Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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der Alte zögernd nach dem reichen Geschenke griff, besann sich der Soldat und sagte, indem er den Beutel öffnete:

      »Laß mich nur einige Ringe herausnehmen, denn heute kann ich mich noch nicht trocken legen; ich habe ein paar Kameraden in die rothe Schenke bestellt. Das reicht auch für morgen und übermorgen. So mag's gut sein. Da! Nimm den andern Bettel.«

      Nebsecht nickte dem Soldaten beifällig zu; dieser aber rief, als der Paraschit dem Arzte dankbar bewegt die Hand küßte. »Mach mir die Kleine gesund, heiliger Vater! Mit dem Schenken und Opfern ist's vorbei, denn ich habe nichts mehr, aber da sind zwei Fäuste von Eisen und eine Brust wie eine Festungszinne. – Wenn Du einmal Hülfe bedarfst, so sollst Du mich rufen und ich werde Dich gegen zwanzig Feinde beschützen. Du hast mein Kind gerettet. Gut denn! Leben gegen Leben. Ich verschreibe mich Dir als Blutsgenosse. Da!«

      Während dieser Worte hatte er sein Dolchmesser aus dem Gürtel gezogen. Nun ritzte er seinen Arm und ließ einige Tropfen seines Blutes auf einen Stein zu Füßen des Arztes herniederrinnen. »Siehe das,« sagte er, »dieß ist mein Schuldschein! Kaschta hat sich Dir verschrieben und Du kannst über sein Leben verfügen wie über Dein eigenes. Was ich sage, das hab' ich gesagt!«

      »Ich bin ein Mann des Friedens,« stammelte Nebsecht, »und mich schützt mein weißes Gewand. Aber ich glaube, daß unsere Kranke erwacht ist.«

      Der Arzt stand auf und betrat die Hütte.

      Uarda's schönes Haupt lag in dem Schooße ihrer Großmutter und ihre großen blauen Augen wandten sich ruhig dem Priester zu.

      »Sie möchte aufstehen und in's Freie,« sagte die Alte. »Sie hat lange und süß geschlafen.«

      Der Arzt untersuchte ihren Puls und ihre Wunde, auf der grüne Blätter lagen, und sagte; »Vortrefflich! Wer hat euch dieses Heilkraut gegeben?«

      Die Alte zauderte verlegen; Uarda aber sagte ohne Scheu: »Die alte Hekt, welche drüben in der schwarzen Höhle wohnt.«

      »Die Zauberin,« murmelte der Arzt; »aber wir wollen die Blätter nur liegen lassen; da sie helfen, so ist es gleichgültig, woher sie kommen.«

      »Hekt hat auch die Tropfen gekostet, die Du ihr gabst,« sagte die Alte, »und zugegeben, daß sie gut wären.«

      »Dann sind wir mit einander zufrieden,« gab Nebsecht mit einem schalkhaften Lächeln zurück. »Wir wollen Dich jetzt in's Freie tragen, Mädchen, denn die Luft hier drinnen ist schwer wie Blei und Deine zarte Lunge braucht leichtere Nahrung.«

      »Ja, laßt mich hinaus,« bat die Kranke. »Es ist gut, daß Du den Andern nicht wieder mitbrachtest, der mich mit seinen Beschwörungen ängstigte.«

      »Du meinst den blinden Teta,« sagte Nebsecht, »der wird nicht wiederkommen, aber der junge Priester, der Deinen Vater besänftigte, als er die Prinzessin abwies, will euch besuchen. Er ist freundlich gesinnt und Du solltest, solltest . . .«

      »Pentaur will kommen?« fragte das Mädchen lebhaft.

      »Vor der Mittagszeit. Aber woher kennst Du seinen Namen?«

      »Ich kenne ihn!« erwiederte Uarda bestimmt.

      Der Arzt schaute sie verwundert an und sagte:

      »Du sollst nicht mehr sprechen, denn Deine Wangen glühen und das Fieber darf nicht wiederkehren. Wir haben Dir ein Zelt bereitet und wollen Dich nun in's Freie tragen.«

      »Noch nicht,« bat das Mädchen. »Großmutter, ordne mein Haar, es ist schwer.«

      Bei diesen Worten faßte sie ihren vollen rothblonden Haarschmuck und versuchte ihn mit ihren kleinen Händen zu theilen und von den Strohhalmen, die sich mit ihm verwoben hatten, zu befreien.

      »Halte Dich still,« mahnte der Arzt.

      »Es ist so schwer,« lächelte die Kranke und zeigte Nebsecht den üppigen Reichthum ihres goldenen Haares, als wär' er eine unwillkommene Last. »Komm', Großmutter, und hilf mir.«

      Die Alte beugte sich über das Haupt der Kranken und strählte ihre langen Flechten vorsichtig mit einem groben Kamme von grauem Horn, löste die Strohhalme behutsam aus dem goldigen Gewirr und legte endlich zwei volle glänzende Zöpfe über die Schultern ihrer Enkelin.

