Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher


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ihm, wobei er bemüht war, jedes Geräusch zu vermeiden. Wenn Hirschler die Lichtung erreichte, würde er auch den Rucksack entdecken und wissen, wem er gehörte.

      Der Altbauer war erstaunlich gut zu Fuß. Aber das hatte Franz Gruber ja schon festgestellt, als die beiden ihre Wanderungen unternommen hatten – damals, als über seine wahre Identität noch nichts bekannt war.

      Hubert Hirschler drückte die Zweige auseinander und trat auf die Lichtung. Er wußte selbst nicht, warum er unbedingt hierher gewollt hatte. Vielleicht war es eine Ahnung gewesen. Wenn dem so war, hatte sie ihn nicht getrogen. Mit einem Blick sah er den Rucksack im Sonnenschein liegen, und wußte, daß es der von Franz Gruber war.

      Er drehte sich suchend im Kreis und sah ihn plötzlich vor sich stehen. Grinsend hatte sich der Tischler vor ihm aufgebaut, die Arme über der Brust verschränkt.

      »Da bist du ja«, sagte er mit einem hämischen Grinsen. »Bist du extra heraufgekommen, um mir zu sagen, daß du endlich dein Verbrechen bekennst?«

      Der Altbauer sah ihn empört an.

      »Einen Dreck werd’ ich«, stieß er hervor und spukte vor Gruber aus.

      Der schüttelte den Kopf.

      »Aber, aber«, tadelte er amüsiert, »hast du immer noch nicht eingesehen, daß du am Ende bist? Gegen mich kommst du nicht an. Das Feuer in der letzten Nacht war nur eine Warnung. Allerdings meine letzte. Wenn du dich immer noch weigerst, dann geschieht was, das dir ihm Traum nicht einfallen würde.«

      Den letzten Satz hatte er sehr ernst gemeint. Allerdings ließ sich Hubert Hirschler davon nicht einschüchtern.

      »Und, was willst unternehmen?« gab er zurück. »Mich umbringen vielleicht?«

      Er riß sich mit einer heftigen Bewegung das Hemd auf, daß die Knöpfe nur so durch die Gegend flogen, und zeigte Gruber seinen nackten Oberkörper.

      »Na los, dann tu’s« rief er. »Schieß auf mich, oder schlag mich tot. Aber das traust’ dich ja net. Feig’ bist. Wie ein Dieb schleichst dich in der Nacht heran und legst’ Feuer. Aber genauso feig’ war dein Vater. Und du bist net besser als er!«

      Franz Gruber sprang auf ihn zu und griff nach seinen Armen.

      »Ich werde dir zeigen, wer hier der Feigling ist«, sagte er gefährlich leise. »Los komm, Hirschler. Eigentlich bist du es nicht wert, daß ich mir die Hände an dir schmutzig mache, aber ich laß es nicht zu, daß du meinen Vater beleidigst. Ausgerechnet du!«

      Er zog den widerstrebenden Bauern mit sich, und Hubert Hirschler war sicher, daß sein letztes Stündlein geschlagen hatte.

      *

      »Wo bleibt er denn?«

      Sebastian Trenker schaute besorgt in die Richtung, aus der Vinzent gekommen war.

      »Vater ist gleich da«, erklärte der Bauer. »Er wollt’ noch zur Lichtung. Leider konnt’ ich ihn net davon abbringen. Sie wissen ja, wie eigensinnig er sein kann.«

      Das war vor mehr als zehn Minuten gewesen. Nach dem jungen Bauern trafen auch Max und Toni Wiesinger ein. Jetzt warteten sie auf Hubert Hirschler.

      »Da stimmt doch was net«, sagte der Bergpfarrer und winkte den anderen zu. »Kommt, wir müssen ihn suchen.«

      Diesmal blieben sie zusammen. An die Lichtung hatte der Geistliche auch schon gedacht. Er konnte sich gut in Franz Grubers Lage versetzen und meinte zu wissen, daß der Mann nachts in der Hütte erbärmlich gefroren haben mußte. Da war der Platz unter freiem Himmel, auf den die Sonne beinahe den ganzen Tag schien, ein schöner Ort, um sich ordentlich durchzuwärmen.

      Als sie dort ankamen, sahen sie Grubers Rucksack.

      »Ob sie aufeinander gestoßen sind?« fragte Vinzent Hirschler.

      Sebastian hatte schon die abgerissenen Knöpfe entdeckt.

      »Net nur aufeinander gestoßen, sondern auch aneinandergeraten«, sagte er und deutete auf den Boden.

