Leb wohl, liebes Hausgespenst. Marie Louise Fischer

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Leb wohl, liebes Hausgespenst - Marie Louise Fischer


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mir, bitte, nicht böse. Aber ich mache diesen Job noch nicht lange, weißt du, und wahrscheinlich werde ich auch nicht alt dabei werden, obwohl ich mich so auf die große weite Welt gefreut hatte. Aber ich weiß nicht, ob ich mich an die dauernden Aufregungen gewöhnen kann. Wo ist dein Gepäck?“

      „Meine Freundin steht dabei!“

      „Sehr gut. Dann können wir schon einladen. Ich heiße übrigens Barbara.“

      „Habe ich gesehen“, sagte Monika.

      Die Hostess trug ein silbern blitzendes Namensschildchen an der Jacke ihrer Uniform. „Ja, natürlich, wie dumm von mir.“

      Monika konnte der Versuchung nicht widerstehen, sie noch ein bißchen zu ärgern. „Wenn ich auch kein Englisch kann“, sagte sie, „blind bin ich nun doch nicht.“

      Barbara sah aus, als hätte sie eine entsprechende Antwort schon auf der Zunge, besann sich aber noch rechtzeitig darauf, daß sie einen Gast und dazu noch eine Preisträgerin vor sich hatte und zwang ein Lächeln auf ihre Züge. „Natürlich nicht, Monika! Ich bin es, die sich entschuldigen muß. Aber habe ich das nicht schon getan?“

      „Das erwartet doch niemand von Ihnen!“

      „Hast du eine Ahnung! Reisende wollen mit Samthandschuhen angefaßt werden … das war das erste, was ich gelernt habe.“

      „Mir gegenüber können Sie das gern vergessen“, sagte Monika großzügig, „ich bin nicht so empfindlich.“

      Barbara gab dem Chauffeur – es war ein sehr großer, fast ebenholzschwarzer junger Mann in einer weißen Uniform – Anweisungen, Monikas und Ingrids Koffer in einen der Kleinbusse zu laden. Jetzt erst bemerkte Monika, daß er groß und breit die Aufschrift South Ocean Beach Hotel trug. Anscheinend hatte sie also die Augen doch nicht richtig aufgemacht. Am liebsten hätte sie sich jetzt bei Barbara entschuldigt. Aber dazu ergab sich keine Gelegenheit. Die Hostess hatte sich schon auf die Suche nach weiteren Gästen gemacht.

      Atemlos, das Make up nicht mehr ganz so tadellos wie vorhin, kam sie zum Bus zurück. „Scheint keiner mehr zu kommen“, sagte sie zu Monika und Ingrid, „steigt ein!“

      „Aber wir müssen doch auf die Steins warten!“ protestierte Monika.

      „Auf wen?“ Barbara sah in ihrer Liste nach. „Ah ja, das Ehepaar mit Sohn … aber wo sind sie denn?“

      „Vielleicht haben sie verschlafen“, meinte Monika.

      „Bei dem Krach? Unmöglich! Außerdem hätte ihr Kabinensteward sie geweckt!“

      „Jedenfalls waren sie mit uns auf der Wassermann, erklärte Ingrid.

      Barbara warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Dann müssen sie sich eben ein Taxi nehmen oder mit dem regulären Bus fahren. Ich habe meine Termine.“

      Zum Glück erschien gerade in diesem Augenblick Herr Stein auf dem Oberdeck.

      Monika winkte ihm heftig zu. „Da sind sie!“ rief sie.

      „Vielmehr er … aber Frau Stein und Norbert werden bestimmt auch gleich da sein.“

      Barbara seufzte. „Daß der Transfer niemals wie vorgesehen klappen kann.“

      „Transfer?“ wiederholte Monika. „Was ist das?“

      Barbara mußte nachdenken. „Na ja, die Überführung der Passagiere vom Schiff ins Hotel.“

      „Oder vom Flugzeug oder von der Bahn“, ergänzte Ingrid, als hätte sie das schon immer gewußt.

      Endlich winkte Herr Stein zurück, zum Zeichen, daß er die beiden Freundinnen und den Bus entdeckt hatte. Aber er kam nicht herunter, sondern wartete noch, bis auch seine Frau und Norbert zu ihm stießen. Dann kletterten alle drei, Herr Stein zuerst, die Gangway herab. Die Mutter zog den Jungen am Handgelenk hinter sich her. Fast alle anderen Busse waren inzwischen schon abgefahren. Die Koffer der Steins standen verlassen beieinander. Herr Stein identifizierte sie, und der Chauffeur lud sie ein.