      Nebsecht wußte, daß jede Bewegung der Leidenden zum Schaden gereiche, und es trieb ihn, den Frauen zu wehren; aber seine Zunge war wie gebannt. Staunend, regungslos und mit gerötheten Wangen stand er dem Mädchen gegenüber und seine Blicke folgten mit banger Aufmerksamkeit jeder Bewegung ihrer Hände.

      Sie bemerkte ihn nicht.

      Als die Greisin den Kamm aus der Hand legte, athmete Uarda hoch auf und bat dann; »Großmutter, den Spiegel.«

      Die Alte brachte einen Scherben von dunkel glasirtem, gebranntem Thon. Die Kranke wandte seine glänzende Innenseite dem Lichte zu, betrachtete einen Augenblick ihr undeutliches Spiegelbild und sagte:

      »Ich habe so lange keine Blume gesehen, Großmutter.«

      »Warte, Kind,« sagte die Angerufene, nahm aus einem Kruge die Rose, welche die Prinzessin Bent-Anat auf die Brust ihrer Enkelin gelegt hatte, und reichte sie ihr. Aber ehe Uarda sie ergreifen konnte, fielen ihre verdorrten Blumenblätter auseinander und auf sie hernieder. Der Arzt bückte sich, sammelte sie und gab sie der Kranken in die Hand.

      »Wie gut Du bist,« sagte sie. »Ich heiße Uarda, wie diese Blume und ich liebe die Rosen und die freie Luft. Tragt mich hinaus.«

      Nebsecht rief, der Paraschit trat mit seinem Sohne in die Hütte und Beide trugen die Leidende in's Freie und legten sie unter das schlichte, von ihnen bereitete Zeltdach. Die Füße des Soldaten zitterten, während er die leichte Last seiner Tochter in seinen starken Händen hielt, und er athmete auf, als sie wieder auf der Matte ruhte.

      »Wie blau ist der Himmel!« rief Uarda. »Ach, der Großvater hat meinen Granatenstrauch begossen, ich dacht' es! Da sind auch meine Tauben, da kommen sie! Gib mir Korn in die Hand, Großmutter. Wie sie sich freuen!«

      Die zierlichen Vögel mit dem schwarzen Ringlein am rothgrauen Halse umflatterten sie sorglos und pickten das Korn, das sie zum Spiel auf ihre Lippen legte, von ihrem Munde fort.

      Nebsecht sah diesem lieblichen Schauspiele staunend. zu. Es war ihm, als wenn sich ihm eine neue Welt eröffnete und als hätte sich ein neues, ihm bis dahin fremdes Organ in seiner Brust erschlossen. Schweigend ließ er sich vor der Hütte nieder und malte das Bild einer Rose mit einem Rohrstäbchen, das er aufgehoben hatte, in den Sand.

      Alles blieb still ringsumher; auch als die Tauben die Kranke verlassen und das Dach der Hütte aufgesucht hatten. Da schlug der Hund des Paraschiten an, Schritte näherten sich, Uarda richtete sich auf und sagte:

      »Großmutter, der Priester Pentaur!«

      »Wer sagt Dir das?« fragte die Alte.

      »Ich weiß es,« erwiederte das Mädchen bestimmt, und nach wenigen Augenblicken rief eine klangvolle Stimme: »Heil über euch. Wie geht es eurer Kranken?«

      Bald stand Pentaur neben Uarda und freute sich des günstigen Berichtes des Arztes Nebsecht und an dem lieblichen Angesichte der Jungfrau. Er hielt Blumen in seiner Hand. welche von einem beglückten Mädchen auf den Altar der Göttin Hathor, der er seit dem gestrigen Tage als Priester diente, gelegt worden waren, und reichte sie der Kranken, die sie erröthend annahm und in den gefalteten Händen festhielt.

      »Das sendet Dir die hohe Göttin. der ich diene,« sagte Pentaur, »und sie wird Dir Genesung schenken. Bleibe ihr ähnlich! Du bist rein und lieblich wie sie und Dein Walten möge auch hinfort dem ihren gleichen. Wie sie der Sonne das Leben schenkt am dämmernden Horizonte, so bringst Du Freude in diese dunkle Hütte. Bewahre Deine Unschuld und überall, wohin Du Dich wendest, wirst Du Liebe wecken, so wie Blumen sprießen an jeder Stelle, die Hathor's Hathor wird häufig, namentlich zu Dendera, »die goldene« genannt. Vieles hat diese Göttin gemein mit der »goldenen Aphrodite«. goldener Fuß betritt. Ihr Segen weile über Dir.«

      Halb


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