine kostbaren Tiere gesehen?” Thors geschockte Stimme drang kaum zu mir durch, weil Lord Jax und ich ein Lächeln miteinander wechselten, das sich wie ein geheimer Handschlag anfühlte, als ob mir eben die Mitgliedschaft in einem Geheimclub gewährt wurde.
“Tun sie nicht?” fragte ich ungläubig. Ich hatte Stunden mit ihnen zugebracht. Mehr als einmal hatten sie mich sogar angeschaut und sich fast von mir streicheln lassen. Der einzige Grund warum ich sie nicht angefasst hatte, war, weil ich nicht um Erlaubnis bitten oder Lord Jax verärgern wollte.
“Nein, tun sie nicht. Sie sind äußerst wählerisch, junge Dame. Aber ich vertraue ihrem Urteil. Also, jetzt sag mir, wer du wirklich bist und warum du in meinem Haus rumschnüffelst.”
“Liebling, sie weigert sich zu reden, also soll die Polizei sie mitnehmen.” Lady Jax schaltete sich ein. “Lord Wyse und seine Leute werden sie zum Reden bringen und das wird uns die Medien vom Hals halten. Der Name der Familie Jax kann jetzt rehabilitiert werden.” Sie war genauso drastisch und verklemmt, wie ich immer gedacht hatte. Aber ich musste ihr die einzige Qualität anrechnen, die sie im Überfluss hatte, nämlich absolute Liebe und Loyalität für ihre Familie. Ich hatte mich mit ihnen angelegt und deswegen hasste sie mich jetzt. Das konnte ich ihr nicht wirklich übelnehmen. Ich hatte sie beobachtet, ihre Gespräche mitgehört. Sobald es um ihren Sohn oder ihren Partner ging, wurde sie zur Löwin. Niemand würde ihnen ans Bein pinkeln. Niemand ihre Position oder Macht gefährden. Allein deshalb respektierte ich sie.
Aber ich hatte auch erfahren, dass die Jaxs der Familie Wyse, meinen Cousins, wie Mutter erwähnt hatte, ziemlich nahestanden. Lord Wyse war Chef der Optimus-Einheit der royalen Garden—was, soweit ich verstand, dem FBI-Chef zu Hause gleichkam. Der Inspektor Optimi war Ermittler und Staatsanwalt zugleich. Er deckte Verbrechen auf, untersuchte Beweise und klagte die Schuldigen vor Gericht an.
Lord Wyse war alt, aber sehr scharfsinnig. In der kurzen Zeit, in der ich hier war, war er bereits zweimal zum Abendessen gekommen und hatte viele Stunden entweder im Salon oder in der Bibliothek verbracht, zusammen mit dem Lord oder mit Lady Jax, oder mit beiden. Wie ich erfahren hatte, war Lady Jax früher selber Inspektorin gewesen, und zwar eine verdammt gute. Die anderen Hausangestellten hatten mir berichtet, wie genial sie war und dass sie jetzt, als sie pensioniert war, oft aktuelle Fälle beriet.
Also war ich sozusagen dabei erwischt worden, wie ich im Schlafzimmer eines FBI-Agenten herumschnüffelte.
Wie dumm. Anders als ihr tatteriger Ehemann war sie viel zu scharfsinnig und viel zu wachsam. Ich hätte warten sollen, bis sie zum Einkaufen oder einem Meeting aus dem Haus war und nicht für einen Quickie im Nebenzimmer.
Oh Mann. Eins zu null für die Gluthitze. Seit ein paar Tagen konnte ich einfach nicht mehr abwarten. Meine Geduld war, nun … hinüber.
“Tut mir leid. Ich bin nicht ihr Feind. Das verspreche ich.” Die Worte waren für Thor bestimmt, allerdings blickte ich zu Lord Jax, dessen Enttäuschung wie schwerer Nebel auf mir lag und mir den Atem raubte.
So sehr ähnelte er meinem Vater. Ich hoffte wirklich, dass es ihm gut ging. Dass sich die dummen Alien-Kopfgeldjäger die Zähne an ihm ausbeißen würden.
“Keine Sorge, wir werden die Wahrheit herausfinden.” Lady Jax trat nach vorne und nahm den Arm ihres Partners, um sich Seite an Seite mit ihm zu stellen. In diesem Moment erinnerte sie mich an meine Mutter. “Führt sie ab. Vorsicht. Sie ist gefährlicher, als sie aussieht. Sie hat nicht nur spioniert, sondern sich ihrer Festnahme widersetzt. Ich werde sofort Lord Wyse einschalten.”
Die Garden zogen meine Schultern nach hinten und manövrierten mich Richtung Tür; ich leistete keinerlei Widerstand. Nicht diesmal, nicht mit Handschellen. Meine wilden Kung-Fu-Moves von vorher ärgerten mich immer noch. Es war, als ob ein Alien meinen Körper übernommen hatte und ich einfach nur zuschauen konnte. Wie in einem Science-Fiction-Film und ich wollte nichts damit zu tun haben. Außer, dass ich alles damit zu tun hatte.
Die Fahrt zu Polizeistation ging schneller als erwartet. In weniger als zwanzig Minuten wurde ich in ein Gebäude geführt, gescannt, finster angeblickt und allgemein von allen gehasst, die meine Handschellen erblickten. Und dabei war ich es gewohnt, dass Menschen wie Tiere mich gleichermaßen vergötterten.
Aber sie waren keine Menschen, egal wie sehr Alera der Erde ähnelte. Das durfte ich nicht vergessen.
Sie brachten mich nicht in eine Zelle. Stattdessen verfrachteten sie mich in einen Raum, den ich aus zahlreichen Thrillern wiedererkannte. Tadaa—das Vernehmungszimmer. Eiskalter Tisch. Nackte, weiße Wände. Ein Stuhl, vermutlich meiner, war am Boden fest gebolzt.
Ich dachte, sie würden mich an den Stuhl fesseln, wie es aussah, hielten sie mich aber nicht für sonderlich gefährlich, denn sie nahmen mir die Handschellen ab und befahlen mir, mich zu setzen.
Ich sollte mich hinsetzen und warten.
5
Faith, Polizeistation, Vernehmungszimmer 3
Ich hatte noch nie ein Polizeirevier von innen gesehen, auch nicht auf der Erde. Ich hatte nie Ärger mit der Polizei gehabt. In der zweiten Klasse war ein Polizist in unser Klassenzimmer gekommen und hatte uns darüber aufgeklärt, wie gefährlich es war mit Fremden zu reden, aber das war's auch schon. Ich hatte einfach nie das Bedürfnis verspürt gegen das Gesetz zu verstoßen. Sich über Vorschriften lustig machen? Grenzen austesten? Klar, das kam jeden Tag