Der Fluch des Pharao. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.Damit wollte sie wirklich gehen. Aber sie rechnete nicht mit Mrs. Sanders’ unersättlichem Menschenhunger. Dieser armen Reichen war alles recht, was in ihrer Welt, der Gesellschaft, wirkte.
„Verunschönen? — sagt die Miss!“ rief sie begeistert. „Wer so aussieht wie Sie, meine Liebe! Nein! Sie sind mein Gast! Sie müssen bleiben!“
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Niederschrift der Mrs. Meg Sanders
Herr Bechtold hat mich gebeten, das, was ich weiss, ihm aufzuschreiben. Ich habe es diesem prominenten deutschen Gelehrten nicht abschlagen können. Oh — es war mir so schmerzlich! Denn in diesem Augenblick begann ja schon die grausame Tragödie meines Lebens, als ich Fräulein Ritter die Hand drückte und sie neben mich auf einen Schiffsstuhl zwischen den Säulen setzen liess.
Das Fräulein lächelte und setzte sich. Sie war sehr sicher in ihren Formen. Ganz ladylike. Bei ihrer reizenden Erscheinung eine wahre Akquisition für das Fest. Dieser Gedanke beherrschte mich.
„Sie werden Ihre Teilnahme nicht bereuen, meine Liebe!“ sprach ich begeistert. „Bald werden Sie meinen Mann als Pharao sehen. Der Eindruck wird Ihnen unvergesslich bleiben. Er ist ein Landsmann von Ihnen, ein Deutscher von Herkunft. Aber auch in keiner andern Nation findet man einen annähernd so schönen Mann. Er ist der schönste Mann der Welt. Professoren haben es gesagt. Ich bin begeistert von ihm, wenn ich ihn nur im Pyjama sehe. Jetzt als Pharao wird Mr. Sanders sich selber in den Schatten stellen!“
„Und Sie, meine Liebe?“ forschte ich dann neugierig. „Sie sind auch Ägyptologin, weil sie mit Herrn Bechtold erscheinen?“
„Ach Gott nein —“ sagte Fräulein Ritter, „ich habe daheim nur das Abiturientenexamen gemacht und war ein paar Semester auf der Universität. Aber es reichte nicht mit dem Geld und war ja aussichtslos. Da hatte ich Gelegenheit, als Sekretärin und Gehilfin einer kleinen deutschen Forschungsexpedition nach Peru zu kommen. Das war eine schöne Zeit. Aber dann musste ich wieder heim!“
„Wo sind Sie denn zu Hause?“
„In Schöllnitz in Mitteldeutschland, wenn Ihnen der Name etwas sagt, gnädige Frau!“ sprach das Fräulein Ritter wie mit einem unterdrückten Seufzer. Ich frug weiter:
„Ich hoffe ernstlich, dass Ihre Eltern dort noch am Leben sind und sich wohlbefinden?“
„Mein Vater ist in Schöllnitz Postrat. Sein Vater war Oberrechnungsrat. Der Vater meiner Mutter ist dort Stadtrat. Geschwister habe ich auch ganz nett viel. Es ist alles in schönster Ordnung, gnädige Frau! Wilde Sachen kommen in Schöllnitz nicht vor!“
„Oh — das freut mich wahrhaft zu hören!“ versetzte ich, „und weshalb sind Sie nicht dort geblieben?“
„ . . . weil man in Schöllnitz zehn Jahre leben kann, ohne etwas zu erleben!“ erwiderte Fräulein Ritter. „Ich hatte so einen Drang wieder in die Welt hinaus. Ich bildete mir ein, ich müsste nach Indien! Der Inhalt meiner Sparbüchse reichte gerade bis Southampton. Dort fuhr ich heimlich hin und nahm auf einem Steamer der P. and O. eine Stelle als Stewardess nach Kalkutta an!“
Oh — eine Stewardess! Ich lehnte mich zurück. Ich war schockiert. Ich wurde sehr kühl und gemessen. Eine Stewardess — ich warf einen besorgten Blick in die Tempelhalle. Ich hatte da Seine Herrlichkeit den Lord Colum mit der Lady zu Gast, Seine Hoheit den Herzog von Massa-Carrara, den Admiral der Flotte Sir Flower mit seinen Töchtern, Madame Eleazar von der Pariser Bankgruppe, den guten alten Prinzen Tschebykin — wie konnte ich diesem ausgewählten Volk eine Stewardess zumuten?
„Da haben Sie also augenblicklich Urlaub von Ihrem Steamer?“ erkundigte ich mich frostig. Fräulein Ritter musste lachen. Sie schüttelte den Kopf.
