Der Fluch des Pharao. Rudolf Stratz

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Der Fluch des Pharao - Rudolf Stratz


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      „Nofretete: was habe ich denn in meinem Leben getan? Nichts! Deswegen will ich ja jetzt etwas tun und mich an das Grab des Scheschonk wagen!“

      Mir war traurig zumute. Wir schauten auf das Getümmel der Tanzenden. Jetzt hatte ich die dumme Vorstellung, als tanzten die alle auf einem Kirchhof und wären nur zu Mitternacht auferstanden. Überall war so ein Grauen. Die Tierköpfe wurden mir unheimlich. Die moderne Jazzmusik quälte mich. Ich hatte immer ein Gefühl: Wir tun da etwas, was wir nicht tun sollen! Das hat vorhin auch die Mumie gemeint. Das hat Mrs. Adams gemeint, wenn sie vorhin wieder von dem Fluch des Tutanchamen geschrieben hat.

      Ein bleicher junger Ägypter trat heran und begrüsste mich vertraulich wie eine alte Bekannte. Die furchtbare Uräusschlange auf seinem Haupte passte gar nicht zu seinem etwas faden Gesicht. Er machte einen dürftigen und verlegenen Eindruck und schien doch anzunehmen, dass ich ihn kennte. Ich wusste nicht, was ich mit ihm machen sollte. Sanders lachte. Er hatte schon wieder die wohlgelaunte Gemütsruhe, wie sie die englischen Klubleute haben.

      „Oh — Nofretete!“ sagte er. „Sehen Sie nicht Zepter und Lebensschlüssel, Sonne und Säule auf seinem Gewand? Das sind die Hieroglyphen des Pharao Tutanchamen selber! Er will Ihnen als höflicher Schwiegersohn guten Tag sagen!“

      „Schwiegersohn?“ frug ich ungläubig. Es entsetzte mich, dass ich auch noch mit diesem Geisterkönig verwandt sein sollte, der den Menschen den Tod brachte. Sanders lachte wieder.

      „Sie haben Ihren ganzen Familienstand vergessen! Sie haben sieben Töchter, Nofretete!“ belehrte er mich. „Die dritte — die Anch-nes-atem — haben Sie Tutanchamen zur Frau gegeben. Ich kann Ihnen nicht helfen: Sie sind Schwiegermutter!“

      Das verdross mich. Die Nofretete sollte schön und jung sein. Der matte Tutanchamen, der aussah, als ob er wirklich vergiftet worden wäre, ging mir auf meine schon so unruhigen Nerven. Ich war wenig freundlich zu dem Schwiegersohn. Er empfahl sich auch bald. Er war, wie Sanders sagte, ein Beamter bei einem der Gemischten Gerichtshöfe.

      In mir blieb eine trübe Stimmung. Das Fest im Tempel dauerte stundenlang. Ich wurde eine quälende Sorge um Sanders nicht los, auch wenn wir als König und Königin miteinander lachten und schwatzten. Ich sagte mir vergebens, dass ich ihn eben erst kennengelernt habe und dass er mich doch rein gar nichts anginge. Aber ich sah immer drohend vor ihm die kleine, böse, schwarze Mumie des Pharao Scheschonk. Das war bei mir die reine Zwangsvorstellung. Ich war ganz wütend auf mich. Ich kannte mich gar nicht wieder, im heissesten Indien hatte ich mich besser in der Gewalt.

      „Ich werde mich ungesäumt erkundigen, wer dieser entrüstete alte Gentleman heute nacht eigentlich war!“ sagte Sanders, als kurz vor Morgengrauen endlich der Aufbruch der Gäste erfolgte. Die wenigsten von ihnen nahmen sich die Mühe, sich noch umzuziehen. Sie kehrten in ihren Kostümen nach Luxor zurück. Die Eingeborenen des Landes schliefen ja und konnten keinen Anstoss nehmen.

      Draussen, vor den Tempeln, war noch stille, dunkle Nacht, und Sternenhimmel. Die Palmen standen ganz hoch und reglos, schwarz, wie mit der Schere ausgeschnitten. Es wehte eine kühle Luft. Am Eingang sah man die vielen weissen Laternenaugen der Automobile und die roten Zigarettenpünktchen der Chauffeure. Aber Sanders ging mit mir nicht dorthin. Er hatte seinen Streitwagen mit den beiden federgeschmückten Schimmeln vorfahren lassen und stieg hinein und stellte mich einfach neben sich.

      „Ich kann doch meine Pharaonin nicht im Stich lassen!“ sagte er in einem ganz sonderbaren Ton, wie um sich zu entschuldigen, dass nicht Mrs. Sanders als Nilpferd mit ihm fuhr. Ich erwiderte nichts.

      Wir fuhren los. Die ganze weite Nilebene lebte im Mondschein so wie auf dem Blocksberg, alles in der Richtung nach Luxor. Automobile voll Götter hupten an uns vorüber. Anubis mit seinem Schakalskopf sauste auf dem Kraftrad. Wir überholten eine ganze Droschke mit schlafenden Isispriestern. Dann Mrs. Sanders als Nilpferd auf einem Reiteselchen. Sie hielt es für originell, so nach Hause zu traben. Sie winkte uns vergnüglich zu. Der Krokodilgott und die Löwin wanderten sogar Arm in Arm zu Fuss, weil es sich so besser flirten liess. Es war um uns ein merkwürdiger Nachtspuk, bis mich Sanders am Tor meines Hotels absetzte.

      Wir gaben uns zum Abschied die Hand. Er behielt meine in seiner und sagte:

      „Ich möchte Sie bald wiedersehen, Nofretete!“

      Ich sagte nichts. Er wies über den Nil, der breit und silbern und feierlich ganz nahe von uns dahinströmte.

      „Ich will nach dem Frühstück hinüber in das Tal der Könige reiten und den Kriegsschauplatz erkunden!“ sagte er. „Kann ich nicht auf dem Rückweg Sie drüben in der Ebene irgendwo treffen, wo nicht halb Europa und Amerika uns kontrollieren, sondern höchstens einige Büffel und Fellachen? Mrs. Adams wird Ihnen hoffentlich keine Schwierigkeiten machen?“

      „Ach — Mrs. Adams ist nicht so!“ sagte ich.

      „Gut denn!“ sagte er. „Also sagen wir um zehn Uhr an den Memnonskolossen!“

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