Neymar. Luca Caioli

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Neymar - Luca Caioli


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ab, seinen Spaß mit dem Ball zu haben.

      Der junge Neymar spielte unaufhörlich Fußball. Er spielte daheim, in der Schule, am Strand mit seinem Vater, sofern der Zeit hatte, und auf der Straße mit seinen Freunden: auf einem Asphaltplatz mit improvisierten Toren und den Gehsteigen als Seitenlinien. Die Straße war abschüssig, und die Mannschaften wechselten der Fairness halber alle drei Tore die Seiten.

      Gustavo Almeida erinnert sich, dass „es sowohl bergauf als auch bergab schwer war, Juninho zu stoppen“, und erzählt von einem Tag, als Betinho kam, um seinen Schützling zum Training abzuholen. „Er parkte seinen Wagen in der Nähe und wollte dem Spiel zusehen, aber er vergaß, die Handbremse anzuziehen. Der Wagen begann langsam bergab zu rollen und wurde immer schneller. Zum Glück konnten wir den Wagen einholen und anhalten. Das hätte eine Katastrophe geben können.“

      In Jardim Glória erinnern sich viele an Juninho als einen schüchternen Jungen, der nicht viel sprach. Er sammelte für sein Leben gern Spielzeugautos. Er spielte auf der Straße und schoss den Ball gegen die Tore der Nachbarn. Er trainierte auf dem Platz von Grêmio Praia Grande (wo jetzt das neue Institut gebaut wird) oder auf dem Platz, den sein Vater hinterm Haus angelegt hatte. Der hatte einen Rasen und war fantastisch.

      Eines Tages lud Juninho seine Freunde zu einem Spiel ein. 20 von ihnen waren dabei. Sie fingen mittags an und hörten erst um 18 Uhr auf, als es dunkel wurde. Erst da merkten sie, dass der Rasenplatz sich in eine Sandgrube verwandelt hatte. Kein einziger Grashalm war mehr übrig. Neymar Pai wäre bestimmt verärgert: die ganze Arbeit an einem einzigen Nachmittag ruiniert. Einer von Juninhos Freunden hatte eine Idee: Er sollte einfach schlafen gehen oder so tun, als schliefe er. Neymar Pai würde seinen Juninho schon nicht wecken. Und so verwandelte sich Neymar Jr. für zwei Wochen in Dornröschen: Wenn sein Vater heimkam, lag Juninho immer schon im Bett.

      Diejenigen, die den berühmtesten Jungen der Nachbarschaft damals kannten, haben viele Geschichten zu erzählen. Manche von ihnen sind nicht einmal alt genug, ihn in Jardim Glória spielen gesehen zu haben, aber trotzdem wissen sie ganz genau, wo er zur Schule gegangen ist. So wie die beiden Kids, die ich von der Schule heimradeln sehe und die stolz darauf sind, dass es einer geschafft hat und ein berühmter Fußballer geworden ist. Auch sie träumen davon, die Stadt eines Tages zu verlassen, so wie Juninho.

      Aber zurück zu Neymar Jrs. Karriere, die unter Betinhos Führung weiter voranging. Nach Tumiaru betreute Betinho eine Zeit lang Associação Atlética Portuguesa, anschließend arbeitete er für die Fußballschule von Grêmio Recreativo y Esportivo Sindicato dos Metalúrgicos de Santos, kurz Gremetal.

      Gremetal ist eine 1972 gegründete Vereinigung, deren Mitglieder 1995 beschlossen, ein Sportprojekt ins Leben zu rufen, um der grassierenden Drogenproblematik unter der jungen Bevölkerung von Santos zu begegnen. Heute beherbergt die Escolinha de Futsal 200 Kinder im Alter von vier bis 15 Jahren. Als Klubhaus dient ein großer Betonbau mit weißen und blauen Streifen in der Rua Paraná. Über dem Eingang prangt stolz das Klubwappen.

      Drinnen trainieren ein paar Kinder. Weiße Trikots über gebräunter Haut auf einem hellblauen Platz. Im Korridor hängt eine große grüne Leinwand, auf der es heißt: „Die Erfolge des Klubs. Athleten, die Gremetal besuchten und heute in Brasilien und der ganzen Welt Fußball spielen.“ Zahlreiche Mitgliedsausweise mit Fotos und Namen sind zu sehen. Von Adriano Bispo Dos Santos (Grêmio) bis Anderson Carvalho (Santos), von Renatinho (Hangzhou Greentown in China) bis Rodolfo (Vasco Da Gama). Und natürlich Neymar. Von ihm sind vier Fotos zu sehen, an der Seite seiner Teamkollegen aus der Zeit, als er hier spielte, und dann später mit der Jugendmannschaft von Gremetal, als er schon berühmt war.