„Das war nur eine kurze Episode, auf der Hinfahrt, gnädige Frau! Da hatten wir schon gleich hinter dem Roten Meer grobe See, und die alte Mrs. Adams, die mitreiste, war schwer seekrank, und ich betreute sie und brachte ihr Tee und machte ihr Brotschnittchen mit scharfem Senf zurecht — die behielt sie bei sich. Da gewann sie Gefallen an mir und hiess mich an ihr Bett sitzen und frug mich aus. Wie sie hörte, wer ich war und dass ich drei fremde Sprachen spreche, hat sie mich einfach als Reisebegleiterin weiter mitgenommen, und wir waren ein Vierteljahr in Indien und sind nun hier!“
Gott sei Dank! Ich habe innerlich aufgeatmet und gelächelt und gebeten:
„Erzählen Sie niemandem, meine Liebe, dass Sie Stewardess waren!“
„Ich mache sonst kein Hehl daraus!“ sagte Fräulein Ritter. „Arbeit schändet nicht! Aber ich kann mich ja hier darüber ausschweigen, wenn es Ihnen lieber ist!“
„Dank Ihnen! Und wer ist diese alte Mrs. Adams?“ Ich traute meinen Ohren nicht — ich war entzückt. „Die berühmte Theosophin? Oh — welch ein Gewinn für diesen Abend! Oh — fliegen Sie, meine Teure! Holen Sie sie her! Sagen Sie ihr, ich liesse sie inständig bitten! Ich . . .“
Aber zu meinem Erstaunen stand Fräulein Ritter mit unbehaglichem Antlitz auf und sagte unsicher:
„Das fällt mir leider erst jetzt ein! Es dreht sich mir ja alles im Kopf! Ich muss wirklich um Entschuldigung bitten! Mrs. Adams ist nämlich durchaus, dagegen, dass man die Pharaonen in ihrer Ruhe stört!“
„Oh — warum sollten wir nicht so tun?“ frug ich. „Die Eingeweide des Königs Scheschonk sind ja schon in Berlin. Nun werden wir auch den Rest auffinden und künftig kontrollieren! Es wird ein glorreiches Ding!“
„Mrs. Adams ist da anderer Ansicht, und ich bin natürlich ihrer Ansicht. Ich habe das Gefühl, dass ich mit einer solchen Ansicht nicht an dem Fest teilnehmen kann! Ich komme mir wie eine Art Spion vor!“
„Aber wieso denn?“ frug ich verwundert. „Wer wird sich denn so über einen Pharao aufregen, der einmal zur Zeit Karls des Grossen oder wann gelebt hat? Ich sehe Ihnen ja an, meine Liebste: Sie sind doch ein junges Mädchen! Sie wollen sich doch amüsieren! Sie blieben für Ihr Leben gern!“
„Das schon!“ gestand das hübsche Fräulein Ritter offenherzig. „Aber Mrs. Adams weiss ja gar nicht, wo ich geblieben bin . . .“
„Da die alte Lady Theosophin ist, weiss sie sicher schon durch Hellsehen, was hier mit Ihnen los ist! Aber Sie können es ihr ja noch zum Überfluss schreiben! Ich schicke den Brief durch einen Boten! Und nun kommen Sie, Liebe! Es sind noch Kostüme genug in der Garderobe drüben im Sethostempel. Es trifft sich gut. Eine Lady, die von Karthum herüberfliegen sollte, hat abgesagt. Es fehlt auf ihrer Schussliste noch ein weisser Mähnenaffe, für den sie von dem Generalgouvernement des Sudans die Erlaubnis bekommen hat! Das ist dieser oberflächlichen Frau wichtiger als hier das Fest! Das schöne für sie bestimmte Kleid ist frei! Damit putzen wir Sie jetzt als Königin heraus!“ Ich eilte und winkte dem Schlangenkopf, meiner Sekretärin. „Miss Short — nehmen Sie sich des deutschen Fräuleins an!“
Ich sah, als die beiden weg waren, unter meinen Gästen einen Gentleman, klein und ausdrucksvoll wie Napoleon, der sich nur einen weissen, mit Hieroglyphen bestickten Mantel über Frack und weisse Binde geworfen hatte. Denn Mr. Nothomb, dieser grosse Journalist zweier Erdteile, musste immer wieder mit seinem Wagen hinein nach Luxor zum Telegraphenamt, um seinen Teil der Weltpresse mit Funkspruch und Kabel zu bedienen. Ich stürzte auf ihn zu, ich schüttelte ihm die Hand.
„Oh — machen Sie mir einen schönen Festbericht für England und die Staaten!“ bat ich. Der grosse Mann konnte es mir versprechen. Durch meines Mannes Vorhaben auf das Scheschonk-Grab hatte Ägypten in diesen Tagen Anspruch auf Schlagzeilen auf der ersten Seite in der ganzen angelsächsischen Welt.
So konnte ich mich beruhigt abwenden und hatte nur noch den Brief, den inzwischen das Fräulein Ritter geschrieben, an die berühmte alte Geisterseherin in Luxor zu schicken. Der Bote brachte nach kurzem einen Brief von der alten Lady an das Fräulein als Antwort zurück. Ich schickte ihn hinüber in den Sethostempel, wo sie von einer Anzahl von geschäftigen Händen in aller Eile in irgendeine Pharaonin verwandelt wurde.
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