Neymar. Luca Caioli

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Neymar - Luca Caioli


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haben. Seine Familie und alle seine Freunde waren da.“

       Zahlt Neymar den „Zehnten“?

      „Er ist großzügig. Schon als Kind fing er damit an, der Kirche zu spenden. Er trug mit 20 oder 40 Reais zum Wohle der Gemeinde bei. Seine Eltern zahlten den Zehnten für ihn. Er hilft der Kirche immer noch jeden Monat, aber er zahlt nicht den Zehnten.“

       Stimmt es, was spanische Zeitungen vor ein paar Jahren geschrieben haben, dass Neymar Jr. sich eine Klausel in die Verträge mit Madrid und Barcelona schreiben lassen wollte, nach der die Klubs sämtliche Flugtickets für Sie übernommen hätten, so dass er seinen spirituellen Führer stets an seiner Seite haben könnte?

      Der Priester muss herzlich lachen. Während er sich die Tränen aus den Augen wischt, sagt er: „Das wäre mir neu.“

       Wie beurteilen Sie Neymars neues Abenteuer im Leben und im Fußball?

      „Es ist ein logischer Schritt. Es war so vorherbestimmt. Früher oder später musste er Brasilien verlassen und nach Europa gehen, um sich weiterzuentwickeln. Neymar kann sich dieser Herausforderung ganz gelassen und zuversichtlich stellen: Er ist heute reifer, erfahrener im Spiel des Lebens. Ich weiß noch, dass ich eines Tages, als er 15 war, während der Messe die Bibel öffnete und die prophetischen Worte Gottes sah. Gott gab mir seine Stimme. Ich forderte Juninho auf, sich zu erheben und auf Gottes Botschaft zu hören. Ich sprach als Gottes Werkzeug und sagte ihm, er würde einer der besten Spieler der Welt werden.“

       Und hat sich die Prophezeiung erfüllt?

      „Ich glaube schon, ja. Ich glaube, dass das Wort Gottes die Wahrheit repräsentiert.“

      Kapitel 7

       Liceu São Paulo

      „Wir haben an ihn geglaubt, als er ein vielversprechendes Talent war. Es war ein großes Privileg, zu der Entwicklung eines der besten Fußballer der Welt beitragen zu dürfen. Viel Glück, Neymar Jr.“ So heißt es auf dem Poster, das mit Klebeband neben dem Empfangshäuschen in Neymars alter Schule befestigt ist. Neymar Jr. trägt darauf ein rot-weißes Hemd und hat einen Ball an den Füßen. Als Fußballplatz dient ein aufgeschlagenes Buch. Die Anzeige ist einfach, aber effektiv und funktioniert bestens, um neue Schüler ans Liceu São Paulo zu locken: ein rot-weißes, fünfstöckiges Gebäude an der Avenida Ana Costa, einer breiten Straße, die zu den Stränden von Santos führt. Das Liceu ist eine Privatschule mit langer Geschichte. Wie ein deutsches Gymnasium umfasst es Unter-, Mittel- und Oberstufe. Es eröffnete in den 1920er Jahren und ist in der ganzen Stadt wohlbekannt.

      Ich werde von Maria Antonia Julião Faracco begrüßt, der Schulkoordinatorin und Leiterin der Stufen sechs und sieben (die Elf- und Zwölfjährigen). Maria Antonia trägt einen kleinen Pin in den Farben des FC Santos am Kragen. Sie ist Fan der Alvinegro Praiano, der „schwarz-weißen vom Strand“. Auch wenn sie seine Beweggründe durchaus versteht, ist sie sehr traurig, dass Neymar zum FC Barcelona gegangen ist. Sie führt mich den Flur entlang zum Fahrstuhl, der uns zu den Klassenräumen bringt, dann zur Bibliothek, zum Auditorium, zum Biologielabor und schließlich, in der obersten Etage, zur Sporthalle. Sie ist vom Licht durchflutet, das durch die großen Fenster dringt, die einen herrlichen Blick über die Stadt bieten. „Hier hat Neymar gespielt, und hier ist er dank der Copa TV Tribuna de Futsal Escolar in ganz Baixada Santista bekannt geworden“, fährt sie mit der Werbung für das Liceu fort.

      Aber lassen Sie uns über den Schüler Neymar da Silva Santos Júnior sprechen. „Er war ein durchschnittlicher Schüler. Er mochte Geschichte und natürlich Sport. Mit Mathe hatte er so seine Probleme“, sagt Maria Antonia. „Zahlen und Ziffern waren nicht so seine Sache“, bestätigt Doña Vilma Julia Rinaldi, seine Mathelehrerin, „aber er war nicht faul oder unordentlich. Er lernte fleißig.“