      Die anderen wußten sofort, was die Knöpfe, die dort verstreut lagen, zu bedeuten hatten. Der Sohn des Altbauern unterdrückte einen Schrei.

      »Und jetzt?« fragte Max.

      »Wir müssen sie suchen«, antwortete sein Bruder. »Weit können sie ja net sein. Folgt mir!«

      Er bahnte sich einen Weg durch die Büsche und hielt immer die Arme vor das Gesicht, um sich vor den herabhängenden Zweigen der Bäume zu schützen.

      Lange brauchten sie nicht zu suchen, die Spur der abgerissenen Äste war eindeutig. Offenbar hatte Franz Gruber den Bauern mit sich gezerrt, ohne dabei auf die Büsche und Bäume zu achten. Sebastian ahnte, wohin der besessene Mann wollte, und das bereitete ihm ein ungutes Gefühl.

      »Denkst du auch, daß er ihn nach oben bringt?« wandte sich Max an seinen Bruder.

      »Ich fürchte ja«, antwortete der gute Hirte von St. Johann.

      Bis zur Spitze des Jägersteigs war es nicht mehr weit. Der Weg führte aus dem Wald heraus und wurde steinig. Die Felsen ragten links und rechts in die Höhe, und nach einer Weile erreichten sie das Plateau.

      »Zurück!« befahl der Bergpfarrer, der die Situation sofort erkannte.

      Am Rande des Plateaus, da wo es mehrere hundert Meter in die Tiefe abfiel, standen die beiden Männer. Franz Gruber hatte den Altbauern bei den Armen gepackt und drängte ihn immer weiter an den Abgrund.

      »Um Himmels willen, Herr Gruber, machen S’ sich net unglücklich!« rief Sebastian. »Lassen S’ den Mann frei und richten S’ net noch mehr Schaden an. Es ist doch schon genug geschehen!«

      Franz Gruber hob den Kopf und schaute herüber. Sein Gesicht war eine wutverzerrte Grimasse.

      »Er hat es nicht anders verdient«, brüllte er voller Zorn. »Dieser Mann hat das Leben meines Vaters zerstört, und jetzt zerstöre ich seines!«

      Thomas, der hinter Max und dem Doktor stand, wollte sich vordrängen, doch der Polizist hielt ihn zurück.

      »Wart’«, sagte er. »Laß erst meinen Bruder mit ihm reden.«

      »Wenn er Vater was antut, dann bring’ ich ihn um!« knurrte Vinzent, den es kaum noch auf der Stelle hielt. »Eigenhändig!«

      »Nix wirst’ tun!« schüttelte Max den Kopf.

      »Der Mann ist völlig ausgerastet«, sagte Dr. Wiesinger leise. »Wenn es uns gelingt, an ihn heranzukommen und zu bändigen, kann ich ihm eine Beruhigungsspitze geben.«

      »Noch net«, antwortete der Bruder des Bergpfarrers. »Sie stehen zu dicht am Rand. Das kann für den Gruber genauso gefährlich werden, wie für den Hubert.«

      Sebastian schätzte die Situation ebenso ein. Jetzt was gegen Franz Gruber zu unternehmen, könnte fatale Folgen haben.

      »Herr Gruber, seien Sie doch vernünftig«, versuchte er es noch einmal. »Sie irren, wenn Sie glauben, daß Ihr Vater durch diese leidige Geschichte sein ganzes Leben lang unglücklich gewesen ist. Ja, vielleicht hatte er Rachegedanken gehabt. Aber auch für ihn hat es glückliche Momente gegeben. Er hat seine Frau kennen- und liebengelernt. Gewiß haben die beiden sich net das Jawort gegeben, weil sie aneinander net gut waren. Und als Sie geboren wurden, da muß Ihr Vater stolz und glücklich gewesen sein. Ich will net in Abrede stellen, was er durchgemacht hat, als er unschuldig im Gefängnis saß, aber das alles wiegt doch einen Mord net auf, und ein Mörder werden S’ sein, wenn S’ den Hubert jetzt da hinunterstürzen. Den Rest Ihres Lebens werden S’ im Gefängnis sitzen. Wollen S’ das wirklich? Denken S’ doch an Ihre Frau und Ihren Sohn. Der Thomas ist so ein prima Bursche, der Ihnen nur Freude macht. Wollen S’ das alles wirklich aufs Spiel setzen, nur wegen eines Rachegedanken?«

      Franz Gruber hatte Sebastian Trenker reden lassen, ohne ihn zu unterbrechen. Als der Geistliche jetzt seinen Sohn erwähnte, schaute er auf.

      »Was… was wissen Sie von Thomas?« rief er.


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