      „Ich muß mich vielmals entschuldigen … “ begann Herr Stein.

      Barbara schnitt ihm das Wort ab. „Wir haben Verspätung!“ sagte sie vorwurfsvoll.

      „Ist das denn so schlimm?“ fragte Monika. „Schließlich kann das Hotel ja nicht weglaufen!“

      „Aber ich muß um zehn Uhr mit dem Bus am Airport sein!“

      „Airport heißt Flughafen!“ flüsterte Ingrid.

      „Pah, weiß ich doch!“ gab Monika zurück.

      „Dann sollten wir hier auch nicht länger rumstehen!“ entschied Herr Stein und half seiner Frau in den Bus.

      Sie war wie immer sehr elegant und sorgfältig gekleidet, aber sie wirkte blaß, nervös und abgehetzt. Norbert gönnte sie keinen Blick. Er war sichtlich bei ihr in Ungnade gefallen. Der Junge selber sah aus, als wäre er weder dazu gekommen, sich zu waschen, zu kämmen noch, sich ordentlich anzuziehen. Sein Hemd steckte halb in der Hose, halb hing es darüber. An einem Fuß trug er einen Strumpf und am anderen nur eine offene Sandale.

      Die Freundinnen störte das nicht. Sie verzogen sich mit ihm in den hinteren Teil des Autos und setzten sich so entfernt wie möglich von den Erwachsenen hin.

      „Warum seid ihr so spät dran?“ fragte Monika mit gedämpfter Stimme, als der Bus losfuhr.

      „Meine Schuld“, gestand Norbert.

      „Ich würde den einen Strumpf ausziehen und die Sandale zumachen!“ schlug Ingrid vor.

      Norbert bückte sich gehorsam.

      Monika stieß ihn in die Seite. „Nun erzähl doch mal erst! Was ist denn passiert? Bist du nicht wach geworden?“ „Doch. Schon. Ich bin sogar aufgestanden. Aber dann, als meine Eltern schon im Speisesaal waren, bin ich wieder eingepennt.“

      „Nicht zu fassen!“ rief Monika und vergaß ihre Stimme zu dämpfen. „Du hast dich wieder hingehauen?“

      „Aber du mußtest doch wissen, daß du …“ begann Ingrid.

      Norbert fiel ihr ins Wort. „Klar wußte ich. Bloß … es war mir plötzlich ganz schwindlig im Kopf, und da dachte ich … nur ein paar Minuten … und plötzlich war ich weg.“ „Na ja“, sagte Monika, um Verständnis bemüht, „du hattest eine schlimme Nacht hinter dir.“

      „Schlimm ist gar kein Ausdruck! Wißt ihr, was mir passiert ist?!“

      „Du warst seekrank“, stellte Ingrid nüchtern fest.

      „Das auch. Aber noch was ganz anderes. Mitten in der Nacht bin ich aus dem Bett geplumpst!“ Er sah die Freundinnen mitleidheischend an.

      Monika und Ingrid mußten an sich halten, um nicht laut herauszuplatzen.

      „Und dann“, fuhr Norbert fort, „war das Bett weg.“ Jetzt waren die Mädchen doch beeindruckt.

      „Das hast du geträumt“, meinte Monika nach einer kleinen Pause.

      „Nein! Es war wirklich weg! Eine ganze Weile bin ich auf allen vieren herumgekrochen und hab es gesucht. Dabei bin ich natürlich von einer Seite zur anderen geschmissen worden. Ihr wißt doch, der Seegang!“

      „Warum hast du nicht versucht aufzustehen und Licht anzumachen?“ fragte Ingrid.

      „Zuerst wollte ich meine Eltern nicht wecken. Aber dann merkte ich, daß mir nichts anderes übrigblieb. Also hangelte ich mich hoch und … was soll ich euch sagen?“

      „Weiter!“ drängten die Mädchen und: „Mach’s nicht so spannend!“

      „Es war wirklich weg … das heißt, es hatte sich hochgeklappt.“

      Auch in Monikas und Ingrids Kabine hatte es ein Klappbett gegeben, das erst zur Nacht vom Steward heruntergeholt und zurechtgemacht worden war. So begriffen sie sofort,


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