      Maria Antonia ergänzt: „Er war höflich und respektvoll den Lehrern gegenüber und verstand sich gut mit seinen Mitschülern. Er hat nie den Unterricht verpasst oder Schwierigkeiten gemacht. Uns fiel aber auf, wie verrückt er nach Fußball war. Das sah man gleich. Er hatte immerzu Lust, mit seinen Mitschülern ein Spiel zu machen. Den Schülern war es nicht gestattet, in der Pause Fußball zu spielen, aber er fand immer einen Weg, die Vorschrift zu umgehen. Oft ging er zum Schulleiter und bettelte um einen Ball, damit er ein paar Schüsse oder Hochhalten üben konnte. Hier in der Sporthalle nahmen er und seine Freunde das Volleyballnetz ab, damit sie Fußball spielen konnten. Die Mädchen wollten lieber Volleyball spielen, aber die Jungen taten so, als wären sie schwerhörig.“

      Ich frage, wie es einen Jungen aus so bescheidenen Verhältnissen an eine so teure Privatschule verschlagen konnte: Die Schulgebühren hatte die Familie sich doch sicher nicht leisten können? „Er bekam ein Stipendium“, erklärt die Schulkoordinatorin.

      Es ist eine lange Geschichte, die auf den Fußballplätzen der Associação Atlética Portuguesa beginnt, von den Einheimischen kurz „Briosa“ oder „Portuguesa Santista“ genannt. Der Verein wurde 1917 von einer Gruppe portugiesischer Einwanderer gegründet. Die meisten von ihnen waren Bauarbeiter, die sich auf den Baustellen in der ganzen Stadt verdingten. Sie wollten es den Italienern, Spaniern und Syrern gleichtun, die alle ihre eigenen Sportvereine hatten. Nachdem sie ein Spiel des España Futebol Clube gesehen hatten, trafen sie sich in einem Friseursalon, um über die Gründung eines eigenen Klubs zu beraten.

      Das Sportgelände von Portuguesa Santista liegt nur wenige Hundert Meter von der Avenida Ana Costa entfernt, in der sich die Schule befindet. Der Klub besitzt heute ein riesiges Gelände, zu dem auch ein Schwimmbad mit 50-Meter-Bahn, ein Kinderschwimmbecken, ein Festsaal und sogar eine Churrasqueria, ein Steakhaus, gehören. Im Herzen des Komplexes befindet sich das Stadion Ulrico Mursa. Manuel, der Geschäftsführer des Vereins, weist darauf hin, dass es „das erste in ganz Lateinamerika mit Betondach“ gewesen sei. Die erste Mannschaft, die gerade in der vierten Liga des Campeonato Paulista spielt, trainiert gerade gegen die Junioren.

      Auf der Tribüne verfolgt Edu Marangon interessiert das Treiben eines jungen Talents, das gerade erst angefangen hat und großes Potenzial andeutet. Marangon ist italienischer Abstammung (seine Familie stammt aus Treviso) und beherrscht nach wie vor die Sprache Dantes. Er wurde bei Portuguesa Santista groß, spielte von 1987 bis 1989 zwei Jahre für den FC Turin und danach für Porto, Flamengo, Santos, Palmeiras, Yokohama Flügels und schließlich Bragantino. Außerdem absolvierte er zehn Länderspiele für die Seleção.

      Heute ist er Sportdirektor von Portuguesa Santista. Über Neymar sagt er: „Er ist anders als alle anderen. Er ist nicht nur ein toller Fußballer, er hat auch die Intelligenz, ein Spiel zu lesen, gepaart mit überragender körperlicher Fitness. Eine Zeit lang verwandelte er Santos im Alleingang in eine Art Cirque de Soleil. Er ist der neue Messi.“ Allerdings bedauert er, dass er eine solche Welle von Nachahmern ausgelöst habe. „Schau dir doch die ganzen jungen Burschen an“, fährt Marangon fort. „Alle haben seine Frisur, tragen die gleichen Klamotten wie er, setzen ihre Kopfhörer auf wie er, äffen ihn nach. Du musst nur vor die Tür gehen [er zeigt auf den Eingang zum Vereinsgelände], und schon stehen da zehn Väter und 20 Mütter mit ihren Zwölf- oder 13-Jährigen und deren Lebensläufen in der Hand. Sie alle versichern, dass ihr Sohn der neue Neymar sei und sie ihre Jobs drangegeben hätten, um die Karriere ihres Sprösslings auf Schritt und Tritt begleiten zu können. Aber ein Neymar wird nur alle 50 Jahre geboren.“ Marangon erinnert sich gut an den Jungen im Briosa-Trikot, der auf genau diesem Platz gespielt hat.

      Es war Betinho, der ihn mit einer Gruppe seiner Schützlinge nach Portuguesa brachte. Hier hat er sein erstes offizielles Turnier auf großem Feld absolviert. „Er spielte auf der linken Seite und zeigte sofort, was er draufhatte“, erinnert sich Betinho. „Er wollte den Ball und erhielt ihn direkt vor der eigenen Abwehr. Er dribbelte aus der eigenen Hälfte heraus, spielte den Gegnern Knoten in die Beine und gab den Ball dann an einen Mitspieler weiter oder suchte selbst den Weg zum Tor.“ Betinho erinnert sich auch an einen Treffer, den Neymar im Finale eines Turniers in Cascavel in Paraná erzielte. „Er spielte, nach Art von Robinho, aus dem Nichts heraus


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