      Elton Luiz, der Manager von Esportes Futsal, erinnert sich: „Er kam 2001 zu uns. Betinho nahm ihn zusammen mit 15 anderen Kindern unter seine Fittiche. Schon damals spielte er in seiner eigenen Liga, sowohl auf als auch neben dem Platz. Er liebte es einfach, mit dem Ball zu spielen. Wir haben dreimal die Woche trainiert, aber das schien ihm überhaupt nichts anzuhaben. Wir versuchen hier im Klub immer, sämtliche Kinder einzubinden. Wir setzen sie auf allen Positionen ein, auch im Tor, und arbeiten hart an den Grundlagen. Sie müssen beidfüßig schießen können, gute Ballkontrolle haben und teamfähig sein. Auch die Beziehung zur Familie ist wichtig. Wir arbeiten eng mit den Eltern zusammen, denn letztlich hat unser Job auch soziale Aspekte. Neymars Vater hat sich sehr engagiert. Er sprach mit den Trainern und gab ihnen Tipps, immerhin war er früher selbst Profi. Wir bereiten die Kinder auf Wettbewerbe, internationale Turniere und regionale Meisterschaften vor. Als Neymar bei uns war, haben wir einen Titel nach dem anderen gewonnen.“

      Er bricht mitten im Satz ab und bittet einen der Anwesenden, nach den Fotos der Siege zu suchen. Auf einem sieht man Neymar im gelben Trikot mit dem grünen Kragen und einem Ball in der Hand im Kreise seiner Mitspieler hocken, hinter ihm der wie immer lächelnde Betinho. Auf einem anderen hat er ein weißes Trikot an und eine Frisur wie Ronaldo bei der WM 2002 in Japan und Südkorea: eine Glatze, die vorne von einem Haarbüschel geschmückt wird. Ronaldo war damals sein Vorbild, und Neymar wollte mindestens so gut werden wie er.

      Auf dem Foto ist außerdem Alcides Magri Júnior zu sehen, der die U11 trainiert. Nach dem Spiel hat er ein paar Minuten Zeit, um mit mir über seinen früheren Schützling zu plaudern: „Er war damals neun. Er war ein cleveres Kind, lebhaft, immer fröhlich. Ich weiß noch, dass er viel gelacht und mit allen Mitspielern gut befreundet war. Er war ein toller Spieler mit überragenden Fähigkeiten. Sobald er den Platz betrat, war er ein ganz anderer Mensch, keine Herausforderung war zu groß für ihn. Er konnte ein Spiel ganz allein entscheiden. Aber er wollte nicht anders als die anderen behandelt werden. Er mochte es, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Wenn jemand so begabt ist wie Neymar, ruft das unter den Mitspielern oft Neid, Streit und Eifersucht hervor. Nicht so bei Neymar, es gab nie irgendwelche Probleme. Er war ein freundliches Kind und ein Teamplayer. Seine Mitspieler bewunderten ihn. Nein, Ney war auf dem Platz alles andere als ein Angeber.“

      Wir sprechen über seine Entwicklung bei Gremetal: „Betinho betreute ihn ein oder zwei Monate, dann kam er zu mir in die U11 und dann ziemlich rasch in die U13. Neymar war so gut, dass wir ihn fast sofort in einen höheren Jahrgang schicken mussten. Dort spielte er gegen Kinder, die ein oder zwei Jahre älter waren als er. Nach dem Training mussten wir ihn oft fast dazu zwingen, mit den anderen Kindern in den Speisesaal zu gehen, aber er wollte nicht und trainierte für sich alleine weiter. Der erste Titel war die Copa Uniligas. Das Finale war gegen Santos, und wir gewannen 3:1. Zwei tödliche Pässe von Neymar, zwei Tore von Léo Dentinho, dann legte Léo das letzte Tor für Neymar auf. Die beiden verstanden sich blind und haben sich perfekt ergänzt. Dentinho, die Nummer 10, leitete den Spielzug ein und Neymar, die 14, schloss ihn ab. Oder eben umgekehrt. Sie waren ein fantastisches Duo. Wenn die beiden auf dem Platz waren, haben wir nie verloren. Leider war Léo keine so erfolgreiche Karriere vergönnt wie Neymar.“

      Ich möchte wissen, was ein Trainer einem kleinen Fußballgenie wie Neymar überhaupt beibringen kann. Magri antwortet: „Meine Aufgabe war es, ihm Freiheiten zu geben, so dass sich sein Talent entfalten konnte, und seine technischen Fähigkeiten zu verbessern. Wie man dribbelt, musste ich ihm nicht erklären…“

      Und was hat der Futsal Neymar gegeben? „Beim Futsal ist der Raum begrenzt. Der Spieler muss schnell denken und handeln. Er hat keine Zeit, mit dem Ball am Fuß auf der Stelle zu stehen. Er muss sich rasch über den ganzen Platz bewegen, abspielen, schießen. Das Spiel ist viel schneller als auf dem großen Platz. Der Spieler muss gute Reflexe haben, ballgewandt sein und einen bestimmten Stil haben. Denken Sie nur an die kurzen, präzisen Dribblings, die Neymar einsetzt. Beim Futsal ist mehr Arbeit mit dem Ball gefragt, Wendigkeit und hervorragende Ballkontrolle. Es wird viel improvisiert, worin Neymar ein absoluter Meister ist. Bedenken Sie, dass 80 bis 90 Prozent der besten brasilianischen Spieler – also diejenigen, die in die Seleção berufen werden – auch Futsal gespielt haben. Das ist eine Erfahrung, die die Kreativität eines Spielers fördert. Deshalb ist er selbstbewusster, wenn er aufs große Feld wechselt.“

      Während wir uns unterhalten, hat Elton Luiz noch mehr Fotos geholt. Er deutet auf Spieler und Trainer wie Carlos, Eduardo und Amorini André, die Neymars Entwicklung bei Gremetal voller Bewunderung verfolgt haben. Und er zeigt mir Neymar, der einen Titel feiert. Diesmal hat er eine normale Frisur, dafür trägt er ein


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